I. Der Eintritt der Katholiken in die Literatur. deutschen Katholiken haben bekanntlich in der neueren deutschen Dichtung erst eine Rolle zu spielen begonnen, nachdem die von Protestanten ausgegangene romantische Bewegung auf dem Umweg über das Mittelalter den Katholizismus als poetische Weltanschauung sich nutz bar zu machen unternommen hatte. Dieser Eintritt der Katholiken in die neuere Literatur ist ein Ereignis von weittragender Bedeutung. Seit dem Bruch der Glaubenseinheit waren sie so gut wie ausgeschlossen von allen literarischen Bestrebungen der Nation. Wohl hatten im siebzehnten Jahrhundert die katholischen Mystiker in Friedrich von Spee und dem Konvertiten Scheffler (Ange lus Silesius) noch zwei vollwertige poetische Fortsetzer gefunden, aber dieser Einfluß aus der geistig tiefsten Bewegung des ausgehenden Mittel alters verlor sich bald, und wir müssen es erleben, daß in dem ganzen ästhetisch wie literarisch so schöpferischen achtzehnten Jahrhundert die Katholiken in Deutschland sich jeder Teilnahme an dem literarischen Leben entzogen sehen. Der österreichische Jesuit Denis ist in dem ganzen Jahrhundert der einzige Mann, der sich, nur als schwächlicher Nachahmer der Klopstockschen Bardenpoesie, eingreifend versuchte. Sonst bestanden zwischen den Katholiken und der Literatur, wenn wir etwa von dem Gallitzinschen Kreis am Ende des Jahrhunderts absehen, in dieser ganzen Zeit literarischer Hochblüte keine Beziehungen. Diese betrübende Sachlage muß man sich vergegenwärtigen, um die fast plötzlich eingetretene Änderung im Anfang des neunzehnten Jahr hunderts in ihrer ganzen einschneidenden Bedeutung zu würdigen. Dabei ist eines nicht zu übersehen: die in der Romantik aufgetauchte katholische Bewegung war nicht etwa, wie sich die Sache in vielen einfachen Köpfen darstellt, eine Bewegung der Katholiken zur Literatur hin, sondern viel mehr eine Annäherung der Literatur an den Katholizismus. Wenn wir Muth, Die Wiedergeburt der Dichtung. 1