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35. AemiliuS hatte nämlich vier Söhne. Zwei waren, wie be reits erzählt, in andere Familien übergegangen, Scipio und FabiuS. Zwei standen noch im Knabenalter, und diese Kinder aus einer zweiten Ehe hatte er im eigenen Hause behalten. Der Eine davon starb füns Tage, ehe Aemilius seinen Triumph feierte, im 14. Lebensjahre, und ebenso der Andere, zwölfjährige, drei Tage nach dem Triumphe, so daß es keinen Römer gab, der nicht bei diesem traurigen Vorfall gleichfalls von Schmerz ergriffen wurde. Jedermann schauderte es vor der Grau samkeit eines Schicksals, das sich nicht entblödcte, solch eine Trauer in ein von bcneidenswerthem Glück, von Jubel und Opfern ungefülltes Haus hineinzuführen, — Klaggesänge und Thränen unter Siegeslie- der und Triumphe zu mischen! 36. Indessen hegte Aemilius die richtige Ueberzeugung, daß der Mensch seine Tapferkeit und seinen Mnth nicht bloß gegen Waffen und Sarisscn brauchen könne, sondern ebensowohl gegen jede Widerwärtig- keit des Geschicks. Demnach wußte er die zwei verschiedenen Elemente seiner augenblicklichen Lage in eine so schöne Verbindung zu bringen, daß das Schlimme im Guten, das Häusliche im Oeffentlichen ver- schwand, ohne die Größe des Sieges herunterzudrücken, oder dessen Ehre Eintrag zu thun. Ten Erstcren seiner beiden Knaben hatte er, nach dessen Tode, kaum bestattet und triumphirte sodann unverzüglich, wie bereits er zählt. Als er hierauf, nach dem Triumph, auch den zweiten verlor, beries er das römische Volk zur Versammlung und sprach in derselben als Manu, der keines Trostes bedarf, sondern vielmehr seine Mit bürger in ihrem Schmerze über sein Unglück zu trösten versuchte. „Vor menschlicher Macht — (dies; waren seine Worte) — habe ich mich niemals gefürchtet; unter den höheren Mächten erblickte ich das Ungetreuste, Wankelmüthigstc, was es gibt, stets kn dem Schicksal. Und dieses, ja dieses machte mir jederzeit bange, am bängsten in dem letzten Kriege, wo es, wie ein herrlicher Fahrwind aus der See, meine Unternehmungen begünstigte, wcßhalb ich irgend einen Wechsel, irgend einen Umschlag stündlich erwarten mußte. Denn an Einem Tage (fuhr er fort) bin ich über das jonische Meer von Brundisium nach Corcpca gesegelt; fünf Tage später durste ich in Delphi dem Apollo mein Opfer darbringen; nach abermals fünf Tagen übernahm ich den Ober-