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5! in der herrlichen Gebirgslust auf den schönen Wiesen herum, und so rüsteten wir uns denn auch bald zu der ersten Partie nach der Stadt Schuscha, auf welche ich schon manchen sehnsüchtigen Blick geworfen hatte. Zn diesem Ausfluge benutzte meine Familie einen kleinen offnen von Ochsen gezognen Wagen. Man hatte mir dazu gerathen keine Pferde anspannen zu lassen, weil bei den ungeheuren Steigungen und abschüssigen Stellen des Weges der ruhige, gemessene Schritt der Ochsen sichrer als der der Pferde sei, nnd daß man sich letzterer nnr zum Reiten mit Sicherheit bediene, welches Mittel ich für meine Person erwählt hatte. Nach einer kurzen Fahrt über duftige Wiesen, ans guten Wegen ging es bald bergunter, und zuletzt in einer hals brecherischen Steilheit, bis wir das kaum mehrere Schritte breite Bett eines Baches erreicht hatten, an dessen anderem Ufer der Weg eben wieder so steil stieg, wie er vorher gefallen war. Derselbe war nicht viel breiter als ein Fußsteg und von einer solchen Beschaffenheit, daß ich mich jetzt noch wnndere, wie die Ochsen den wenn auch leichten Wagen bei der ungeheuren Steilheit bis ans einen kleinen terrassen artigen Absatz brachten, wo sich dieser Weg mit der breiten Poststraße vereinigte. Später erfuhr ich erst, daß wir einen viel beguemcrn und gefahrlosen Weg hätten einschlagen können, und daß der von uns benutzte eigentlich nur Reitweg ist. Uns schwindelte auch beim Rückblick auf die kurze Strecke, die meine Familie eben in einem gebrechlichen Wagen gemacht hatte, bei der ein einziger Fehltritt der Ochsen unvermeidliches Verderben zur Folge haben mußte. Wir befanden nns jetzt ans der Poststraße, die sich in 20 Kilometer langem Zickzack bis zur Spitze des Berges hiuaufzieht; in der halben Höhe befindet sich eine Zwischenstation, von wo aus größere Equipagen Vorspann nehmen müssen. Bei jeder Wendung des Weges bot sich dem entzückten Auge eine neue Fernsicht dar, ost.führt der Weg an schwindelnden Abgründen auf der einen und senkrechten Felswänden auf der andern Seite hin. Der letzte Theil wird so steil, daß die starken Ochsen in jeder Winkelspitze derZickzacklinie erst ruhen mußten, ehe sie den Wagen weiter ziehen konnten. Nach vierstündiger Fahrt befanden wir uns endlich unter den Festungsmanern und fuhren durch das Jelisawetpol'sche Thor in die Stadt. Wir hatten die Wahl zwischen zwei Absteigequartieren, dem Hause eines Freundes in Baku und demjenigen der Familie der karabagh'schen Khans. Wir wählten letzteres und saßen bald in einem der kühlen mit orientalischer Kunst geschmückten Zimmer des von Pana Khan im vorigen Jahrhundert gebauten Palastes, welcher ans einem niedrigen viereckigen Thurme, einem großen viereckigen Vorder- und kleinem Hinterhause besteht. Das Haus besitzt, mit Ausnahme des Thurmes, kein einziges Fenster nach der Straße zu, sondern sämtliche Fenster befinden sich auf der innern Hofseite nach dem Garten zu, der im viereckigen Hofe an gelegt ist. Das Vorderhaus ist für die Familie des Khans bestimmt, die Zimmer sind groß und hoch, die Wände marmorartig Polirt, die Decken mit reicher orientalischer Malerei geschmückt, den Fußboden bedecken kostbare Teppiche, auf denen die Polster znm Sitzen und Schlafen liegen. Im Hinterhause, welches mit dem Vorderhanse in Verbindung steht, wohnt die Dienerschaft. Nachdem wir der Witwe Mechti-Kuli Khans, der wir durch ihren Schwiegersohn, den Generalmajor Hassan Begh Agalaroff, empsohlen waren, der mit seinem Sohne dem jungen David Khan von uns täglich in Khan Kendi erwartet wurde, unseren Besuch abgestattet hatten und von ihr sehr freundlich empfangen worden waren, traten wir einen Rundgang durch die Stadt an. Unser sreundlicher Führer, Suleiman Aga, ein jnnger Verwandter der Witwe des Khans, zeigte uns den Bazar, die größte Moschee und alle Sehenswürdigkeiten Schuscha's, die wir allerdings in Tiflis und vielen andern Städten schöner und großartiger gesehen hatten, was wir jedoch dem jungen tatarischen Prinzen, um ihn nicht zu kränken, verschwiegen. Nachdem wir in den bergigen, schlecht gepflasterten Straßen umhcrgewandcrt waren und von der neugierigen Straßenjugend zur Genüge als Franki bewundert worden waren, gelangten wir endlich, wonach ich schon längst mich gesehnt hatte, auf die Festungswerke, wo wir denn auch unserm liebenswürdigen Cieerone die aufrichtigste Bewunderung in unwillkürlichen Ausdrücken des höchsten Entzückens zu erkennen gaben. Die Aussicht, die man von den verschiedenen Punkten der Befestigungswerke hat, ist großartig, überwältigend, und ich glaube kaum, daß es noch eine zweite Stadt der Welt gibt, die ein derartig manigsaltiges Panorama vor den Augen des Beschauers ausrollen kann. Von drei Seiten ist der Berg, der Schuscha trägt, von noch zwischen diesen Kolossen liegen, sind unergründlich, grauenerregend, zumal an einer Stelle, wo der Fels eben so senkrecht abfäüt, als die auf ihm erbaute Mauer, und wo, wie uns Suleiman Aga mittheilte, zur Zeit der Meliks und Khans die zum Tode verurtheilten Ver brecher hinuntergestürzt worden waren; mit Schwindel und Grauen versucht das Auge die unergründliche Tiefe zu durchdringen. Doch am herrlichsten ist die Aussicht nach Norden, in der Richtung, in der sich der Gebirgskessel nach der Niederung zu öffuet. Hier erblickt man unmittelbar unter sich den ganzen kreisförmig von hohen Berg zacken umfaßten Höhenzug mit dem lieblichen Khan Kendi, welches als kleiner Punkt erscheint; läßt man das Auge über den Rücken der Berge streichen, so findet man bald den Punkt, wo der Eingang mit den Festungsruinen zu dem Gebirgsthore ist und durch dasselbe, wie durch die Linse eines Mikroskopes sieht man auf die über 20 Meilen breite Steppe und kann, zumal in der Abendbeleuchtung, den majestä tischen Zug des großen Kaukasus in der Umgebung von Nucha er kennen. Lange Zeit verweilten wir auf diesem herrlichen Punkte, die Sonne war untergegangen, nur noch die höchsten Bergspitzen erglänzten in der goldnen Beleuchtung des sinkenden Tagesgestirncs, unter uns lagerten sich schon die Schatten der Dunkelheit wie große Tücher über die lachende Landschaft um Khan Kendi. Ich hätte noch Stunden lang hier sitzen können, wenn Suleiman Aga nicht zum Heimwege gemahnt hätte, weil hier nach Sonnenuntergang plötzlich eine sehr empfindliche Kälte anbricht, und wir nur ganz sommerlich leicht gekleidet waren. Auf dem Nachhausewege kamen wir an einem großen, herrschaftlich gebauten Hause vorbei, welches der Onkel des jetzigen persischen Schahs bewohnt, der, politischer Jntriguen halber, in Persien zum Tode verurtheilt, nach Schuscha floh und in dem ihm von der russischen Regierung zu Gebote gestellten Hause jährlich 30,000 Rubel, welche er vom Zaren erhält, verzehrt. Er hat seinen vollständigen Hofstaat, seinen Harem mit Eunuchen und alle seine orientalische Pracht hierher übergeführt. Zu Hause erwartete uns ein asiatisches Abendbrot mit Tafel musik, ausgeführt von tatarischen Musikanten und Sängern, und vergnügt beschlossen wir diesen für uns unvergeßlichen Tag. Die Rückreise nach Khan Kendi am andern Tage ging natürlich viel schneller und leichter von statten, als die beschwerliche Fahrt nach Schuscha gewesen war. Nach einigen Tagen eines behaglichen Stillebens in Khan Kendi mit täglichen Spaziergängen in der herrlichen Umgebung kam auch der Generalmajor Hassan Begh Agalaroff mit seinem Sohne David Khan, dem Enkel des letzten regierenden karabagh'schen Khans aus Tiflis bei uns an, und bald sollte die schon srüher besprochne Tour in das Gebirge unternommen werden, deren eigentlicher Zweck eine Besichtigung der in den Bergen gelegnen Besitzungen David Khan's war. Da dieser Ausflug aus die Dauer von zwei bis drei Wochen berechnet war, so bedurfte es mancher Vorbereitung und am 10. Juli ritten wir in einer Cavalcade von 12 Mann, der General, David Khan, ich, Diener, Köche und karabagh'sche Begleiter, von Khan Kendi weg. Unser Gepäck, Matratzen, Kissen und Feldküche mit tüchtigen Weinvorräthen war schon auf sechs Maulthieren einige Stunden vor uns abgegangen. Ich konnte getrost mich an dieser Partie betheiligen, da ich meine Familie in dem Hause einer Majors- witwe gut ausgehoben wußte, und so trabte ich denn nach herzlichem Abschiede von den Meinigen der schon vorausgeeilten Gesellschaft aus meinem schönen karabagh'schen Hengste, der mir zur ganzen Reise vom General angewiesen worden war, munter nach. Nach einem Ritt von vier Stunden durch Thaler und über Berge kamen wir schon bei völliger Dunkelheit in Daschbulach (Felsenquell) einem armenischen Dorfe, der ersten David Khan'schen Besitzung, an. Das ganze, an einem Bcrgabhange erbaute Dorf war zu Ehren seines jungen Herrn erleuchtet, was einen sehr hübschen Anblick bot, und die Dorsältesten schlachteten, nach voll- zogner Begrüßung des jungen Khans, eine junge fette Kuh, wo durch sie ihre Ehrfurcht und Freude über unsre Ankunft ausdrückten. Dieselbe Ceremonie wurde in jedem Dorse, sogar ties in den Bergen in unserm eignen Lager von herbeigeeilten Unterthanen des jungen Khans wiederholt. Nach unter sreiem Himmel verzehrtem Abendbrod, bestehend aus den saftigsten am Spieße gebratenen Stücken der gc- opserten Kuh, würzigen Melonen und herrlichem Kachetiner Wein aus den Vorräthen des Generals, und einem sröhlich verplauderten Stündchen in der köstlichen Nachtluft legten wir uns zur Ruhe. Am NnNo,-«» , nächsten Morgen ritten wir weiter in verstärkter Cavalcade, denn 1 umgeben unr mc Lchlnchten und Abgründe, welche aus Taschbulach hatten sich mehrere Reiter uns angeschlossen, nm 7*