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(Fortsetzung folgt.) Guido und sein Vater begannen hierauf gemeinsam I eine Berechnung aufzustellen, was von den Hunderttausend ! übrigbleiben würde, wenn sämtliche Schulden beglichen ; würden. Irmgard saß unterdessen, eine Beute starrer Derzweif- j lung, auf ihrem Zimmer; nur als Brunhilde nach ihr sah . und liebevoll beschwichtigend zuredete, schrie sie auf und ! umklammerte den Hals der älteren Schwester. „Ich kann nicht, Hilde; mögen sie mich nach Dornburg j schleppen, freiwillig gehe ich nicht! Ich will sterben, der ; Tod ist barmherziger als die Menschen, die mich einem . Manne übergeben wollen, den ich nicht lieben kann!" „Aber Jmmy, das ist wirklich üertrieben; bedenke I doch, wieviele es für das höchste Glück halten würden, ; seine Frau zu werden —, selbst die schüchterne Klementine » Engelbrecht. Baron von Bodmer mag seine Fehler und I Schwächen haben wie jeder andere, aber er ist vor allen > Dingen ein feiner, hochgebildeter Mann, der dich sehr liebt, ; und mit einem solchen wird die verständige Frau in rillen » Lebenslagen fertig. Nie hast du von ihm Rücksichtslosigkeit I oder gar eine Grobheit zu gewärtigen, stets wird er dir f gegenüber nur der liebevolle, ritterliche Gatte sein." ; „Gleichviel; alles in mir empört sich dagegen, daß ' man mich knechten und für eine Geldsumme gleichsam ver- I kaufen möchte; ich will keine Sklavin sein, welche gehorsam I dem Gebieter folgt, nachdem seine Wahl gefallen, ohne sie ! vorher zu fragen! Schändlich! Laßt mich arbeiten, daß ' mir das Blut aus den Händen spritzt, mit Freuden will k ich es für Vater und Geschwister tun, aber mich zu dem I schmachvollen Lose eines verkauften Weibes zu erniedrigen I vermag ich nicht!" „Davon kann hier nicht die Rede sein, Irmgard; um I Vater für seine Wünsche zu stimmen, erweist Baron Horst I sich ihm gefällig, das ist, so sehr einfach und verständig —, ! die Entscheidung liegt allein bei dir, niemand wird dich ! zwingen. Irmgard, meine liebe, gute Schwester, denke an I Guido, an Hubert, der immer noch bedeutenden Zuschuß > braucht, an Martha und Maria." ! „Aber weshalb soll denn gerade ich das Opfer sein, I das gutmacht, was die anderen gesündigt haben? Wie > darf man das von mir verlangen! Kann euch mein Leben > nützen — nehmt es, mit tausend Freuden gebe ich es für » eure Rettung, aber meine Seele gehört mir; mich zur ! Sklavin herabwürdigen vor dem Manne, den ich hasse, das > kann und darf ich nicht." Brunhilde nahm die Hand der heftig Erregten und ; liebkoste sie sanft. „Meine Irmgard, du bist im Recht mit deiner Ent- I rüstung, es ist edel gedacht, auf sich zu halten und nicht um ; äußerer Vorteile willen eine Ehe einzugehen, die uns ; widerstrebt und scheinbar in der eigenen Achtung herab- i setzt, aber hier trifft das nicht zu; Baron von Bodmer I besitzt alle äußeren und inneren Eigenschaften, die das ; Weib erheben, daß es nicht nötig hat, zu erröten oder sich ; zu schämen um dieser Wahl willen. Es ist in aller Welt i Augen, was sie auch schwatzen mag, eine Ehre und wird es I allmählich auch in den deinen werden, das glaube mir, ; meine Jmmy. Und dann noch eins, Herz —, siehst du," — ; hier zitterte Brunhildes Stimme ein wenig, „können wir > Frauen nicht groß sein durch tatkräftiges Handeln auf dem I Platze, den wir möchten, dann sollen wir es durch Entsagen ; sein, und wahrlich, das erfordert oftmals größere Kraft. ; Wohin dich die Vorsehung stellen will, dort ist der rechte i Platz, an dem du dich bewähren sollst! Nun zeige, ob du I ihres Vertrauens würdig bist." Unter dem Eindruck dieser Worte ließ Brunhilde die ; Schwester allein. Weder zum Kaffee noch zum Abendbrot ließ sich Jrm- j gard unten bei den Ihren blicken; Thea wußte nicht, . woran sie war — niemand sagte ihr, was Onkel Horst ge- I wollt hatte, sie langweilte sich uns sehnte schließlich«»- I geduldig den Besuch des unterhaltenden Lorenz Böhn I herbei — nur, um nicht fortwährend an Dornburg und . den Vormund denken zu müssen. Bei Bernstorff schien ! alles außer Rand und Band geraten, und das nannte der I gute dumme Wenzel eine Häuslichkeit voll harmonischen I Friedens! „Erlauben Sie, Baron, daß ich jetzt meine Tochter ; rufe, sie von der Ehre der getroffenen Wahl in Kenntnis » zu setzen!" I „Noch nicht, Herr Pittmeister; ich hielt es meinem j Alter und den Umständen angemessener, zu Ihnen zu ; kommen, ehe ich durch meine Huldigungen das Jawort » Irmgards erhalten hatte; deshalb sprechen Sie zuvor allein I mit ihr, sie soll reiflich überlegen und sich wohl bedenken, I ich will durchaus keinen Zwang ausüben oder sie zu über- ; eiltem Entschlusse getrieben sehen. Im Falle es Ihnen - genehm ist, komme ich übermorgen, mir die Entscheidung I zu holen." „Ganz wie Sie wünschen, obgleich, was Irmgard be- » trifft, von einem Bedenken keine Rede sein kann; vor allem , nehmen Sie noch einmal meinen wärmsten Dank, Sie I leisten mir einen Dienst, den ich Ihnen niemals vergessen I werde! Sind ein famoser Mensch, Bodmer, meine Tochter » kann sich wahrhaft glücklich schätzen, einen solchen Mann ! zu bekommen." Um Baron Horsts Lippen spielte unbemerkbar ein j feines Lächeln; bestand doch für den grobkörnigen Sol- - daten seine Vortrefflichkeit nur in dem Maße der Bereit- ! Willigkeit, mit der er nach dem rückhaltlosen Geständnis I der bodenlosen Verlegenheit Bernstorffs, ihm die Summe j von hunderttausend Mark zu kreditieren, eingewilligt » hatte; eine Gefälligkeit, die Horst von.Bodmer keineswegs ! zu g-roß schien für den Vater des Mädchens, das ihn das I Ideal der Weiblichkeit deuchte und das er mit einer Glut f liebte, die einen Widerschein des entschwundenen ersten » Jugendglückes an Ellens Seite heraufbeschwor. ! Nachdem er den verehrten Gast bis zur Gartenpforte I begleitet hatte, wo der Dornburger Wagen hielt, stürmte I der Rittmeister mit jugendlicher Hast nach seinem Zimmer » und klingelte so heftig, daß Johann erschrocken herbeislog. „Meine Töchter sollen kommen — und der Herr Leut- I nant — sofort!" „Kinder," begann er, mit dem roten Foulardtuch den ; Schweiß von der Stirn trocknend, „wir sind gereitet, ich » kann es kaum noch fassen. — Es sieht aus wie ein Wunder, I Irmgard, höre und staune, der Baron von Bodmer hat I soeben bei mir um deine Hand geworben." Eine ausdrucksvolle Pause folgte. > „Na, das heißt aber ein kolossales Glück, Mädel, der > Mann hat wenigstens eine Million," sagte Guido sichtlich 1 verwundert, mit vor Vergnügen leuchtenden Augen, wäh- » rend Liddys zusammengekniffene Lippen heimlichen Neid - verrieten. Brunhilde schwieg und sah Irmgard an, die I blaß geworden war wie eine Leiche; ihre Knie wankten l und aus den Zügen sprach ein solches Entsetzen, solch hilf- ; loses Flehen um Erbarmen, daß der Schwester die Augen > vor Mitleid feucht wurden. „Irmgard scheint ja von dem ungeheuren Glücke gar I nicht so besonders erbaut zu sein," bemerkte Liddy spöttisch. ' „Die Überraschung hat sie stumm gemacht," entgegnete > Guido, dem es beim Anblick der Schwester unbehaglich I wurde, gutmütig, „es ist nicht Irmgards Art, ihre Freude I geräuschvoll kundzugeben, nicht wahr, Jmmy?" „Schwatzt doch nicht so viel ins Blaue hinein, Kinder," » warf der Rittmeister ein, „ich hege die feste Überzeugung, I daß Irmgard sehr wohl die Auszeichnung zu würdigen I weiß, welche ihr durch die Werbung des Barons zuteil ; wird, um so mehr, da diese sie befähigt, uns allen eine » Retterin in der Not zu werden." „Ich kann es nicht, Vater." „Und warum nicht, wenn man fragen darf? Da bin ; ich doch begierig zu erfahren, was dich veranlassen könnte, » uns alle seelenruhig dem Verderben preiszugeben —, in > der Tat sehr begierig," fügte er eindringlich hinzu. „Ich verabscheue den Baron." Bernstorff stieß ein gezwungenes Lachen aus. „Du verabscheust ihn; nun, wenn das alles ist, so hat t die Sache nichts auf sich," äußerte er mit verhaltenem j Hohne. „Im allgemeinen pflegen junge Damen deines » Alters nicht mehr so unverständlich kindisch zu sein, um bei ! ernster Angelegenheit so albernes Zeug vorzutragen; über- l lege ein wenig und du wirst dir selbst gestehen müssen, > daß meine Tochter kein so entartetes Geschöpf sein kann, » einer Firlefanzerei wegen ihre Familie in unabsehbares ! Elend zu stürzen; und nun gehe, über das Gesagte nachzu- I denken."