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42 indem er nachdenkend dem Weibe ein Zeichen gab, sich zu entfernen. Diese aber noch immer knicend ging nicht aus dem Wege, bis Giac, aufgereizt zur Wuth, sein Pferd bäumen ließ und mit den Vordcrfüßcn die Arme nicdertrat. Zürnend blickte ihkr der Herzog an. „Möge Dir Gott diesen Mord nicht aufbchaltcn. Rei tet Einer auf das Schloß um Hülfe für sie." Ohne Regung lag die Unglückliche, ein Opfer ihrer Treue, indeß der Herzog ausbicgend, seinen Weg verfolgte. Gleichgültig ritt der ganze Troß über die Leiche hin. Drei Viertel Stunden spater langte Johann im Schlosse von Montcrcau an. Noch bevor er vom Pferde stieg, gab er Befehl, zweihundert Bewaffnete und hundert Bogenschützen in die Vorstadt zu legen und jene abzulösen, welche seit gestern die Wache an dep Brückenspitze bezogen. In demselben Augenblicke ritt Tanncguy Duchatcl herbei und brachte die Mel dung, daß der Dauphin schon seit einer Stunde den Herzog erwarte. „Auf meinem Wege hat mich Manches aufgehal ten," sprach Joha'nn von Burgund, indeß eine leichte Wolke seine Züge überflog, „sonst wäre ich schon längst hier." Da lies des Herzogs Lcibknappe athemlos herbei und sprach leichenblaß einige Worte zu seinem Gebieter. „Nun beim lebendigen Gott, so warnt uns denn heute Alles vor Verrath. Duchatcl, seid Ihr wohl sicher, daß unsere Person keine Gefahr läuft? Ihr würdet schlecht an mir und an Eurem eignen Scelen- heile handeln, wenn Ihr mich betrögt." „Mein Herr Herzog, ich will lieber todt und ver dammt sein, als an Euch oder an irgend einem Andern jemals Verrath üben. Habt keine Furcht; mein gnädig ster Gebieter, der Dauphin will Euch nichts Böses." „So sei es denn in Gottes Namen, ich will mich auf den Himmel und auf Euch verlassen, Herr Ritter," sprach der Herzog, indem er auf den Angeredeten ei nen jener durchschauenden Blicke warf, die nur seinen Heldenaugen eigen waren. Dieser hielt ihn ruhig aus, ohne das Auge zu senken. Hierauf übergab er ein Pergament mit den Namen der zehn Ritter, denen die Ehre ward, den Dauphin zu begleiten, und empfing ein ähnliches zum Austausch. Nun begab sich der Herzog zu Fuß auf den Weg, um vom Schlosse zur Brücke hinabzugchen. Er trug nichts als einen leichten Panzer und einen schwa chen Degen mit vergoldetem Griffe von ausgezeichneter Arbeit. An der Barriöre angelangt, meldete ihm Jacob von Linne, daß er viele Bewaffnete am andern Ufer in ein Haus treten und sogleich den Fensterladen habe schließen sehen. Augenblicklich eilte Ritter Giac hin, kam aber mit der Nachricht zurück, daß der Ritter sich müsse geirrt haben, da das verdächtige Haus, in welches er eingetretcn und einige Minuten verweilt sei, durch aus unbewohnt und leer stehe. Nun schritt Johann mit seinen zehn Rittern durch die erste Barriöre, die sich alsogleich hinter ihnen ab schloß, was allerdings in der Brust des Helden einigen Argwohn hätte wecken können, wenn er nicht zu sehr auf die Redlichkeit der Menschen vertraut. In der Mitte der Brücke empfing ihn Ritter Duchatcl und Beauvcau, denen er mit fester Stimme den Eid leistete, ihnen sein leichtes Panzerhemd und seinen schwachen Degen zeigend, zum Beweise, daß er keine feindlichen Absichten habe. „Wenn auch zwei Feinde zusammcnkommen, wo Ihr seid, Ritter Tanneguy, da kann keine Rede von Verrath sein. Euch, Herr Ritter, habe ich noch nicht die Ehre zu kennen," wandte er sich verbindlich zu Beauveau. Der Dauphin war indeß schon in die Loge einge- treten. Seinen schlanken, jugendlichen Körper deckte ein hellblauer sammtner Rock, reich mit Hermelin aus- geschlagen, indeß seine langen Locken unter einem Ba rette, das eine Krone von goldenen Lilien zierte, auf die Schultern niederrolltcn. Festen Schrittes ging Johann auf seinen Gegner zu, ohne daß auch nur ein Blick Zwc'fcl wegen dem fehlenden Streichbaume vcrrathcn hätte. Nun wurden die Schlagbäume der Loge geschlossen und Auge in Auge standen die feindlichen Partheicn gegenüber. Der Herzog entblößte sein Haupt vor dem Dau phin und ließ sich auf das linke Knie nieder. „Ich bin auf Euren Befehl, mein Gebieter, erschie nen, obwohl Viele mir versichert haben, daß diese Zu sammenkunft von Euch begehrt worden sei, um mir Vorwürfe zu machen. Ich hoffe, cs ist dem nicht so, da ich mir bewußt bin, sie nicht verdient zu haben." Der Dauphin stand noch mit gekreuzten Armen vor dem Knieendcn, ohne ihn aufzurichten, schoß fin stere zornglühende Blicke auf ihn und sprach dann mit vor Wuth gedämpfter Stimme: „Da habt Ihr Euch betrogen, Herzog. Soll ich die Worte wägen, sie ver zieren mit den Blumen der Milde, indeß ich Euch tödten möchte mit dem Pfeile des Hasses? Ihr habt