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259 Einwickelns in chemisch reines Zinnpapier und in die je nach der Qualität der Schokolade mehr oder weniger reichausgestatteten „doltss" übrig bleibt. Und damit haben wir eben den Stoff zu demjenigen Ge tränk in den Händen, das wir nicht mehr Kakao, sondern ge wöhnlich Schokolade nennen. Um die Schokolade für schwache Magen verdaulicher zu machen, sondert man die fettigen oder öligen Bestandtheile, die sogenannte Kakaobutter, ab, die schon seit lange in Amerika von den Kreolinnen zu Hautsalbeu ver wendet wurde und bei uns vom Apotheker zu Augensalben, Ceraten u. dgl., sowie vom Seifensieder zur Bereitung der Kakaoseife benutzt wird, die gegen aufgesprungene Lippen, Brust warzen u. s. w. sehr heilsam ist. Die pariser Schokoladcnfabrikanten haben sich in diesem Fache einen besondern Ruf erworben. Bei den Spaniern ist die Schokolade nicht bloß ein Nationalgetränk, sondern auch ihr tägliches Brod, denn sie essen zugleich feste Schokolade dazu. In neuerer Zeit hat sich der französische Theil der Schweiz in der Schokoladefabrikation Paris ebenbürtig gezeigt; Frankreich scheint diese Konkurrenz geahnt und gefürchtet zu haben, da es sich so lange und in solchem Maße gegen den Import fremd ländischer Schokolade zur Wehr setzte, daß es bis vor kurzem dieselbe einem Prohibitivzoll von 80—100 Franken für das Kilogramm unterworfen hat. Mit welchem Erfolge die schwei zerische Schokoladeindustrie nach theilweiser Aufhebung jener Zollschranken der französischen Konkurrenz gemacht, mag man aus der Thatsache ersehen, daß eine schweizerische Fabrik an der Weltausstellung von 1867 in Paris von der Jury die höchste Medaille ihrer Klasse zuerkaunt erhielt. Bei jener Gelegenheit hatten 25 französische Schokoladefabriken und Konditoren aus gestellt. Dann aus Holland 7, Belgien 6, Deutschland 9, Oesterreich 3, Spanien 16, Italien 10, Nordamerika 2, Eng land 4, Schweiz 3. Brillat-Savarin gibt unter den Parisern dem Herrn Debauve den ersten Preis; die berühmteste Fabrik der Schweiz ist anerkannt die von PH. Suchard in Neuenburg. Ersatzmittel für Kakao uud Schokolade sind noch nicht so viele als beim Kaffee und Thee bekannt. Zu erwähnen ist vor allem, daß man die Kakaoschalen, die sich in Schokoladefabriken massenhaft anhüufeu uud namentlich viel von Triest aus nach England ausgeführt werden, dort unter dem Namen „Nisö-! rables" mit geringeren Kakaosorten zu einer Art Schokolade verarbeitet, um damit die Irländer zu beglücken. Hier und dort i hat man aus anderen öligen Samen und Nüssen schokoladen artige Getränke zu bereiten versucht. So wird in Südcarolina die Erdnuß oder Erdcichel (^ravbis bz-xoAaoa), eine Hülsen frucht, deren Samen merkwürdiger Weise unter der Erde reifen, geröstet und dann ganz wie Schokolade zubereitet und genossen. In Spanien röstet man die sogenannten Erdmandeln, die öligen > Wurzelknollen von o^psrus osonloutus, einer Grasart, und benutzt sie als Surrogat sowohl des Kaffee's als der Schoko lade, besonders aber der letztern, die in Spanien so viel kon- sumirt wird. Andere Schokolade-Surrogate sind: Moskowitische Schoko lade und Content (ein warmes Getränk, bereitet aus 10 Loth abgebrühter und sehr klar geriebener Mandeln und einem Quart Milch). Auch aus Wall- und Haselnüssen sowie aus Kastanien bereitet man ein schokoladcnähnliches Getränk. Man sieht, wie nothig es ist, die Schokolade, wenn man sie echt genießen will, von den bestreuommirtesteu Firmen zu beziehen! Eine gute Schokolade muß etwa folgende Eigenschaften haben: die Farbe der Täfelchen muß braunroth sein; je matter die Farbe, desto schlechter die Schokolade. Ihre Oberfläche muß glatt, glänzend sein; vergeht dieser Glanz beim bloßen Berühren, >v ist dies ein Zeichen ihrer Verfälschung. Ihr Bruch muß gleichmäßig sein, obschon derselbe allerdings von den wechseln den Temperaturverhältnissen abhüngt. Glänzende Punkte darin man gar nicht gern, denn diese bekunden, daß die Verfäl-! Ichung durch Zucker verhüllt ist. Endlich muß die Schokolade, lvenn man sie kaut, sauft im Munde zergehen, keine Rauhigkeit auf der Zunge spüren lassen, sich gänzlich im Speichel auflösen vud eine Kühlung der Zunge verursachen. Diese letztere Eigenschaft ist wohl die entscheidendste und kann durch keine »alsifikation hervorgcrufen werden. Sehen wir nun, welche Nährstoffe die Mutter Natur der Kakaobohne gegeben hat, um sie zu einem so vorzüglichen Nah- ^rungsmittel zu machen. Während Thee und Kaffee an eigent- ! lichen Nährstoffen, wie wir schon oben erfahren haben, sehr arm ^sind, besitzt die Kakaobohne deren eine große Menge und zwar solcher Art, daß sie, mit Milch vermischt, unbedingt das beste Nahrungsmittel der Welt ist. Aus einer quantitativen und qualitativen Vergleichung der Bestandtheile dieser beiden Ge tränke wird sich diese Behauptung am schnellsten rechtfertigen: Es besitzt die eingetrock- uete Milch an Albumin ...... 35 Prozent an Fett, Butter rc. .... 24 „ an Zucker, Stärke rc. ... 37 „ an Asche, mineralischen Stoffen 4 „ Wir sehen, daß der Kakao unter allen menschlichen Nah rungsmitteln mit der Milch, dem gesündesten und wichtigsten, die größte Aehnlichkeit hat; daß sie sich vor derselben haupt sächlich durch deu größern Fettgehalt auszeichnet. Und dieser letztere Umstand hat vermuthlich den Gebrauch veranlaßt, die Schokolade mit Milch zuzubereiten, um die guten Eigenschaften und Stoffe beider zu einem neuen urkrüftigen Ganzen zu ver einigen. Welchen Werth aber die Kakaobohne wegen ihres großen Fettgehaltes für den Menschen hat, kann sich jeder denken, der da weiß, wie viel Fett der menschliche Körper zu seiner Erhal tung nöthig hat. Wir thun am besten und redlichsten, wenn wir hierüber unsern Gewährsmann Virchow sprechen lassen. In einem vor dem Arbeitervereine zu Berlin gehaltenen po pulär wissenschaftlichen Vortrage über die Nahrungs- und Ge nußmittel sagt er: „viel ausgedehnter als Zucker ist die An wesenheit von Fetten im Thierkörper (und im Körper des Menschen); die meisten Knochen des erwachsenen Menschen ent halten in dem Marke große Mengen von Fett, welches für ihren gesunden Zustand nothwendig ist. Im Unterhautgewebe ist so viel Fett aufgespeichert, daß die äußere Gestalt des Menschen, die Linien seines Gesichtes, seines Rumpfes und seiner Glieder, das „Wohlaussehen", ja die Schönheit seiner Form von dieser Fülle ganz wesentlich abhängig sind. Auch ist es nicht etwa bloß die Gewohnheit dieser Formen, welche sie uns als etwas Wünschenswerthes erscheinen läßt, sondern sie sind ein wirk liches Bedürfniß des Körpers. Denn das Fettgewebe be wahrt die tiefer gelegenen Theile vor den rauhen Einwirkungen der Außenwelt. Es bildet nicht nur eine große Schutzdecke, welche die Gewalt äußerer Angriffe abschwächt, sondern auch eine allgemeine Hülle, welche den Körper vor zu großen Wärme verlusten nach außen sichert. Man sehe sich doch einen Ge nesenden an, der nach schwerer Krankheit zum Skelet abge magert fröstelnd und empfindlich umherschleicht; in dem Maße, als die Zellen seines Fettgewebes sich bei reicherer Zufuhr (und was könnte' eine reichere bewirken als der Kakao) wieder füllen, fühlt er sich Wohler, behaglicher, stärker. Ist dieß ein bloßer Jrrthum, eine Selbsttäuschung und zugleich eine Täuschung der Anderen? Gewiß nicht. Gesundes Leben ist ohne einen gewissen Fettreichthum unmöglich. Dazu kommt, daß selbst der Aufbau der Gewebe, die Bildung des thierischen Kör pers ohne eine reiche Zuthat von Zucker und Fett nicht möglich ist. Das lehrt uns die Zusammensetzung der Eier, aus denen das junge Wesen herauswachsen soll, die Mischung der Milch, welche die regelmäßige und unersetzliche Nahrung des wachsen den, des sich entwickelnden Körpers ist. Denn auch das Ei enthält neben dem sogenannten Eiweiß oder Albumin eine große Menge Fett, namentlich besteht das Eigelb bloß aus diesem Stoffe." Aus Virchow's Worten ergibt sich, daß die Schokolade wegen ihres Fettreichthums nicht bloß eines der ersten Nahrungs-, sondern auch eines der wichtigsten Heilmittel in allen denjenigen Krankheitsfällen ist, wo eine Abmagerung des Körpers infolge des mangelnden Fett- oder Heizungsstoffes stattfindet. Welche Dienste wird der Kakao, namentlich in seiner ursprünglichen Form mäßig bitter getrunken, dem Bleichsüchtigen, dem Lungen kranken, dem Genesenden leisten? Bessere, weit nachhaltigere Dienste, als selbst die Milch. Denn der Kakao hat vor dieser, so wie vor der Fleischbrühe und anderen Getränken noch den weitern Vorzug, daß er einen, die Nerven zu neuer Thätsgkeit 33» die Kakaobohne 18 Prozent 55 „ 23 ,, 4