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55 dießmal sogar vor, durchaus die französische Flotte zu zwingen, sich in das Innere des Hafens zurückzuzichen und sie über den Haufen zu werfen, um sie besser in Brand stecken zu können. Es werde ihm, dachte er bei sich, zu diesem Zwecke das Admiralschiff, vier Fre gatten, drei Briggs und einige Kanonierböte nebst Brandern genügen; und in dieser Ueberzeugung bestieg er das Fahrzeug, welches so eben die erste Lage abge- fcuert hatte. Allein die französische Artillerie empfing ihn sogleich mit einem mörderischen Feuer und die Schlacht entspann sich auf beiden Seilen mit gleicher Heftigkeit. Bei dem ersten Signal verließ Napoleon sogleich seine Baracke und rief nach seinen Adjutanten: „Meine Pferde, meine Herren, mein PftM-eilen Sie, eilen Sie, cs gicbt etwas Neues; wir Müssen hin, um cs zu sehen." Rapp lief in die Pferdeställe. Ein unglücklicher Zufall aber will cs/daß Jardienne, der erste Be reiter, nicht zugegen ist und der anwesende Stallknecht dem Pferde des Kaisers nicht den gewöhnlichen Zaum .anlegt. Das Thier stellt sich au" die Hinterfüße, bäumt sich und endigt damit, daß es seinen Reiter aus dem Sattel in den Sand wirft. Dieser erhebt sich jedoch bald wieder, versetzt dem Pferde einen der ben Hieb mit der Reitpeitsche über den Kopf und sagt darauf ruhig zu seiner Umgebung: „Nun gut, so geh' ich zu Fuß! Meine Herren, folgen Sie mir." Keich stiegen die Adjutanten auch ihrerseits wic- m Pferden, gaben sie an ihre Bereiter und begleiteten Napoleon, der mitten durch's Lager hindurch schritt, wo Alles bereits in Bewegung gesetzt war und vor ' ^ brannte, die Manöver des Angriffs, so wie die Anstalten zur Berlheidigung in der Nähe mit anzusehen. Bruix eilte sogleich mit einem Theile seines Generalstabs dem ankommenden Kaiser entgegen. In diesem Augenblicke begannen die fünfhundert Feuer schlünde der französischen Kanonierböte, alle Batterien der Forts ungerechnet, auf den Feind loszuspielen. Je des Geschütz that ungefähr in einer Minute drei Schüsse. Das Admiralschiff, die Fregatten und die Briggs antworteten hierauf durch eine neue Lage und das hierdurch entstandene Gedonner wurde so groß, daß man das eigne Wort zu hören nicht mehr im Stande war. Man sah und erkannte sick eben so we nig, indem der Wind den Rauch der Geschütze vom Meere an's Ufer trieb. Man fühlte nur die Erde un ter sich zittern und der Himmel schien nur eine dichte Wolke von Rauch und Feuer. „Ich sehe durchaus nichts," sagte Napoleon, nach allen Richtungen sich umsehend, „treten wir näher." Nur vom Admiral und einigen seiner Officiere be gleitet, stieg er hierauf in einen Nachen, welchen ge schickte Ruderer führten, und trotz des Wellenschlages begab er sich mitten durch tausend Gefahren und einem ewig sich in allen Richtungen durchkreuzenden Kugel regen bis an die Sperrlinien und befuhr die ganze Linie der sie bildend-»- Schiffe. Vor dem Fort Tour de Croi angekomm.,., .agte er zu Bruix: „Admiral, wir müssen das Fort verdoppeln." Bruix, schon erschrocken über die Gefahr, welcher sich der Kaiser aussetzte und neue unnütze Gefahren voraussehend, vergegenwärtigte ihn in den respektvoll sten Ausdrücken die Größe seiner Lebensgefahr und die Unklugheit eines ähnlichen Manövers. Napoleon machte indeß keine Miene, ihn lange anhören zu wollen und wandte sich mit den Worten zu den Matrosen: „Gerad' aus, sag' ich Euch!" „Sire," fügte Bruix hinzu, „was würden wir durch eine Verstärkung des Forts gewinnen? Nichts als Kugeln." ^ „Dicß wäre schon Etwas," antwortete der Kaiser mit spöttischem Tone; „bah, Herr Admiral, die Ku geln sind nur für Diejenigen gegossen, welche sich vor ihnen fürchten." „Aber ich kann Ew. Majestät versichern, daß wir durch eine Wendung des Forts viel schneller zum Zwecke kommen, als wenn wir dasselbe verdoppeln." „Soldaten von der Marine, Ihr fahret in dieser Richtung," sagte, sie mit dem Finger bezeichnend, der Kaiser. Indeß selbst auf die Gefahr hin, in gänzliche Un gnade zu verfallen, machte Bruix mit der Hand ein verstohlnes Zeichen und gab den Matrosen somit einen Gegenbefehl. „Seesoldaten von meiner Garde, gehorchet Eurem Kaiser," donnerte Napoleon jetzt wild, da er offenbar das gegebne Zeichen errathen. „Soldaten der Garde Marine, ich verbiete cs Euch," schrie Bruix dazwischen, indem er über seinem Kopfe den Marschallstab schwang und mit einem er habnen Blick auf den Kaiser, fügte er hinzu: „Hier bin ich auf meinem Terrain! Die Secsoldaten gehö ren mir! Nur von mir haben sie ihre Befehle zu