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Das Ewig-Weibliche und die Kunst 67 trägt, schädigt dieses im Keime. Dies ist der Vorwurf, zu dem sich meine Stellungnahme gegen Gral und Gralbewegung immer wieder zuspitzt. Hätten die Gralbündler eine Zeitschrift gegründet zur Belebung des religiösen Sinnes im Volke, zur Stärkung des katholischen Be wußtseins aus Gesichtspunkten der Religion, der Kultur und der echten Charakterbildung, so hätte man das verstanden als eine in der Tiefe einsetzende Arbeit im Dienst eines neuen Kulturanbaues. Kunst und Dichtung würden ihren Gewinn indirekt daraus gezogen haben. Aber indem sie all diese Aufgaben direkt auf den literarischen Acker ver pflanzten, indem sie von hier aus, wovor Eichendorfs warnte, eine „Propaganda des Katholizismus" betrieben, trugen sie nur dazu bei, die Unsicherheit noch größer zu machen und das Verhältnis von Reli gion und Kunst zu veräußerlichen. Es sollte mich gar nicht wundern, wenn aus dem in den Kulturideen Kraliks und den speziellen Auf fassungen des Gral erwachsenen Kreis romantische Schwarmgeister hervor gingen, die letzten Ends ihren Katholizismus nur als einen ästhetischen Bestandteil ihres Kultur- und Literaturprogramms nähmen und mehr aus der Begeisterung für ein Kulturideal zum Katholizismus, als einer hilfreichen Akzidenz, denn von einem persönlich erfaßten und betätigten Katholizismus zu ihrem Kulturideal, als dessen Frucht und Folge kämen. Wenn nicht alle Zeichen trügen, werden wir gerade in Literatur und Kunst eine äußerliche Annäherung an den Katholizismus in abseh barer Zeit erleben. Die unfruchtbaren Bemühungen unserer Stilkünstler, nachhaltige und ausgreifende Wirkungen hervorzubringen, ihre Sehn sucht nach Kulturwirklichkeiten und ihr Liebäugeln und Spielen mit gewissen sakralen Formen sprechen deutlich dafür. Wäre der heutige Katholizismus in den Augen dieser Leute nicht politisch kompromittiert^ so würde er wie in den Tagen der romantischen Schule eine große Anziehungskraft ausüben. Aber das Resultat wäre von dem jener älteren Romantik kaum verschieden. Nach alledem wird man verstehen, daß ich mir von diesem Aus bieten des Katholizismus an die Literatur im günstigsten Falle einen vorübergehenden Scheinerfolg nach außen verspreche. Im Inneren würden wir in um so schmerzlicherer Gebundenheit erstarren.