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wasserreichen Fluß- und Teichgebieten im Norden des Ge bietes. Bezüglich der Höhenverbreitung erweist sich der Storch gegenwärtig als ausgesprochener Bewohner der Ebene; kein heute noch besetztes Storchnest steht oberhalb der Iso hypse von 200 Meter. Früher erstreckte sich sein Brutgebiet auch bis an die Ausläufer des Lausitzer Gebirges, so brütete der Storch bis 1913 noch in Drausendorf (224 Meter) bei Zittau. Es wird eine interessante Aufgabe sein, in Zeitabständen von etwa 5 zu 5 Jahren die Erhebungen über den Storch bestand zu wiederholen, um in wissenschaftlich einwandfreier Weise die in der Zwischenzeit eingetretenen Veränderungen zu erfassen. Das Resultat läßt sich allerdings schon jetzt mit einem hohen Grade von Wahrscheinlichkeit voraussagen. Ich habe nämlich bei meinen Feststellungen auch stets ver sucht, die Besetzungsdauer der einzelnen Nester sestzustellen. Darnach ergibt sich für Ostsachsen mit Ausnahme des Großen hainer Gebietes folgendes Bild: Von den 58 früher sowie jetzt noch vorhandenen und besetzten Nestern waren 1900 noch 46 besetzt, 1910 42, 1920 war die Anzahl der besetzten Nester schon auf 16 zurückgegangen und 1924 waren nur noch 11 Nester besetzt. Die graphische Darstellung wird die Abnahme noch deutlicher zeigen, wie dies die Zahlen tun können. An dieser Stelle möchte ich noch etwas näher auf die fol gende Frage eingehen: Wann ist ein Storchnest besetzt und wann können wir annehmen, daß das Nest endgültig ver lassen ist? Es ist eine bekannte Tatsache, daß die Störche öfters mit dem Brüten aussetzen, es scheinen hier die Er nährungsverhältnisse mit in Betracht zu kommen. So ist es möglich, daß Nester, in denen 1924 keine Jungen groß gezogen worden sind, in den folgenden Jahren wieder Junge auskommen sehen. Auch die Anzahl der Jungen schwankt in den einzelnen Jahren ganz erheblich, eine Feststellung, die auch schon andere Beobachter gemacht haben. So scheinen warme, jedoch nicht übermäßig trockene Frühjahre die An zahl der jungen Störche günstiger zu beeinflussen, wie kalte und nasse. So hat also die Witterung des Frühjahres einen, wenn allerdings auch indirekten Einfluß auf die Zahl der Jungen. Die von mir festgestellte Höchstzahl von Jungen beträgt 6, jedoch nur in zwei Fällen, die durchschnittliche Anzahl beläuft sich auf 3 bis 4 Junge. Werfen wir noch einen kurzen Blick auf den Storchbestand im übrigen Deutschland; auch hier ist in allen Gebieten eine rasche Abnahme des Bestandes zu verzeichnen. So verringerte sich der Bestand in Schlesien nach Pax innerhalb 15 Jahren um 62 o/o, in Mecklenburg haben Wüstnei und Clodius 1901 eine Storchzählung vorgenommen, die 1912 von Clodius wiederholt wurde; in diesem Zeitraum batte sich die Zahl der Nester um 66o/o verringert. Gleichfalls eine starke Ab nahme, nämlich um 470/o, zeigte sich zwischen 1909 und 1919 in Lübeck, wo Hagen diese Feststellungen oornahm. In Mittelsranken betrug der Rückgang der besetzten Storch nester in 7 Jahren nach Stresemann 64,6"/o, in Oberfranken in 6 Jahren sogar 68,2°/«; in Sachsen ging der Rückgang in ähnlicher Weise vor sich. Diese erschreckende Abnahme unseres Storchbestandes müßte jeden, der nur einigermaßen für uusere bedrängte Vogelwelt fühlt, Anlaß zum Nachdenken geben. Gerade auf diesem Gebiete sind die widersprechensten Ansichten ge äußert worden. Ich glaube jedenfalls kaum, daß allein die Zunahme der Starkstromleitungen den Rückgang bedingt; auch die Tatsache, daß unser Storch hauptsächlich durch die Trockenlegung nasser Wiesen und den dadurch eingetretenen Nahrungsmangel verdrängt worden ist, ist meiner Ansicht nach für die rapide Abnahme allein nicht ausschlaggebend. So ist z. B. in dem wasserreichen Ostpreußen die Zahl der besetzten Storchnester von 1905 bis 1912 um annähernd 5000 zurückgegangen, ohne daß gleichzeitig eine dieser Abnahme entsprechende Trockenlegung stattgefunden hätte. Ferner nimmt man auch an, daß die Abnahme auf Mangel an Nist gelegenheit beruht, indem man auf das allmähliche Ver schwinden der Strohdächer hinweist. Demgegenüber ist aber zu betonen, daß gerade in der Lausitz noch eine sehr große Anzahl strohgedeckter Bauerngehöfte steht sowie auch einige unbenutzte Nester vorhanden sind. Ein weiterer, meiner An sicht nach nicht zu unterschätzender Faktor des Rückganges ist darin zu suchen, daß unsere Störche ihr Fortpflanzungs geschäft aus uns vorläufig noch unbekannten Gründen immer mehr und mehr vernachlässigen. In Lübeck hat sich im Laufe eines Jahrzehnts der Storchbestand auf die Hälfte verringert, während die Zahl der Brutpaare gleichzeitig um zwei Drittel abnahm. Auch in Ostsachsen ist die Zahl der ungepaarten Störche recht erheblich. Oft sah ich während der Brutzeit einzelne ungepaarte Störche, die sich aus den Wiesen aufhielten. Früher glaubte man, es handele sich hier um überzählige Männchen, doch deuten die Untersuchungen der Vogelwarte Rossitten darauf hin, daß hierbei jüngere, noch nicht fortpflanzungsfähige Stücke, daneben aber auch ältere, nicht brütende Exemplare, und zwar beiderlei Geschlechts, in Frage kommen. Neuerdings mehren sich auch die Nachrichten, daß Störche zu allen Jahreszeiten in den Winterquartieren sestgestellt werden und man will auch diesen Faktor mit der Abnahme in Zusammenhang bringen. Ich glaube aber, daß dieser Punkt kaum etwas zu bedeuten hat, da es sich hier wohl größtenteils um jüngere, noch nicht fortpflanzungsfähige Exemplare handeln wird. Oft sollen auch Störungen während der Brutzeit an der Abnahme der Störche schuld sein, ich konnte aber feststellen, daß sie trotz vielfacher Siörungen am Brutplatze festhielten. So erfuhr ich, daß das heute noch besetzte Nest in Wessel vor mehreren Jahren während der Brutzeit umgesetzt werden mußte, hierbei stürzte es sogar herab, und trotzdem hielten die Störche aus. In Briefing mußte ebenfalls einmal ein Nest umgesetzt werden, als der Storch schon auf dem Gelege saß. Auch in diesem Falle vergrämten die Störche nicht; sie brüteten auf den Eiern, die man inzwischen sogar aus dem Neste herausgenommen hatte, weiter und brachten ihre Jungen hoch. Auch darin, daß Störche während der Brutzeit öfters ab geschossen werden, sehe ich nicht den Hauptgrund der Ab nahme, während andere Beobachter darin die Hauptursache erblicken wollen. Gewiß trägt der Abschuß der Vögel und das Zerstören der Nester zur Verminderung des Storch bestandes bei, aber die alleinige Ursache dürfen wir darin nicht sehen. Außerdem ist der Storch durch das Reichsoogel- schutzgesetz vom 30. Mai 1908 vom 1. Mä,z bis zum 30.Ok tober geschützt, und da der Frühjahrszug Anfang April stattfindet, der Herbstzug sich im allgemeinen nicht über Ende August ausdehnt, so ist der Storch bei uns durch dieses Ge setz wenigstens theoretisch vollkommen geschützt. Der Ab schuß eines Storches ist also unter allen Umständen strafbar! Um so bedauerlicher ist es, daß Störche während der Brut zeit oft in rücksichtsloser Weise abgeschossen werden. Nament-