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41 Was ist zu thun? rette Du! Jetzt ist meine Kraft gebrochen und windet sich im Staube." „Ich kann Dir nicht rächen. Laß die Vorsehung ruhig ihren Gang gehen, sie kann es zum Guten leiten." „Der Himmel kann nur warnen, nicht für uns handeln, wie bliebe dann ein Gericht möglich? Nacht außer mir, Nacht in mir. Kein einziger Stern, nicht der leiseste Schein von Dämmerung, das ist entsetzlich." „Eines ist möglich, doch Du kannst cs nicht voll- führcn. Opfere Giac und rette den Herzog." „Das wäre der schnellste Weg zur Wahrheit, aber ich kann ihn nicht gehen, nicht jetzt schon gehen." Hier drückte sic sich in die Polster der Ottomane, fest die Hände auf die Augen pressend. Kein Zucken zeigte, ob sie weine, kein Zug des Angesichts von irgend einer Qual des Innern, kein athmendes Heben der Brust, daß sie überhaupt noch lebe. Vor ihr kniete Louison, laut weinend, die Schwester mit den zärtlichsten Namen rufend. — Endlich erhob sich diese, ermattet, mit gebrochenen Gliedern, fast todten Augen, kniete neben der Jungfrau nieder und betete eine Minute lang. Dann sprach sie kaum hörbar: „Dieß als Dank für den Gedanken. Gelingt es nicht, dann wird das Entsetzlichste Gewäh rung bringen. Lieber die Wittwe eines Hingerichteten sein, als das Weib eines Verräthers. Sie winkte ihrer Schwester zu bleiben und ging mit wankenden Knieen aus dem Gemache. Die Nacht war stürmisch, wie sie das milde Klima >n Frankreich nur selten hat, und wie sich endlich das Licht aus dem dichten Wolkenschleicr losrang, war der t -nze Erdboden mit tiefem Schnee bedeckt. Eine Stunde später ward es laut im Schloßhofe zu Bray. Geschäftige Knechte liefen hin und wider, zogen Pferde aus dem Stalle und legten denselben prachtvolles Reitzeug auf. Besonders zeichnete sich der Araberhengst des Herzogs vor allen übrigen Thieren aus. Schwarz am ganzen Körper bot er dem Auge auch nicht ein weißes Haar; schnaubend dehnte er die Nüstern und sprühte Blitze aus den Feueraugen, indcß er mit un geduldigem Hufe den Sand aufscharrle. Endlich er schienen die Ritter, reich gekleidet mit funkelndem Geschmeide, Lachen und Freude in den heiteren Zügen. Grüßend neigte sich Johann gegen die Damen, welche an den Fenstern sich befanden und vergeblich suchte sein Auge Aböle. „Eure Gemahlin vermisse ich, Ritter Giac. Ist sie vielleicht unwohl?" „Ich danke, Herr Herzog, für Eure Sorge," sprach dieser, der bleich und düsten neben Johann hielt. „Ge stern Abend war sie noch vollkommen gesund, heute habe ich sic noch nicht gesehen." „Nun in Gckttes Namen brechen wir auf." Kaum aber waren sie bis an die Schloßpforte ge ritten, als des Herzogs Hund sich wüthend von der Kette riß, an seinem Herrn hinaussprang und sich be mühte, denselben an den langen Sporen vom Pferde zu ziehen. Der Herzog hielt die Zügel an und strei chelte seinen Lieblingshund, daß er wieder besänftigt wurde. Kaum aber erreichte der Reiter die Pforte, als sich das Thier mit funkelnden Augen und gesträub ten Haaren auf das Pferd warf und cs in die Brust biß, daß sich dasselbe wüthend bäumte. Der Herzog, der seinen Hund für toll hielt, spaltete mit der Streit axt den Kopf desselben und ließ sich ein anderes Pferd vorführen. Der Hund aber wälzte sich auf die Schwelle und blieb dort sterbend liegen. „Fürwahr," sprach Johann, „man sollte dieß für ein böses Zeichen halten." Kaum waren sie hundert Schritte in der scharfen Frühluft fortgerilten, als eine Bäuerin aus dem Ge büsche trat und dem Herzog in den Zügel fiel. „Mein Herr und Gebieter! im Namen Gottes, ge het nicht weiter." „So hat sich denn Hund und Mensch verschworen, unfern Weg zu stören und den Ritt zu hemmen. Was wollt Ihr?" rief der Angehaltene ungeduldig. „Hört die Warnung eines treuen Herzens, mein Gebieter, geht nicht Eurem Verderben entgegen, ein großes Unglück erwartet Euch." „Ich stehe überall in Gottes Hand, macht frei die Straße und laßt mein Pferd seinen Weg verfolgen." „Gott kann Euch schützen, aber oft schon wehrte er dem Verrathe nicht, und ließ ein edles Herz ver derben. Hier werfe ich mich auf die Knice, hört mein Flehen und laßt die Warnung nicht ungehört verhal len." „Hätte mich der Hund auch warnen wollen? Man sagt, die Thiere haben oft eine feine Witterung. Was sagt Ihr dazu, Ritter Giac?" „Das Weib in Stücke hauen lassen, wenn sie nicht geht," rief dieser, indem Ungeduld seine Züge mit Purpur überflog. „Ich sage, das Weib ist eine Hexe oder Närrin und soll gleiches Schicksal mit Eurem Hunde haben." „Laß mich," sprach Johann mit sanfter Stimme,