Volltext Seite (XML)
246 zeichnen sich durch einen zierlichen Schnitt und große Dauer haftigkeit aus, obwohl die Wände nicht dicker sind, als die einer hölzernen Hutschachtel. Mit ihnen wagen sie sich weit in die See hinaus. Ihre Werkzeuge sind aus Stein, Korallen oder Muschelschalen gefertigt. Speere und Bogen sind ihre ein zigen Waffen, beide haben einen Bart und eine Spitze von hartem Holze, Fischbein und scharfen Muschelstückchen. Beide Geschlechter gehen nackt, aber einige von ihnen tragen eine Schnur mit Quaste nm die Lenden. An der Schnur hängt ein Eberzahn, eine scharfe Muschel, oder ein zugeschärftes Eisenstück. Frühmorgens bestreichen sie sich von Kopf zu Fuß mit Schlamm, oder wälzen sich wie Büffel in ihm herum, um sich vor der Zudringlichkeit der Insekten zu schützen. Während die Weiber an den Riffen bis zur Rückkehr der Ebbe ausruhen, jagen die Männer in den Wäldern oder sitzen auf den Felsen, um aus der Entfernung Fische zu sperren, oder auf sie zu springen, wenn sie ihnen zu nahe kommen. Die Uebung hat sie zu uiefehlenden Schützen gemacht sowohl mit Bogen als mit Speer. Ihr feindseliges Verhalten gegen Fremde hat sich bis jetzt noch nicht gehoben (war doch Helfer das be- dauernswertheste Opfer desselben). Oft drücken sie ihren Wider willen durch lautes, drohendes Geschrei aus, welches sie mit verächtlichen Geberden begleiten. Zuweilen nehmen sie in verrä- therischer Absicht die unterwürsigste Miene an, zeigen sich ruhig und folgsam und bereit, freundschaftliche Beziehungen anzuknüpfen. Haben sie aber die Artikel, welche ihnen geboten werden, gierig an sich genommen, so erheben sie ein drohendes Geschrei und schießen ihre Pfeile auf die Geber ab. Bei Annäherung eines Bootes liegen sie im Hinterhalte und senden einen Einzelnen nach dem Meere ab, um die Fremdlinge an die Küste zu locken. Sobald dies ihnen glückt, stürzen sie aus ihrem Hinterhalte hervor. Einige springen in's Wasser, um sich des Bootes zu bemächtigen, während andere mit wildem Geschrei, ihrem Blut durst zu genügen, auf ihre unglücklichen Opfer sich werfen und, ihre Kehlen mit Händen und Zähnen packend, sie mit ihren scharfen Waffen und Steinen durchbohren. So war und so ist noch jetzt der Charakter dieser Wilden. Ihre unablässige Feindseligkeit gegen alle, von denen sie glauben, daß sie ihr Land nehmen wollen, schreibt man zwei Ursachen zu, die wohl richtig sein mögen. Einmal halten sie noch an einer alten Tradition fest, wonach sie sich einstmals im Zustande der Sklaverei befanden und von einem scheiternden Sklavenschiffe an die Küste dieser Inselgruppe geworfen wurden, wo sie den Sklavenhändler und seine Leute umbrachten. Von ihren Ver wandten auf der Halbinsel getrennt fürchten sie ferner beständig, man wolle sie fangen und in die Sklaverei zurückführen. Und diese Befürchtung ist nicht ohne Grund. Nach Heerklotz hat das Piratenwesen im Indischen Archipel einen bedenklichen Um fang erreicht, und stehen namentlich die Orang-sekahs im Gerüche der Seeräuberei. Neben der Plünderung der fremden und ein heimischen Schiffe ist Menschenraub ihr Hauptziel. Die Abnahme der Bevölkerung auf den Andamanen ist daher wohl weniger der Invasion der Engländer, als der malayischen Nachbarn zu zuschreiben. Wenn überhaupt die Urbevölkerung noch nicht aus gerottet ist, so hat sie dies der klimatischen Ungunst ihres Wohnsitzes zu danken, an der alle Kolonisationsversuche der Engländer scheiterten. Früher nur wenig beachtet, zogen die Andamanen erst durch die Entdeckung des prachtvollen Naturhafens Port Corn wallis auf der östlichen Seite der Inselgruppe die Aufmerk samkeit seefahrender Nationen auf sich. Die hier von den Eng ländern 1795 gegründete Niederlassung gedieh aber wenig; 1857 wurde eine andere am Hafen Blair zur Aufnahme der nach Beendigung des letzten indischen Krieges zur Deportation verurtheilten Sipahi angelegt. Diese Ansiedelung vertheilt sich auf mehrere kleine Inseln: die Roßinsel, die Tigreinsel mit 1200 Bewohnern (s. die Abbildung S. 245), Chatam. Bei Besichtigung der Strafkolonien wurde der thätige Vizekönig von Indien, Lord Mayo, am 9. Februar 1872 von einem Sträfling ermordet. Die Ansiedelung zählte 1869: 8627 Köpfe, wovon 7248 auf Sträflinge und ihre Familien kamen. Man will gefunden haben, daß durch Lichtung namentlich der Uferwälder das Klima etwas gesünder geworden ist, indem der Anfang der 8 Mo nate dauernden Regenzeit um 14 Tage verzögert wurde. Wenn man aber bedenkt, daß in den beiden Monaten Mai und Juni, wo die heftigsten, von Sturm und Donner begleiteten Regen güsse erfolgen, eine durchschnittliche Temperatur von 27° 0. herrscht, so kann man sich von der Ungesundheit dieser feucht heißen Inselgruppe einen Begriff machen. Im Jahre 1794 fielen zum Beispiel 3175 mm. Regen, also 254 mm. mehr als die damals bekannten größten Niederschläge am Senegal. Aber selbst wenn man den größten Theil der Wälder ausgerottet haben wird, lo läßt sich doch für ein Gebiet, welches der ganzen Wuth der feuchten Südost- und Südwestwinde ausgesetzt ist, keine bedeutend günstige klimatische Umwandlung erwarten, so daß nur eine Kolonisation durch die bereits akklimatisirten Ma- laycn Aussicht auf Erfolg hat. Riederskichfische Städte und Dörfer. Von Kukins Kwan Kellker. (Fortsetzung.) Jenem Streite zwischen Bischof und Stadt ist das Ent stehen einiger Stadttheile zuzuschreiben. Denn um ein Gegen gewicht gegen das feindselige Bürgerthum zu schaffen, beförder ten die Regierungen der Bischöfe auf jede Weise die Anlage neuer, uicht mit der Stadt verschmolzener Stadttheile, die dann direkt unter der geistlichen Regierung standen. So bildeten im zwölften Jahrhundert Einwohner verlassener Dörfer aus der Umgegend eine unter Schutz und Gerichtsbarkeit des Domprobstes stehende Neustadt Hildesheim; diese Neustadt, vou der Alt stadt durch deren Befestigungswerke getrennt, hatte ihren eigenen Markt, eigene Gilden und eigene Verwaltung; sie war frei vom altstädtischen Zolle! Und während nun die Altstadt den Bischö fen eine steigende Summe von Rechten nnd Privilegien abzu ringen wußte, blieb die Neustadt bis 1583 in direkterer Ab hängigkeit von der geistlichen Regierung. 1583 vereinigte sich die Neustadt, die natürlich doch der größeren Altstadt nicht er folgreich Konkurrenz machen konnte, mit der letzteren in gewissem Grade und beendigte so im wesentlichen das ganz unnatürliche Gegeneinanderstehn der beiden Stadttheile; vollkommen zu einem Ganzen verschmolzen sind die beiden freilich erst in un serm Jahrhunderte. Bis 1803 hat die Neustadt ihreu eigenen Magistrat gehabt. Eine andere bischöfliche Neustadt, der sogenannte Stein, scheint sehr früh in der Altstadt aufgegangen zu sein. Zwischen der Stadt und dem einige Minuten entfernten Orte Moritzbcrg wurde 1196 ebenfalls eine neue Niederlassung begründet; unter dem Schutze des Bischofs stifteten ausgewanderte Vlamingen hier den Flecken Damm, der aber schon 1332 von den Hildes heimern gänzlich zerstört wurde. Die Macht des Bischofs beschränkte sich zuletzt auf die nächste Umgebung des Domes, ein kleines rings von der Stadt umgebenes Gebiet, welches unter dem Namen der Domfrei heit zusammengefaßt und durch Mauern von der Stadt geschie den wurde. Diese Domfreiheit blieb, ebenfalls bis in den An fang unseres Jahrhunderts hinein, vollständig unter bischöflicher Herrschaft. Nach dem dreißigjährigen Kriege verödete auch Hildesheim; im Jahre 1632 standen in der Altstadt 328 Häuser leer! Durch die letzten Jahrhunderte hindurch blieb in Hildesheim der Ver fall permanent; erst die gewaltigen Umänderungen, die im An fänge des neunzehnten Jahrhunderts die alte Landkarte Deutsch lands vernichteten und eine nene an ihre Stelle setzten, brachten hier eine Besserung. Im Jahre 1802 wnrde das Bisthum Hildesheim säkularisirt; Stift und Stadt kamen an Preußen. Ohne große Thcilnahme ertrug im ganzen die Bürgerschaft den Untergang ihrer Selbständigkeit; schon lange war das Leben