Volltext Seite (XML)
stellenweise nur ein theologisches Lehrgedicht sei. So ganz poetisch und zu den kühnsten Visionen seine Einbildungskraft geneigt war, so hatte doch auch wieder die damalige Scholastik einen großen Einfluß auf diesen sonderbaren Geist/") Schlegel be stätigt mit diesem Urteil nur, was auch Deutinger meint, wenn er von den Bemühungen Brentanos, die theologischen Begriffe poetisch flüssig zu machen, sagt: „Es war nicht das Christentum, sondern nur die theo logische Form, die in ihrer scholastischen Abgeschlossenheit dem Gefühl und der poetischen Auffassung unzugänglich blieb und welche in Fluß zu bringen dem dichtenden Geiste nicht gelingen wollte und den späteren, die an Genialität einen Brentano gewiß nicht übertroffen haben, noch weniger gelingen konnte/") Genau dasselbe aber wird man von allen Glaubenskämpfen als In halt der Dichtung sagen müssen. Auch sie bleiben jeder poetischen Dar stellung unzugänglich, solange sie mit Begriffen geführt werden. Nur wo der Dichter es versteht, ihre Idee in einem menschlichen Wesen zu inkarnieren und dann von hier aus den inneren Konflikt zu einem rein menschlich erlebbaren, ergreifenden Austrag zu bringen, werden sie für die Poesie fruchtbar. Das ist es auch, was Laube meint, wenn er „ein Moment neuer Poesie" aus den Glaubensstreitigkeiten erwartet, nachdem die Fragen über Glaubensbekenntnisse abgeklärt sind zu klassischen Sätzen poetischer Anschauung. Aber diese neue Poesie kann erst die Frucht einer großen Synthese des religiösen Geisteslebens sein. Wann und wie diese zustande kommt, entzieht sich unserer menschlichen Einsicht. Mißverständlich und unzeit gemäß bleibt es auf alle Fälle, wenn Laube sagt: „Ein katholischer Protestantismus oder, wenn man das lieber will, ein protestantischer Katholizismus allein ist bis jetzt immer nur die geschichtliche deutsche Seele gewesen für den organisch schaffenden Künstler." Ich sage miß verständlich und unzeitgemäß; denn während diese Formulierung einer seits an einen synkretistischen Ausgleich zu denken zwingt, der Wohl immer eine wesentliche Unmöglichkeit bleiben wird, ist dabei andrerseits übersehen, daß der positive Protestantismus überhaupt niemals eine nennenswerte Rolle in der deutschen Dichtung gespielt hat. Und so kommt denn auch hier die Lösung auf jene bereits ausgesprochene Not- 1) Sämtl. Werke. Wien 1846, Bd. II, S. 7. 2) über das Verhältnis der Poesie zur Religion. AuLsburg 1861, S. 84.