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Eine Einschränkung des Begriffs christliche Literatur und Dichtung auf solche poetische Erzeugnisse, die ihre Stoffe dem christlichen Vor stellungskreis oder der christlichen Geschichte entnehmen, hieße der ganzen übrigen Dichtung das Prädikat christlich im positiven Sinne aberkennen. Dichter wie Shakespeare, Cervantes, Moliere und einzelne Dichtungen wie Goethes „Iphigenie" und „Hermann und Dorothea", vieles von Schiller, Tieck, Novalis, Kleist, Grillparzer stünden dann außerhalb dieses reinen und edlen Bezirkes. Aber wie Augustinus von der Kirche, so dürfen wir wohl auch hier sagen: iAuIti intra sunt, gut koris vickentur, und das wird um so mehr der Fall sein, je weniger wir hier wie dort die Grenzen über Gebühr und gegen alle Tradition engziehen. Die großen literarisch geschulten Männer hatten denn auch einen weiteren geistigen Horizont als unsere eingeengte, politisch-kon fessionelle Gegenwart. Vor allem Friedrich Schlegel, dem sich später unter den Dichtern Eichendorfs, unter den christlichen Philosophen Deutinger beigesellen. Auf zwei Wegen, so führt Schlegel aus, hat man eine Übereinstim mung zwischen Christentum und Poesie zu erreichen gesucht. Der eine ging vom Christentum aus. Man strebte darnach, „eine die Natur um fassende Symbolik zu entwickeln, welche mit dem reinen Lichte der Wahr heit zugleich allen Glanz und die Fülle der geistigsten Schönheit ver einigte und eben dadurch an die Stelle der alten heidnischen Mythologie für die christliche Kunst treten und dieser zum Ersatz derselben dienen konnte." Diesen Weg sei vor allem die italienische Schule unter den impressionistische Spielerei. Sehr bezeichnend spricht Sörensen sogar einmal von Böckliuschen Naturallegorien! So muß man natürlich etwas unter legen, um im gewollten Sinne auslegen zu können. Warum sollte durch landschaftliche Elegien selbst eines christlich denkenden Malers nicht „die packende, unwiderstehliche Kraft einer meist ernsten, aber vagen Stim mung, ein strenger, freudeloser Schauer" gehen können? Kann selbst ein christlich denkender Maler die Natur nicht auch einmal, und fe nach seinen! besonderen Temperament, sogar oft, ja vorwiegend, in ihrer wilden, ungeheuerlichen Größe, Unerbittlichkeit und Gleichgültigkeit sehen, mit der sie ihre Kräfte walten läßt, in dem ganzen Zauberspuke phan tastischer Vorstellungen, die sie in dem ihrer Betrachtung ganz Hingegebenen hervorruft, ich frage, kann er dies nicht, ohne deshalb gleich Pantheist heißen zu müssen? Welche subjektive Spielerei wird heute mit diesem Wort getrieben! Wäre es nicht besser, statt dessen einmal über den Ausspruch Friedrich Schlegels ernstlich nachzudenken: „Pantheismus, poetisch genommen, führt am Ende zur wahren katholischen Religion."