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dig befinden. Worauf gründet sich denn eigentlich jeder Fortschritt in der Wissenschaft? Doch nur darauf, daß große Erfinder durch angestrengte Denk arbeit neue Wege finden, die die gerade wieder einmal festgefah- rcne zünftige Wissenschaft aus ihrer Verlegenheit befreiten und sie, wenn sie dem Führer zwar vorsichtig aber unvoreingenommen folgt, ein winzig Quentlein weiterbringen. Das Folgen, das tut die Wissenschaft aber höchst ungern! Fast alle Helden geistiger Erneuerung konnten ihre Ziele nur gegen die Wissenschaft ihrer Zunft und Zeit, selten mit ihr durchsetzen. Galiläi, Kolumbus, Luther, Bismarck, List, Zeppelin und un gezählte andere wurden von der regierenden Wissenschaft ihrer Zeit solange zu den Idioten gerechnet^ bis sie sich entweder durch gesetzt hatten oder untergegängen waren. Was sind denn die mit peinlichster Gewissenhaftigkeit behüteten Ergebnisse der Wissenschaft eigentlich? Sie sind Glaubenssätze, die früher einmal schwer bekämpft, sich heute durchgesetzt und Herrscherrecht erlangt haben. Sie gründen sick insbesondere in der Geschichtswissenschaft aus Funde aller Art aus vergangener Zeit, aus Berichte alter Schrift steller, auf Urkunden, auf Folgerungen namhafter Gelehrter und ähnliche Dinge. Vieles davon ist menschlich verständlich und läßt glauben, daß der oder jene Vorgang sich höchstwahrscheinlich so und nicht anders abgespielt haben wird. Ob dasaberwirklichsomar, daswissen wir alle nicht. Menschlich Wissen ist Stückwerk, darum prüfe alles, das B e st e b e h a l t e. Dazu kommt noch ein anderes. Gegen die bisherige Richtung in der deutschen Geschichtsfor schung, die einen stark internationalen Zug hat, lehnt sich die nationale Richtung immer erfolgreicher auf, genau wie in der Politik. Die nationale Richtung ist für die Deutschen gegen die andern, die internationale ist für die andern gegen die Deutschen. Diese letztere behauptet nun, die allein seligmachende zu sein, und fällt wütend über jeden her, der in Deutschland z. B. wagt, einer Ursprungsbesiedelung Ost-Deutschlands durch Germanen das Wort zu reden, die die slawische Überflutung an Ort und Stelle überdauert hat. Gehören Sie etwa dieser Richtung an, Herr Frenzel? War jener Frenzel Ihr Vorfahre, der vor rund siebzig Jahren in Hoffm. »cript. rer. Uu8. U 43 unser reindeutsches Städtchen Hirschfelde aus wendisch „Ielenice" entstanden wissen wollte? Sind Sie Wende oder neigen Sic wendischen Gedankengängen zu? Das würde mir vieles erklären. Leider müßte ich Ihnen da die betrüb liche Mitteilung machen, daß Siidlausitz und Nvrdböhmen von altgermanischen Namen, die die Slawenzeit siegreich überstanden haben, geradezu wimmeln. Das haben die neuesten, noch nicht abgeschlossenen Forschungen auf diesem Gebiete ergeben. — Sie schreiben ausgerechnet Herrn Dr. Stuhl: „Sie scheinen noch garnicht zu wissen, daß in der Oberlausitz Wenden wohnen, die sich früher auch erlaubt haben, sich ortsnamengebend zu betätigen." Herr Frenzel, das wußte und lehrte Herr Stuhl schon, als sie noch in jenem sagenhaften Teiche saßen, aus dem der Klapperstorch di« kleinen Kinder bringt. Damals waren Sie sich jedenfalls noch nichr im klaren, ob Sie Ihre Gunst einmal den Wenden oder den Deut sehen zuwenden sollten. Doch Spaß bei Seite! Sie schreiben in Nr. 10 der „OberlausitzerHeimatzeitung", daß es in der Oberlausitz drei waldfreie Landgebiete gab: erstens Bautzen mit Umgebung, zweitens Zittau mit Umgebung, drittens Ossig mit Umgebung. Diese drei Gebiete waren ihrer Meinung nach die zuerst besiedelten. Das ist auch restlos meine Meinung, nur möchte ich Sie für die Löbauer Umgebung um etwas Entgegenkommen bitten, da war sicher das vierte Landgebiet mit dem Rotstein als Mittelpunkt. Diese Gaue stimmen mit den späteren Hoheitsgebieten der Sechsstädte Bautzen. Löbau und Zittau überein, nur der Gau Ossig wurde von Zittau und Görlitz 1368 im Ostritzer Rathaus- streite gewaltsam seiner Selbständigkeit beraubt. Merkwürdigerweise kommt nun Herr Dr. Stuhl ohne Orts kenntnis zu derselben Feststellung, lediglich durch seine Namen deutung. Er bezeichnet z. B. den Namen Ossig als Mittelpunkt eines Gaues, als Gerichts- oder Bannhag. Sie verlangen, daß Ossig als slawisch „Grenzverhau" be zeichnet wird. Da sind Sie ja tschechischer wie die Tschechen selber, Her: Frenzel! Die bezeichnen 08kck (Ossig, Osscgg) als Bichhag, Landwirt schäft. Herr Stuhl kommt da mit seinem Bannhag der Sache recht nahe, besonders, wenn man berücksichtigt, daß Kult-, Gerichts wesen und Landwirtschaft damals in engster Berührung mit einander standen. Ihr Grenzverhau ist oMrn^u, 08trc>2k^, mit dem der Name Ostritz, das an der Grenze dieses Gaues lag, entfernte Ähnlich keit hat. Sie hatten das wohl verwechselt, Herr Frenzel? Im Bezirke Löbau liegt weiter Dolgomitz. Sie schreiben mit kategorischem Imperativ: „Der Ortsname Dolgowitz ist slawisch." Woher wissen Sie das, Herr Frenzel? Vielleicht aus P. Kühnel, Die slavischen Ortsnamen der Over lausitz? Dort steht trotz allen Lobes, das Sic dieser Arbeit spenden, eine ganze Masse drin, was lediglich Privatansicht, blühende Phantasie ist. Ich verweise Sie z.B. auf den Flußnamen Mandan: muncln, memctsva^ tschechisch faule Dirne. Die Mandan hat aber ein vorwiegend starkes Gefälle und fließt infolgedessen sehr rasch, wird auch bei Gewittergüssen sehr bösartig. DieseErklärungtaugtalsoNichts. Sie taugt noch weniger, wenn man beachtet, daß die Mandan wohl heute noch in ihrem Oberlaufe „die rote Eldritz" heißt und daß man sie in Zittau bis kurz vor dem dreißigjährigen Kriege in Urkunden und Berichten nie anders als „das alte Wasser" benennt! Den Namen „Mandaw" führte bis zu dieser Zeit nur der „Mundauerberg" in Zittau, auf dem das alte Rathaus stand. Der Fluß hat seinen urdeutschen Namen erst vom Manduw-Berge erhalten, an dessen Fuße er vorüberflicßt. Was der Name bedeutet, ist bisher ein Buch mit sieben Siegeln gewesen, auch für die zünftige Wissenschaft. Erst Herrn Dr. Stuhl ist es Vorbehalten geblieben, diesen Namen vernunftgemäß und mit verblüffender Einfachheit zu klären. Er hat zugleich blitzartig neues Licht in die Finsternis hilfloser Geschichtsforschung für die Zeit vor Zittaus sogenannter Grün dung gebracht. Erst durch ihn wurden manche Urkunden- Bezeichnunge» des vierzehnten Jahrhunderts verständlich. Wir werden — Herr Oberstudienrat Dr. Stuhl und ich in Bälde mehr von uns hören lassen, vielleicht auch in unserer tzcimatzeitung. Wir wissen, daß sich unsere Bewegung durchsetzen wird, weil mit ihr das Recht ist, und es wird die Zeit nicht mehr fern sein, wo die amtlich gestempelte Wissenschaft von den Ergebnissen der Stuhl'schen Erfindung genau so verschämt, aber genau so aus giebig Gebrauch machen wird, wie die Schulmedizin von der Naturheilkunde. Oybin, den 19. November 1921. Mit vorzüglichster Hochachtung Alexander Haase, Ehrenvorsitzender des Gebirgsvereins Oybin. Die Kostenfür den Denßmalsbau am Kottmar (Ehrenmal für die Gefallenen des Verbandes „Lusatia") sind infolge zahlreicher unvorhergesehener Umstände größer geworden, für die leider restlose Deckung noch nicht vor Händen ist. Die „Gberlaujitzer Heimat-Zeitung^ nimmt deshalb weitere Spenden hierfür gern entgegen.