Literarische Kämpfe 11 grenzt ist, und dem, was andere unter Berufung aus Veremundus in einer zu Schlagwörtern ausgearteten Phraseologie vortrugen, das ge hört nun einmal zum Schicksal all solcher Bewegungen, die im letzten Grund auch Befreiungen heißen können. Hier nach Recht und Billig keit Urteil zu sprechen, wird immer die Sache der Zukunft bleiben. Bei alledem dürfen wir eines nicht vergessen oder gering an schlagen: daß es sich unter der im Namen der Literatur geführten Aktion und Gegenaktion nicht in erster Linie um eine literarische und ästhetische Bewegung handelt. Eine solche würde bei der heutigen Gc- mütslage der deutschen Katholiken durchaus nicht die Schärfe, die Breite der Ausdehnung, noch weniger die verhältnismäßig große Beachtung gewonnen haben, welche den gegenwärtigen Kämpfen zu teil wird. Das verdanken sie lediglich dem religiösen und kirchlichen Einschlag, der der Bewegung dadurch gegeben wurde, daß man die Versuche der fort schrittlichen Richtung, die deutschen Katholiken mit dem Leben der all gemeinen Literatur in regeren Austausch zu setzen und dadurch die eigenen Kräfte in ihnen auszulösen und mobil zu machen, als eine Gefährdung ihrer religiösen und kirchlichen Denkungsweise ansah und in diesem Sinne eine Erweiterung des literarischen und geistigen Horizontes nur ganz allmählich vor sich gehen lassen wollte. Tatsächlich war es dieses Ziel, das mir bei meiner ersten Kritik des literarischen Schaffens und Genießens der deutschen Katholiken vorschwebte. Ich habe damals meine Untersuchung hauptsächlich auf die epische Prosaliteratur gerichtet. Es geschah dies nicht, wie man vielfach gemeint hat, infolge einer unge bührlichen Schätzung dieser Dichtungsform gegenüber der Kunst der lyri schen und dramatischen Stilgattungen, noch weil ich meine These von der literarischen Minderleistung etwa bei Heranziehung dieser nicht gleich gut hätte durchführen können. Der Roman und die Novelle sind Dich tungsformen, in denen unmittelbarer als in anderen das innere Leben einer Zeit zum Ausdruck kommt. Nach den Romanen eines Jahrhunderts kann man immer ein Bild seiner geistigen und seelischen Verfassung schreiben, nur ausnahmsweise und lückenhaft hingegen nach seinen Vers- epen oder Tragödien. Der Roman, als die „subjektive Epopöe" des inneren wie äußeren Lebens einer Zeit, ihrer Individuen und sozialen Schichten, registriert mit seismographischer Genauigkeit die leiseste Er schütterung der Zeitpsyche, und alles, was an Kräften und Ohnmächten, an Sehnsüchten und überdrüssen, an Siegen und Niederlagen darin lacht und weint, im Roman ringt es nach Leben, Stimme und Offenbarung.