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Jahreswende Es richt der Forst in heil'gem Schweigen, Nmkost vom Hellen Mondsnglanz, Das Heer der Sterns schlingt dis Böigen Iu ewig goldnsm Strahlenkranz. Nus steilem Pfad ich einsam schreite, Der Schnee knirscht unter meiner Spur, Es sinnt mein Geist in ferne Weits, Jur Andacht stimmt mich dis Natur. Das Herz erfüllt von leisem Klingen Swing' ich zur Buhe meinen Gang, Der Wind bringt mir auf leichten Schwingen Entfernter Glocken ernsten Klang. Nsujahrsnacht! Deine Flügel heben maus uns über Baum und Seit, em Strome gleich eilt unser Leben Nnd mündet in die Ewigkeit. Lin Mahner bist du dem Gewissen Nnd waltest so in deinem Amt, Das) alle Hüllen weichen müssen Der Sünde, die uns tief verdammt. Doch nicht nur Strenge, auch Erbarmen Birgst du für jedes Menschenherz, Buhn wir doch in den ew'gen Armen, Dis sanft uns tragen himmelwärts. Wenn einst erloschen unser Leben Nnd abgestrsist das Pilgerkleid, Dann wirst du mächtig dich erheben Als Ssugs unsrer Erdenzeit. Wohl uns, wenn jede neue Wende Nollkomm'ner uns und reifer fand, Nnd wir nach letzter Prüfung Ende Als Erben stehn im Heimatland. Hilda Mathes. Stuttgart. Der Oybin im Wintergewande Der Berg im ersten Rauhreif Von O. Schöne «AADin gütiges Geschick halte mich in den letzten Tagen des Nebelmondes nach dem zur Sommerzeit überreich be- lebten Oybintale verschlagen: grau in grau der Himmel, tiefdunkelgrün der das Tal umschirmende Bergring, wenig Farbe und feste Form im Landschaftsbilde —und doch so ergreifend die heilige Dämmerstille, die den Ort sommerlicher, übermütiger Fröhlichkeit zur Zeit des kommenden Winters umsängt. Am spät erwachenden Morgen liegen kalte, schwere Nebel auf Berg und Tal. Nur langsam vermag das Licht des Tages sie zu durchdringen; rind ganz gemach heben und senken sich die weißen Dunstschwaden, nur die höchsten Gipfelhöhen des Oybin- tales, den Hochwald, Vrandberg, Scharfenstein, Töpfer und den Oybinfelsen mit ihrem feuchtgrauen Mantel ferner noch umhüllend. Welch zauberisches Bild ersteht indes mit den weichenden Nebeln vor unserm suchenden Auge! In unbeschreiblich zartes Weiß getaucht die sichtbar werdende Landschaft: der erste blütenweiße Rauhreif an Baum und Stein, auf Wiesen, Garten und Haus! Lluf Straßen und Ackern schimmert freilich noch der braune Grund ton durch, die Millionen sie bedeckender Cissternchen bilden hier nur die glitzernden Maschen eines unendlich feinen, durchsichtigen Gewebes. In solch silberweißem Schmuck enthüllt sich nunmehr auch der Dor uns liegende, einer riesenhaften Felsglocke gleichende Oybin, in diesem schimmernden Gewände reizvoller, als wir ihn je ge sehen. Da gilt es kein Verweilen! Wir greifen zum Bergstöcke und bald umweht uns der scharfe Morgenwind, und in kurzer Zeit stehen wir am Fuße des' Felsriesen. Auf reifbestreuten Stufen steigen wir empor, an dem felsgeborgenen Dorfkirchlein vorüber, und erreichen an der sogenannten Ritterbrücke den Sattel zwischen Oybin und Schuppenberg. Um den Oybingipfel mit seinen Heiligtümern, wenn wir so sagen dürfen, zunächst einmal von außen zu genießen, drängt es uns zu letztgenanntem, sonst wenig beachteten und wenig besuchten Bergkegel hinüber. Da der Schuppenberg zum Glück noch keinen „bequemen Ausstiegsweg" erhalten hat, ist seine Besteigung nicht so ganz frei von Anstrengung. Durch Heidelbeergestrüpp und verwittertes Felsgestein leiten verlorene Pfade in steilem Anstieg zur Höhe. Es ist auch gar nicht notwendig, seinen von Kiefern hochwald umkleideten, eine Erhebung von 515 Metern erreichen den Gipfel zu erklimmen. Das, was wir suchen, bietet sich uns bereits auf reichlich halbem Wege: der Ausblick nach dem von da in überraschender Wildheit sich erhebenden Oybinfelsen, dessen von jäher Felskante schauende Burgreste inmitten ihrer zartgrünen Waldumrahmung ein abgeschlossenes Stimmungsbild von ganz besonderem Reiz ergeben, dem heute der Silberschimmer des Reifes noch eine erhöhte Wirkung verleiht. Auf die Rückkehr zur Ritter brücke lassen wir den Aufstieg zum Oybin folgen. Leisen Schrittes steigen wir den alten Burgweg hinan; über uns wölbt sich das erste, ursprünglich „zweite Burgtor". Auf flacher Stufenanlage steigen wir weiter. Durch die Torbogen des „fünfeckigen Turmes" betreten wir den untern Burghof. Zahllose Eiskrystalle bedecken hier den Fußboden, auf dem unsere Tritte leise klingen. Unser Auge a^er bannt der Glanz des unbeschreiblich feingliedrigen Silbernetzes, mit dem das rötlich-graue Steinmauerwerk von Kaiserhaus und Kirchruine überspannen ist, es taucht in das weiße Licht der Eisnadelzier an Baum und Strauch und Halm. Kein Laut unterbricht die andachtsvolle Feierstille des frühen Vormit tags. Durch den heute seines düsteren Ernstes fast ganz ent kleideten sogenannten Kreuzgang gelangen wir nach dem Berg friedhof des Oybin. Mehr denn je heben sich dessen schlichte Grabstätten von der engumgrenzten Fläche seines Felsgrundes ab. Auch hier wirkt der duftige Schleier des Reifes ungemein freundlich und feierlich zugleich. Ein Blick hinab in den schwin delnd tiefen Hausgrund und hinüber zu der Höhenwand des Ameisenberges erschließt uns den vollen Zauber des bereiften Winterwaldes. Und nun noch die steile Stiege aufwärts nach der hinter der Kirchenruine gelegenen „Raubschloßhöhe". Hier oben, wo wetter harte Föhren die bescheidenen Reste der aus dem Anfänge des dreizehnten Jahrhunderts stammenden ältesten Befestigung mit knorrigem Wurzelgezweig umklammern, da stehen wir frei und leicht außer dem Bereiche des unterdessen entschwundenen Berg nebelringes, wir blicken hinab auf das lichtdurchflossene Oybintäl mit seinem reichen tzöhenkranze bis hinauf zu dem beherrschenden Hochwaldgipsel mit seiner Wolkennebelkappe. Hier im Aller heiligsten der Natur vernimmt unser Ohr im Geäst der im Luft hauche schwingenden, eisgepanzerten Baumkronen ein feines Klirren und Klingen: die Musik des deutschen Winterwaldes im Rauhreiskleide l Iiiuulnuimiiiimuunimuumiimimuuiuumuuiiniumiuuiuiiummiiiuiiiimuiuuuiiim Sylvester Die Nacht hat Stimmen, gewaltig tönende: die Glocken — und leise, fein: die Herzen. — Die Stimmen reden miteinander. Die Glocken rufen: Vergänglichkeit — Ewigkeit! — Die Herzen sagen: Glück — Leid! Die Herzen fragen: Glück oder Leid? — Die Glocken antworten: Vergänglichkeit — Ewigkeit! Da werden die Herzen still und lauschen. Sie lauschen dem kommen den Jahr entgegen. Sie empfangen es mit stillem Hoffen, mit leiser Wehmut. — Erdenwanderer, Zeitenpilger sind die Menschen und ihre Sehnsucht ist der Kompaß, der ihnen das ewige Ziel zeigt. — Uber nachtdunklen Tiefen die goldenen Sterne! Sei uns gesegnet neues Jahr!