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Die deutsche Kolonie pozu;o in Peru.*) Von Pfarrer Kgg in Pozuzo. Einqesendet von Freiherr vr. v. Schütz-Holzhausen. Die deutsche Kolonie Pozuzo liegt unter dem 10. Grade südlicher Breite und erstreckt sich auf beiden Seiten der Flüsse Pozuzo und Huancabamba (welche beide ungefähr die Mächtig keit des Eisacks und der Etsch oberhalb ihres Zusammenflusses haben) in einer Ausdehnung von 5 Kilometer am Pozuzo und 8^/2 Kil. am Huancabamba. Die Breite der beiden Thäler ist sehr beschränkt und es gibt kaum eine vollkommen ebene Stelle, die über 300 Meter breit wäre. Jedoch sind die Berge, von denen einige sich an 1500 Meter über das Niveau des Flusses erheben, nicht steil, an manchen Orten sogar sehr sanft anstei gend und bei weitem die meisten Abhänge sind geeignet, bis weit hinauf angebaut zu werden. Auch ist die Fruchtbarkeit auf den Abhängen nicht geringer als in den Ebenen, im Gegen theile für die Regenzeit sind die Abhänge den Ebenen vorzu ziehen, weil in diesen durch die zu große Feuchtigkeit mancher Same erstickt; ferner haben die Abhänge den Vortheil, daß hier die Ausrodung des Waldes — der vielen Schlingpflanzen wegen, welche die einzelnen Bäume fest verbinden, weßhalb ein gefällter Baum gewöhnlich noch mehrere schwächere nur halb ab gehauene mit sich niederreißt — viel leichter von statten geht. Der obere Theil der Kolonie, wo die Rheinländer sich nieder gelassen haben, liegt 1000 m. über dem Meere, die Ansiedelungen der Tiroler 100 m. tiefer. Daß alles außerhalb der Felder Urwald ist, versteht sich von selbst. Dieser erstreckt sich bis aus die höchsten Spitzen der Berge, die auf der Ostseite, wo die un ermeßlichen Ebenen schon so nahe sind, im Durchschnitte niedri ger sind als die westlichen. Die Temperatur nimmt mit der Höhe rasch ab und selbst jene Kolonisten, welche vielleicht nur ioo Meter über der Thalsohle wohnen, haben in ihren luftigen Wohnungen schon bedeutend kühlere Nächte, als wir hier unten. Südlich und westlich von der Kolonie, d. h. von dem Win kel, welchen die Thäler bilden, kreuzen sich die Berge und Schluchten auf eine Weise, daß kaum ein Fleck zu finden sein wird, den man aubauen könnte. Aber an der Ostseite beginnen hinter den oben erwähnten Bergen in einer Entfernung von etwa 25 Kilometern die Ebenen des Palcazu und Mairo und nördlich von letzteren die weiten Pampas del Sacramento, welche tausende von Quadratmeilen einnehmen und bis zum Amazonen strom reichen. Durch diese schlängelt sich mit vielen und großen Windungen der majestätische Fluß, welcher von seinem Ursprünge an Palcazu heißt, später nach seinem Zusammenflüsse mit dem Mairo und Pozuzo den Namen „Pachitea" erhält und in den Ucayali, einen der bedeutendsten Zuflüsse des Amazonenstromes, mündet. Der Pachitea kann heraus bis zur Mündung des Mairo mit Dampfschiffen von nicht zu großem Tiefgange befah ren werden, wie denn auch im Jahre 1867 zwei Dampfer „Napo" (von 1 Meter Tiefgang) und „Putumayo" bis dorthin gelangt sind. Der Weg von hier nach Mairo wäre damals auch angelegt worden, aber leider brachten eine Revolution und die Vertreibung des damaligen Präsidenten Prado alles wieder >n's Stocken. Denn dies ist hier die allgemeine Praxis der Präsidenten, daß keiner das durch seinen Vorgänger Begonnene vollendet, sondern, daß jeder um sich einen Namen zu machen, üwas Neues anfängt und so wird hier selten etwas Nützliches gusgeführt. Wie es scheint, will der gegenwärtige Kongreß die Sache wieder aufnehmen, und sollen, wie cs heißt, 10,000 So les (1 Sol — 4 Mark) zur Vollendung dieses Weges bewilligt und zugleich angeordnet werden, daß monatlich ein Regierungs- dampfer von Jquitos am Amazonenstrome bis Mairo hinauf- lvnunt. Viel Handel wird einstweilen dieser Dampfer nicht lleiben können, denn mit den wilden Cashibos am Pachitea oder M *) Näheres über diese Kolonie berichten die beiden kleinen Schriften',: «reih. v. von Schütz-Holzhausen, die deutsche Colonie in Peru, bchilüernng einer Reise dahin; Natur, Klima, Producte, Ackerbau; Ge schichte der Gründung der Colonie; freimaurerische Anscindungcn. Wein- Mm 1870; und Robert Abendroth, die Colonie am Pozuzu in ihren physischen, ökonomischen und politischen Verhältnissen. Dresden 1870 (im und VII. Jahresbericht des Vereins für Erdkunde zu Dresden). Aus allen Welttheilen. VI. Jahrg. den Lorenzo-Indianern am Mairo sind keine großen Geschäfte zu machen und die Kolonie erzielt für ihre Produkte in dem nahen Cerro de Pasco bessere Preise, als sie in dem brasilianischen Hafen Parä oder selbst in Europa erzielen würde. Wahrschein lich aber soll diese Dampfschiffvcrbindung mit dem Eisenbahn- ban kombinirt werden, um so eine raschere und kürzere Kom munikation zwischen dem Stillen Meere, bez. der Hauptstadt Lima und dem Amazonenstrome zu erreichen. Die Oroyabahn über die Anden geht der Vollendung entgegen und soll bis Cerro de Pasco (15 Meilen weiter über ganz ebenes Terrain) verlängert werden. Die Entfernung von Cerro de Pasco be trägt — wenn die im Baue begriffenen näheren Wege sämtlich , vollendet sind — 30 Meilen bis Mairo (von Mairo bis Po- ! zuzo 7 Meilen, von da bis Huancabamba wieder 7 Meilen und von dort bis Cerro de Pasco 16 Meilen. Sogar existirt ! ein Projekt, durch diese letzten 16 Meilen eine Eisenbahn zu legen und so die Verbindung mit Dampf zwischen dem Stillen und dem Atlantischen Ozean ganz herzustellen. Wenigstens heißt I es, daß der bekannte Eisenbahnkönig Meiggs, welcher alle pe- ruanischen Bahnen baut, nächstens auch diese Strecke durch seine Ingenieure untersuchen lassen will. Durch die hiesigen Berge und Urwälder eine Eisenbahn, wer hätte dies früher für mög- j lich gehalten! Uebrigens ist sie noch nicht gebaut, an dem „nor- VU8 rvrom" dürfte es wohl hapern. Am Huancabambaflusse auswärts sind wir noch immer be schäftigt mit der Anlage eines neuen, bedeutend kürzer« Weges nach dem gleichnamigen Dorfe und wir können ihn leider auch in diesem Jahre nicht zu Ende bringen, da die Stadt Huanuco aus Eifersucht (sie will den Weg von Lima nach Mairo über Huanuco und nicht über Huancabamba geführt haben) dagegen arbeitet soviel sie kann, so daß es unmöglich ist, von jener Seite, wo gerade die meisten indianischen Dörfer liegen, in dianische Arbeiter zu erlangen, und mit unseren deutschen Ko- ilonisten allein geht es langsam vorwärts, da nur wenige sich , daran betheiligen, obgleich wir ihnen 1 Thaler Taglohn zahlen. So sehr ich es auch den guten Leuten vorpredige, sie wollen den unendlichen Nutzen nicht recht einsehen, den der ganzen Ko lonie dieser Weg bringen muß, sonst würden sie sogar auch ohne Lohn an demselben arbeiten. Indessen wird dieser Weg doch trotz aller Schwierigkeiten und trotz aller*) gegnerischen Machi nationen zu Ende geführt werden, dann kann man in drei Ta gen leicht von hier nach Cerro de Pasco reisen. Andrerseits ist auch der Stadt Cerro de Pasco sehr viel an der Ausfüh rung dieses Weges gelegen, denn sie arbeiten gegenwärtig mit allem Eifer von dort her gegen Huancabamba an einem neuen und gleichfalls kürzern Wege. Dort sehen die Leute die Wich tigkeit dieses Weges mehr ein, als es bei den kurzsichtigen Ko lonisten der Fall ist. Gerade dieses nnsers Wegbaues halber muß ich mich bis heute noch mit der hölzernen Kapelle behelfen, obwohl der Kalk zum Baue einer Kirche schon vor vier Jahren gebrannt wurde; denn ich wollte bisher die Leute durch diese Arbeit nicht zu rückhalten von der Betheiligung am Wegbau, der für unsere Kolonie von so großer Bedeutung ist. Die Zahl der arbeits fähigen Kolonisten ist zudem nicht sehr groß, und die Zahl der arbeitslustigen noch kleiner, und manche unter uns sind ganz unzufrieden darüber, daß der Pozuzo, obgleich der Name auch mit einem P anfängt, doch kein Paradies ist, wo, wie man be hauptet, alles ohne menschliche Arbeit gewachsen war. Die ganze Seelenzahl der Deutschen in der Kolonie be läuft sich auf ungefähr 400 — genau kann ich die Zahl nicht angeben, da einige Familien der zweiten Expedition**) in steter Wanderung begriffen sind. Sie halten sich einige Monate *) Aus Verwendung des deutschen Geschäftsträgers, Ritter v. Bunsen, hatte die peruanische Regierung die Anlage dieses Weges beschlossen und die Fonds dazu bewilligt. Anm. d. Einsenders. **) Die zweite Expedition bestand aus weit schlechteren Elementen, als die erste. Anm. d. Einsenders. 4t