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14 in Bewegung gebracht, seine Kräfte entwickelt, ja über alles Erwarten ge steigert. Die Portugiesen hatten die Araber aus ihrem Lande vertrieben, waren ihnen dann nach Afrika gefolgt, hatten ihnen Cöuta, Tanger ent rissen und gaben trotz aller Macht der ungläubigen Feinde die Hoffnung nicht auf, sie zu unterwerfen und zum katholischen Glauben zu bekehren. Ganz in dieser Richtung stand Prinz Heinrich, der dritte Sohn König Johanns des Ersten von Portugal. Er war Großmeister des Christus ordens und glaubte die Schätze desselben nicht zweckmäßiger verwenden zu können, als zur Unterwerfung und Bekehrung der Ungläubigen. „Heinrich war ein Mann von hoher Gestalt, kräftigem und starkem Körperbau; seine Miene war ruhig, seine Rede fest; sein ernster Blick hatte etwas Zurück schreckendes für den, der ihn nicht kannte, etwas Wildes, wenn er in Zorn geriet. Ehrbarkeit herrschte in seinen Reden und Handlungen, Einfachheit in seiner Kleidung und Hofhaltung. Er war von großer Reinheit des Herzens und der Sitten. Er enthielt sich des Weines und des Umganges mit Frauen. Er besaß viel Beharrlichkeit und Gewalt über seine Leiden schaften; im Glück wie im Unglück war er bescheiden und leicht zum Ver geben geneigt."*) Sein klarer Geist erkannte, daß das vom Meer umspülte Portugal nur auf diesem Elemente eine außergewöhnliche Macht entfalten konnte. Nur eine schmale Enge trennte es von Afrika. Was wunder, daß der unternehmende Prinz auf die Nordseite jenes Erdteils seine ganze Thatkraft spannte. Die Ungläubigen zu unterwerfen, an der Westküste des unbekannten Erdteils Entdeckungen zu machen, dem Handel neue Ge biete zu erschließen, das waren Aufgaben, die wohl verdienten, daß man ihnen die volle Kraft eines Menschenlebens widmete. Außer diesen sehr realen Zielen, jagte der Prinz aber auch der Trug gestalt des „Priesters Johannes" nach. Vielleicht war er gar der Apostel Johannes, an dem Gott das Wunder gethan, daß er die Jahrhunderte hindurch am Leben geblieben war. Die Einbildungskraft der Christen wurde ja durch diese Sage mächtig angeregt, man hatte den König schon in ganz Asten vergeblich gesucht. Wenn sich sein Reich nun in Afrika be fände? Hinter den Ländern der Mauren sollten ja noch weite Reiche mit blühenden Städten liegen. Wenn man Johann zum Bundesgenossen ge wänne, wenn er die Mauren von Süden aus faßte, während Portugal sie von Norden her angriff? Prinz Heinrich der „Seefahrer", wie man ihn genannt hat, wurde von diesen verschiedenen Beweggründen aus die Seefahrt an der Küste Afrikas gerichtet, nur von einem nicht, welcher ihm fälschlich zugcschriebcn ist. Für jetzt, im Anfänge seiner Laufbahn, war das Ziel seiner Untemehmungen noch gar nicht die Auffindung eines See weges nach Indien durch die Umsegelung Afrikas. Erst mit dem wachsenden Erfolge wuchs er an ein so hohes Ziel heran. Seine nächsten Zwecke verfolgte der Prinz aber mit dem Ernste eines *) Rüge, Zeitalter der Entdeckungen.