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Schwere Irrungen Roman von D. Riedel-AhrenS. - (8. Fortsetzung.) „Stehen die Sachen so, dann bleibt mir nichts übrig i als eine Kugel," bemerkte er, zum Vater gewendet kaum » verständlich. Aber auch Irmgard, die mit bewunderungs- > würdiger Liebe an ihrem gutmütigen Bruder hing und ihn I seiner anspruchsvollen Frau wegen innig bemitleidete, hatte ' die Äußerung gehört. ; „Warte noch damit," gab ihm Bernstorsf, innerlich voll i rasender Wut auf Guido und seine Schwiegertochter, zu- I rück, „dazu ist's noch immer Zeit, und möglicherweise . findet sich doch ein Ausweg." ü Er dachte an den Baron; denn wie bitter schwer es i ihm auch wurde, sich diesem, der seine Tochter begehrte, j zu offenbaren, es half nichts — zehnmal lieber vor dem . edeldenkenden Bodmer sich demütigen, als den schmählichen I Zusammenbruch seines Hauses überleben und den Schur- I ken Hirschfeld über sich triumphieren zu lassen. * * * In der Nähe des Strandes, wo die blühenden Garten- ! anlagen, die zu beiden Längsseiten der Besitzung mit klei- I nen Edeltannen bestanden waren, abschlossen, befand sich j auf einem winzigen Hügel ein Pavillon, der eine herrliche » Aussicht auf die waldige Bucht mit ihren verloren aus » dem Grün auftauchenden Villen bot; hier pflegte die Fa- i milie des Rittmeisters während der warmen Jahreszeit ' die Abendmahlzeiten einzunehmen. Hier befand sich am Abend ihrer Ankunft Thea in i Gesellschaft Brunhildes, die mit dem Anordnen der Tafel I beschäftigt war; Guido saß in dem Schaukelstuhle und i durchblätterte die Zeitungen, während Thea einen Brief ; zu lesen begann, der soeben von Wenzel eingetroffen war; i Irmgard und Liddy spazierten mit den Kindern im Gar- I ten. Auf allen lag ein schwerer Druck, und hätte Guido , sich nicht mit der ruhelosen Thea herumgeneckt, sie würde es ! schon heute langweilig bei den Kusinen ihres Verlobte» i gefunden haben. Jetzt näherte sich vom Hause her, durch j Johann nach dem Pavillon zurechtgewiesen, ein Bote aus » Dornburg, Fritz, der Gärtnerbursche, welcher Thea ein ! Billet seines Herrn überreichte, das sie, seine Schriftzüge I erkennend, hastig ergriff. Der Baron schrieb: „Liebe Thea, heute nachmittag » traf Lorenz Böhn hier ein und war recht enttäuscht, dich . abwesend zu finden; nun hat er mir keine Ruhe gelassen, > bis ich versprach, dich zu fragen, ob du ihm gestatten wür- I dest, dich gelegentlich bei Bernstorffs aufzusuchen. Er ; meinte, das sei eine Vergünstigung, Lie du ihm, der dir so « lange nur aus ehrfurchtsvoller Ferne seine Huldigungen I habe darbringen dürfen, wohl gewähren könntest. Ich I überlasse es deiner Entscheidung und sage nichts dazu. I Dein getreuer Vormund. Horst von Bodmer." Lorenz Böhn war eingetroffen und enttäuscht gewe- I sen, sie nicht vorzufinden; also doch! Diese Nachricht ließ I sofort das Interesse für Wenzels Brief in den Hinter- ; grund treten, ihr guter Bär schrieb ja doch nichts als ewig ' dieselben Wiederholungen seiner grenzenlosen Liebe und I Sehnsucht, die sie nachgerade auswendig kannte. (Nachdruck verboten.) ! „Ich muß umgehend ein paar Zeilen an Onkel Horst I schreiben," äußerte sie zu Brunhilde und lief durch den t Garten der Villa zu. ; Brunhilde sah der leicht dahinflatternden Gestalt nach; ! was konnte das Billett des Barons so außerordentlich I Wichtiges enthalten, daß sie darüber den Brief Wenzels ; ungelesen einsteckte? Da bemerkte sie, daß Thea das Billett » offen auf dem Sims des Fensters hatte liegen lassen —, i Geheimnisse konnte es also nicht enthalten, und kraft ihrer I zeitweiligen Beschützerrolle gestatttete sie sich, Kenntnis I von dem Mitgeteilten zu nehmen. Nachdenklich legte sie ' das Billett wieder an seine Stelle; das also war es, was I Thea in solch freudige Aufregung versetzte —, die Ankunft I Böhns, der es ja recht eilig zu haben schien, Wenzels ' Braut zu begrüßen. Brunhilde kannte seinen Namen aus I den Künstlerberichten der Journale, die sie mit Interesse i verfolgte, und ob sie auch bei jeder anderen Gelegenheit I sich gefreut haben würde, den Künstler persönlich keimen- > zulernen, beschloß sie doch aus Rücksicht gegen Wenzel, ! ihn nicht zu öfterem Kommen zu ermutigen, denn seine > der Baroneß von Dühringshof geltenden Besuche ganz j zu vermeiden, war nicht möglich. Und wieder fürchtete > Brunhilde mehr noch als zuvor, daß Theas Neigung zu , Wenzel keine echte sei, oberflächlich und gedankenlos wie I alles nahm sie auch die ernste Stellung einer Braut; sie I fühlte das Herannahen großer Konflikte. Doch wie un- ; endlich schwer es ihr auch wurde, mit der brennenden » Qual um ihn im Herzen aus seine Verlobte zu wirken, i die Überzeugung sollte sie aufrechterhallen, daß, was sie tat, I für seinen Frieden geschah; der Arglose ahnte ja nicht, ; wie tief er mit dieser verantwortlichen Aufgabe den » Stachel in ihre Brust gedrückt. Thea hatte unterdessen folgende Zeilen auf das Pa- ; Pier geworfen: „Lieber Onkel Horst! Bitte Herrn Böhn zu bestellen, i daß ich seinen Gruß bestens erwidere und mich sehr freuen » würde, ihn bei Bernstorffs zu empfangen, die natürlich ! deinem Gaste mit der größten Zuvorkommenheit begegnen ! werden! Es grüßt dich tausendmal Deine dankbare Thea." ; Nach einer schlaflosen Nacht erschien zu des Ritt- I Meisters unaussprechlicher Erleichterung am folgenden > Nachmittage Baron Horst in der Villa, anscheinend nur zu ' einem freundschaftlichen Besuche, der Lem Hausherrn gM, i denn nachdem er die Damen begrüßt und sich nach ihrem i Befinden erkundigt hatte, zogen die beiden Herren sich in I Bernstorffs Zimmer zurück. Als nach einer Stunde Baron ! Horst im Begriff stand, zu gehen, drückte ihm Bernstorff heftig die Hand, er fühlte sich so dankbar und bewegt, daß j ihm buchstäblich die Worte fehlten, seine Empfindungen j auszudrücken; fast hätte der alte schneidige Soldat einen » Anflug sentimentaler Rührung verraten, die er vergebens ! zu unterdrücken suchte. i