Volltext Seite (XML)
sogleich mitgefilmt. In wenigen Augenblicken treten hier Polizisten ein und forschen nach dem flüchtigen Verbrecher, den ich spiele. Sie haben nur in Uebereinstimmung mit mir festzustellen, daß er sich nicht hier befindet." „Das ist ja himmlisch!" jubelte da- Fräulein. „Gewiß," sagte der lange Ernst und legte die Akten tasche unter den Schreibtisch. Dann flog seine Mütze samt der Perücke in den Papierkorb, ein Handgriff — und der Bart folgte, in demselben Augenblick saß ihm eine Hornbrille auf der Nase. Blitzschnell riß er sich die dunkelblaue Jacke herunter, wendete sie und zog sich nun einen hellgrauen Rock an. DraußenaufdemGangetrappeltenSchrittevonTür zu Lür. „Geben Sie nun acht und spielen Sie gut", ermahnte der lange Ernst und setzte sich an den Schreibtisch. Dann wurde kurz an die Tür geklopft, der lange Ernst griff nach dem Telefon, und während zwei Polizisten eintraten, begann er wütend in den Apparat zu reden: „Zum Kuckuck — wenn Sie eben die Kloscttsitze nicht liefern können — wie? — das ist ja die reine Unverschämtheit — dann entziehe ich Ihnen auch die — warum sagen Sie denn das nicht gleich — warten Sie mal am Apparat —." Und zu den Poli zisten gewendet: „Was ist denn los?" Der noch atemlose Wachtmeister legte die Hand an die Mütze und fragte, ob nicht hier ein bärtiger Bursche mit Sportmütze, dunkelblauer Jacke, mindestens l,85 groß „Ausgeschlossen," sagte der lange Ernst und kroch ein Stück in sich zusammen. „Hier ist den ganzen Vormittag noch niemand gewesen. Schlechte Geschäfte, meine Herren! Oder haben Sie vielleicht jemand gesehen, Fräulein Müller?" „Nein — nein," sagte die Tippmamsell und schüttelte begeistert den Bubikopf. Die Polizisten verschwanden, der lange Ernst schimpfte noch drei Sätze in den Fernsprecher und hängte an. „So," sagte er und dachte: wenn jetzt der Chef kommt! „Das ist ja himmlisch," rief das Fräulein, „aber wo ist denn nur —." „Einen Augenblick, mein Kind," sagte der lange Ernst, öffnete mit einem winzigen Dietrich die Aktenmappe und stopfte die Banknoten in die Taschen. „Wir sind noch nicht ganz fertig. Ich heiße — vermutlich haben Sie mich er kannt — Ernesto Rinaldini. Sie haben mich gewiß in meinem letzten Film „Der Mord im Hafenviertel" gesehen." „Also da waren Sie fabelhaft," himmelte das Fräu lein, „aber wo ist denn der " „Einen Augenblick," unterbrach sie der lange Ernst. „Sie haben sich wirklich brav gehalten. Ihre Mimik war geradezu überzeugend. Wollen Sie nicht zu uns zum Film kommen? Uebrigens werden Sie für Ihre heutigen Be mühungen natürlich bezahlt. Ein Spielgeld von 75 Mark — denke ich. Und wenn der Film läuft, bekommen Sie zwei Freikarten." „O wie herrlich," lächelte das Fräulein, „aber ich habe doch gar keinen " „Einen Augenblick!" Der lange Ernst zog ein Ta schentuch heraus und goß aus einem Fläschchen einige Tropfen darauf. „Wollen Sie noch mein Lieblingsparfüm riechen?" „O wie reizend von Ihnen, wenn ich nur wüßte, wo der Aufnahmeapparat " Durch den Korridor flog ein Kommando: „Erdgeschoß freigeben, Treppe zum ersten Stock sperren!" — Na endlich, dachte der lange Ernst und atmete auf. Dann hielt er dem Fräulein das Taschentuch sehr dicht unter die Nase. „Ach," sagte daS Mädchen und wurde ohnmächtig. Dann ließ er sie auf den Stuhl gleiten und sorgte dafür, daß ihr Kopf auf der Tischplatte nicht allzu hart lag. „Hat nichts zu bedeuten," grinste er. Dann nahm er den feinen Herren mantel, der am Kleiderhaken hing, und den dazu gehörigen Hut und ging hinkend zur Tür. An der Treppe stand ein Schutzmann. Der lange Ernst blieb schmunzelnd bei ihm stehen und fragte: „Na — noch nicht erwischt — den Kerl? Haben Sie auch die Toi lette schon durchgesucht? Keine Spur? Na — denn weiter guten Erfolg." Und er hinkte davon. ———° Die weiße Hand — 1) Von Otfrid Woysch, Hamburg Diese gespensterhafte Geschichte ist vor noch gar nicht so langer Zeit passiert. War da eine lustige Gesellschaft englischer Aristokraten im Red Castle, dem Schlosse des Lord Allan Egerton, das hoch auf dem roten Felsen vom Egerton Cliff trotzig seine Türme und Zinnen zum Himmel emporreckt. Morgen sollte Jagd auf Hochwild sein, heute aber kreuzte der Pokal. Manch Märlein wurde erzählt, auch der Vergangenheit des roten Schlosses gedacht. „Spukt im Turmzimmer immer noch die Geisterhand?" fragte jemand. „WaS Spuk?! Was Geisterhand?!" erklang es Don allen Seiten. „Sie kennen das noch nicht?" „Mit keinem Wort!" riefen die meisten. „Erzählen, erzählen!" „Also, die Geschichte ist ganz einfach, wenn man so etwas einfach nennen kann", begann Lord Egerton. „Vor wohl hundert Jahren war hier Sir Douglas Schloßherr. Er soll sich sehr gelangweilt haben, und, wie man erzählt, lockte er einmal nur so zum Zeitvertreib einen fremden Wan derer ins Red Castle. Er sperrte ihn ins Turmzimmer und ließ ihn verhungern. Seit dieser Zeit erscheint dort regel mäßig bei Vollmond um Mitternacht eine leuchtende, dro hende Faust. Das ist die ganze Geschichte." „Und dieser Spuk soll nochI heute existieren?" fragte man ungläubig. „Heute noch. Zweimal haben während meiner Zeit Männer gewagt, dort zu schlafen. Beide sind um Mitter nacht von einem kühlen Luftzug geweckt worden, beide haben die Hand erblickt. Geschadet hat es ihnen ja nicht, aber ich bezweifle, daß sich ein Dritter finden wird." „Haben Sie selbst den Spuk schon erlebt?" fragte ganz aufgeregt Lord Hector Brandon. Dieser war erst kürzlich von einer Reise um die Erde zurückgekehrt, erzählte die fürchterlichsten und haarsträubend sten Jagd- und Abenteuerge,chichten, renommierte mit seinen Heldentaten und nahm es sehr übel, wenn man ihm nicht immer volle Aufmerksamkeit schenkte. Er schien sich berufen zu fühlen, dauernd das Wort zu führen. „Nein, solche Experimente mache ich nicht, für mich genügt die Aussage glaubwürdiger Zeugen", erwiderte Sir Allan. „Ach, das ist ja Unsinn, sowas gibt es doch heutzu tage nicht mehr!" rief Lord Brandon. „Ich weiß das nicht. Jedenfalls habe ich die beiden Herren für glaubwürdig gehalten." „Da sollte man es doch einmal versuchen", sagte ein anderer. „Heute ist ja gerade Vollmond." „Ja, wer wagt es?" erklang es im Chor. „Na, waS gibt es denn da zu wagen?" rief Lord Brandon wieder. „In Südafrika bin ich einmal an einem offenen Grabe ..." Aber schleunigst wurde er unterbrochen: „Ist denn ein Bett in dem Turmzimmer?" Denn sonst kam wieder eine seiner endlosen Geschichten. „Eine alte Bettstelle steht wohl noch da. Man muß es eben alles noch etwas vorrichten." „Also, Sir Hector, wagen Sie es?" „Aber es gibt doch gar nichts zu wagen. Ich bin in Ceylon einmal auf einem Leichenturm gewesen . . ." „Es muß aber ein einzelner sein!" fiel ihm Lord Egerton ins Wort. „Na, denken Sie etwa, ich kenne Furcht? Ich habe einmal in Neuyork in einer Totenkammer . . ." „Sir Hector, wenn aber der Spuk schon um Mitter nacht losgehen soll, dann ist es an der Zeit. Es ist wenig nach Elf." „Ich bin bereit." (Schluß folgt.) Wohne gesund. Laßt Acht und Luft tu eure Stuben! — Jedes Zimmer ist mehrmals täglich zu lüften. — Fort mit unnützen Staub- fängern! — Der Unfug der „guten Stube". — Gesunde sollen bei offenem Fenster schlafen. Nach alten Anschauungen war der Tod den Menschen vom Schicksal bestimmt; menschliche Kraft konnte ihn nicht abwenden. Nur überirdische Mächte waren imstande, ihn zu beeinflussen, und die wegen ihrer geheimnisvollen Tätig, keit als Zauberer gefürchteten Aerzte genossen eine beson dere Verehrung, weil sie in dem Ruf standen, den Willen der menschenfeindlichen Götter ändern zu können. Heute wissen wir, daß die Aerzte Mittel besitzen, den Verlauf einer Krankheit günstig zu beeinflussen, daß Krankheiten bei gesundheitsgemäßer Lebensweise vermieden werden können. Der Tod als Geißel der Menschheit hat sehr viel von seinen Schrecken verloren- und wenn wir auch nicht die Kunst besitzen, ein ewiges Leben zu verheißen, so ver^ mögen wir doch die Sterblichkeit zu mindern und das Durch schnittsalter zu erhöhen, wenn wir den Anordnungen des Arztes folgen und uns bemühen, ein Leben zu führen, das die Gesundheit nicht schädigt. Volkskrankheiten können nur bekämpft wer den, wenn die Bevölkrung aufgeklärt ist, wenn alle Kreise verständnisvoll die vorbeugenden Maßnahmen beachten. Das gilt vornehmlich von der Wohnungshygiene, deren wohltätige Wirrung nur eintritt, wenn alle mithelsen. Vieles ist schon geschehen. Unsere Stadtverwaltungen und Baumeister haben Hervorragendes für die Hebung der Volksgesundheit geleistet durch Schaffung von Waldgürteln und Gartengebieten, Parkanlagen, Spiel- und Sportplätzen, Rasenflächen und Badegelegenheiten, durch Errichtung von Hellen^ luftigen, sonnigen Wohnhäusern. Ueber den Bau stil bann man wohl häufig anderer Meinung sein, aber daß die neuen Siedlungen gesunder sind alls die alten Miet kasernen in dunkler, stickiger Enge, darüber besteht kein Zweifel. Wenn gefordert wird, auch die alten Wohnungen aesundheitsgemäß einzurichten, so ist nur teilweise eine be- friedigende Durchführung möglich. Wir vermögen verbaute, gesundheitswidrige Räume nicht zu ändern, wenn nicht kost- spielige Umbauten vorgenommen werden, aber wir können vieles mildern, was gegen hygienische Forderungen verstößt. Wie können wir uns gesundere Wohnungen schaffen? Jeder weiß, welchen Einfluß das Sonnenlicht und sauerstoffreiche Luft auf unsere Gesundheit haben. Durch schwere Gardinen und Vorhänge sperren wir die Sonne ab, leben in stetem Halbdunkel oder bei künstlichem Licht und vermögen die verhängten und durch Blumentöpfe geschmückten Fenster nicht zu öffnen. Laßt Sonne herein! Wählt als Fensterschmuck nur leichte und lichtdurchlässige Stoffe. Wir sollten uns daran gewöhnen, täglich alle Räume mehrmals gründlich zu lüften. Selbst die viel verschriene Großstadtluft ist noch besser als ver- brauchte Zimmerlust. Die blasse Gesichtsfarbe derjenigen, die sich viel in geschlossenen Räumen aufhalten- beweist genug. Wir sollten jede Gelegenheit nützen, uns im Freien aufzuhalten, und in dieser Zeit unsere Wohnung von Luft und Sonne durchftrömen zu lassen. Im Zimmer dürfen nur die Gegenstände stehen, die gebraucht werden. Schmuck stücke, Photographien- Nippessachen, Regale und Wand- bretter bchindern uns und sind nur Staubfänger. Der abgelagerte Staub würde uns weiter nicht schaden, aber unsere Hausfrauen haben aus begreiflichem Reinlichkeits- gefühl das Bedürfnis, ihn in mehr oder weniger kurzen Pausen energisch aufzuwirbeln, damit er sich schnellstens wieder an einer anderen Stelle niederläßt. Der Staubwedel ist gottlob ausgestorben, aber die unpraktische Möbelverzie rung, alle Zierstücke auf Tischen und Klavieren- aus dem Vertiko und dem Sofaumbau sind mit dem Wischtuch kaum vom Staub zu befreien, machen der Hausstau ununter brochene Arbeit und sind obendrein in höchstem Maße un hygienisch. Der neuzeitliche Hausrat kennt die Ueberfülle an Schnörkeln und Verzierungen nicht. Nur wenige, glatt- flächige, darum leicht zu säubernde und unbedingt not wendige Möbel sind in einem hygienisch einwandfrei ausge- statteten Wohnraum vorhanden, desto mehr Lust und Licht; und wenn in einer solchen Wohnung auch das fehlen sollte, was wir ein „gemütliches, trautes Heim" zu nennen pflegen, so wolle man bedenken, daß die Gewohnheit bei diesem Ur teil sehr viel mitspricht. Daß die Bewohner eines modern eingerichteten Raumes sich in ihrer Wohnung genau so wohlfühlen wie wir in unserer alten, darf nicht bestritten Nicht scharf genug ist die Unsitte zu bekämpfen, bett besten Raum der Wohnung als sogenannte „guteStube" unbenutzt zu lasten, anstatt ihn als Wohn- oder Schlafzim, mer zu verwenden. Die Wohnraumnot drängt oft die ganze Familie in einen Raum zusammen, der meistens auch noch als Schlafzimmer gebraucht werden muß. Vielfach hat nicht einmal jede Person ihre eigene Lagerstätte. Hier ist besondere Vorsicht geboten. Luft, Licht, Sauberkeit sind in diesen bedrängten Verhältnissen doppelt wichtig. Di« Kissen und Federbetten sind in vielen Fällen zu schwer. Es genügt ein leichtes Oberbett zum Zudecken. Betten und Matratzen sind regelmäßig zu reinigen und täg lich zu durchlüften. Wer es vertragen kann, sollt« seinen Körper abhärten und bei offenem Fenster schlafen oder die Verbindung mit einem Raum Herstellen, in welchem ein Fenster geöffnet ist. Badegelegenheiten sind fleißig zu gebrauchen. Die gemeinsame Benutzung von Bade- und Waschwasser ist unstatthaft; jeder besitze sein eigenes Hand- tuch. Einer modernen, nach hygienischen Grundsätzen einge richteten Küche sieht man es nicht an- daß sie eine Küche ist. Früher wurden alle Töpfe und Krüge, Tassen, Teller und Vovratsdosen zur Schau gestellt, heute sind alle Küchen geräte in geschlossenen Schränken verborgen. Hier spielen nicht ästhetische, sondern hygienische Forderungen eine Rolle. Nicht allein die Art und Weise der Zubereitung, vor allem auch die Aufbewahrung der Speisen ist für die Erhaltung der Gesundheit der Familie von Wichtigkeit. Besonderer Wert ist auf die Konservierung der Nahrungsmittel im Sommer zu legen. Eine fehlerhafte He izungs anlage ist die Ursache vieler Erkältungskrankheiten. Heizen ist eine Kunst, zu- mal es nicht immer möglich ist, mit schlechten Oefen ein richtiges Verhältnis zwischen Zimmer- und Außenwärmc zu halten. Zu hohe Temperaturen sind ungesund. So wichtig eine verständige Würmewirtschaft im Winter ist, so wichtig ist auch die Hiheregulierung im Sommer. Feuchte Wohnun- gen sind gesundheitsschädlich. Unsere Frauen als Herrinnen des Hauses haben man- nigfache hygienische Aufgaben in ihrem Arbeitsbereich zu erfüllen. Es wird ihnen nicht immer leicht sein, die ihnen liebgewordenen Räume nach den Grundsätzen einer gesund- heitsgemäßen Lebensführung umzustellen. Wenn sie davon durchdrungen sind, daß sie zur Gei underbaltung ihrer Fa milienangehörigen beitragen können, werden sie das Opfer gern bringen. vr. St. Gs zieht! In diesen kalten und windigen Frühlingstagen zeigen viele Menschen noch weit mehr als sonst eine große Angst vor der Zugluft, und wer im raucherfüllten oder über hitzten Eisenbahnabteil versuchen wollte, ein Fenster zu offnen, den treffen nicht nur giftige Blicke, sondern auch der Schreckensruf: „Um Gottes willen, es ziehtl" Allein diese Furcht vor einem kurzen, frischen Wind stoß ist durchaus unbegründet. Trifft ein kräftiger, kühler Luftstoß unsere Haut, so ziehen sich die Hautporen und die Hautblutgefäße unter der Einwirkung des Kälteveizes zu- nächst zusammen, um sich nach Aufhören der Kälteeinwirkung wieder zu öffnen. Letzteres geht einher mit dem Gefühl des Durchströmens einer behaglichen Wärme. Ganz anders dagegen steht es, wenn der Lustzug kein plötzlicher, kurz dauernder, sondern «in langsam schleichender und ständig einwirkender ist. Das geschieht z. B., wenn die Luft durch schlecht schließende Fenster oder Türen dauernd in den Raum einströmt, in dem wir uns aufhalten. Dieser schwache Luststrom übt keinen Hautreiz aus, sondern wirkt ablühleno, erzeugt das Gefühl des Fröstelns und ist geeignet, durch langdauernde örtliche Abkühlungen Erkältungserscheinun- gen wie Schnupfen, Muskelrheumatismus, Hexenschuß usw. hervorzurufen. Nur diese schleichende Kälte haben wir daher zu fürch ten, und vor ihr ist es notwendig, Schuß zu suchen. Lin kurzer, frischer Windstoß aber ist nicht nur nicht schädlich, sondern geradezu gesund. Warum laufen wir im Kreise? Die Tatsache, daß Mensch«:, die sich verirren, sich immer im Kreise bewegen, ist schon öfters beobachtet worden, ohne daß man dafür einen ausreichenden Grund angeben konnte. Diese Erscheinung geht aber auf eine dem Menschen ans«-