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12 Literarische Kämpfe Auch das Versagen der gestaltenden Kräfte kann dem psychologischen Wert dieser Dokumente nicht abträglich sein, wie andererseits die Art dieser Kräfteäußerung wiederum das innere Bild von der Seite des Formalen her ergänzt und beleuchtet. Mehr aber als der Roman irgend einer frü heren Zeit ist der Roman der Gegenwart, dessen Tradition in den Ideen und Vorbildern der romantischen Schule wurzelt, ein Gradmesser für die innere geistige Regsamkeit, für den ehrlichen und unerschrockenen Lebens sinn, den Sinn für Wahrheit und für die Höhe des persönlichen Lebens. Dieser Gradmesser war mir gerade recht für meine Zwecke. Ich suchte Leben, Bewegung, geistigen Kampf, seelisches Ringen bei den Katholiken, da wo ich es am ehesten finden mußte, ünd siehe da, ich fand Konvention, Epigonentum, Schablone, ich fand Di daktik und tendenziöse Schönmalerei. Indem ich in meiner Unter suchung von den äußeren zu den inneren Kriterien sortschritt, mußte ich stufenweise die formellen, die technischen, die inhaltlichen Mängel ans Licht stellen, und ich habe als Vergleichsobjekte für den Faktor des Inhaltlichen immer erst dann akatholische Autoren herangezogen,, wenn mir die moderne Literatur der anderen Nationen die katholischen Beispiele schuldig blieb. Diejenigen haben meine Absicht nur wenig verstanden, die da meinten, ich hätte unseren schreibenden Männlein und Weiblein moderne Allüren angewöhnen, sie mit modernem Aufputz ver sehen mögen; ich hätte ihnen dementsprechend den Rat geben wollen, den „Modernen" die Kunstgriffe und technischen Handwerksmethoden abzugucken und sich erst dann als vollblütige Poeten zu fühlen, wenn sie diese Äußerlichkeiten nachzuahmen verstünden. Was kann das alles bedeuten, wo die Hauptsache fehlt? Aber wo inneres Leben ist, da ist Stil, da ist Form, ist Bewegung, Farbe, Licht, Kraft, mindestens Selbständigkeit, Eigenart, Beweglichkeit im Ausdruck. Auf dieses äußere Kriterium wies ich hin. Hier ließ sich für den, der genauer zusah, mit Händen greifen, was ich meinte, hier ließ sich auch am deutlichsten der Abstand fühlen, aus dem sich dann alle weiteren Folgerungen ganz von selbst ergaben. — Und wir hatten keinen Stil, wir hatten nicht einmal die Sehnsucht nach einem solchen! Wer heute in Bezug aus irgend eine Lebensform ein solches Urteil fällt, der nötigt zu einem Rückschluß. Ich habe den Rückschluß damals, ich habe ihn später ge zogen und ich werde ihn nunmehr auf diesen Blättern ziehen.