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V. Konfession und Dichtung. ir müssen noch einmal auf die im vorangehenden Kapitel ange- schnittene Frage des Konfessionellen in der Dichtung zurückkommen. Es handelt sich um eine wichtige Frage unserer nationalen Literatur und Kultur. Das werden die meisten unserer heutigen Literaten und Künstler nicht zugeben wollen. Soweit sie nicht aller Religion gleichgültig gegen- überstehen, betrachten sie die konfessionelle Frage für ihr Schaffen längst als erledigt in einer höheren Synthese des Religiösen und Inter konfessionellen. Aber unsere Dichter, sowenig wie unsere Künstler, sind heute Ver treter der Volksstimmung. Wie auf so manchem anderen Gebiet zeigt sich auch hier, daß sie die Fühlung mit dem Volksempfinden verloren haben. Die religiösen Interessen, und zwar in ihrer konfessionellen Aus prägung, sind tatsächlich auch heute noch für große Kreise die einzigen, um für ein Werk der Kunst und Literatur eine allgemeine Parteinahme rege zu machen. Und merkwürdig: diese Parteinahme bleibt dann viel fach nicht bloß eine nur religiöse Teilnahme oder Ablehnung, sondern sie greift unmittelbar meist auch auf das Künstlerische über, dessen Reiz jetzt erst empfunden wird. Was einer technisch gleichwertigen Kunst leistung anderen Inhalts in solchem Umfange nie gelungen wäre, hier wird's mit einem Male Ereignis! Aber unsere Literaten besitzen nicht mehr das feine und sichere Gefühl für die realen Mächte des Volkslebens, über das z. B. ein Laube noch in hohem Maße verfügt hat. Was er im Jahre 1845 in der Einleitung zu seinem Drama „Monaldeschi" über unsere Frage geschrieben hat, verdient daher heute noch Beachtung. „Was man auch sagen mag," so heißt es dort in bezug auf die religiösen Interessen, „sie sind der lebendige Punkt unserer Politik,