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Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von vr. Richard Kiepert. Braunschweig jährlich 2 Bände L 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstalten zum Preise von 12 Mark pro Band zu beziehen. 1882. Desire Charimy's Ausgrabungen V. Es war ein von dem trockenen mepicauischcu Hochlande sehr verschiedenes Terrain, auf dem Charnay während der nun folgenden Wochen feine Ausgrabungen vornahm. Den Schluß der archäologischen Kampagne dieses Jahres sollte ein mehrwöchentlichcr Aufenthalt in Palcnguc im Staate Chiapas bilden, dem fchon 1787 entdeckten, vielberlihmten und vielfach besuchten, doch aber noch nie hinreichend genau erforschten „Pompeji der Neuen Welt". Die Zeit, die ihm bis dahin noch blieb, beschloß Charnay zu einer Reise nach den bislang wenig bekannten Ruinenstättcn von Comalcalco im westlichen Theile des Staates Tabasco zu verwenden. Nach kurzer Ucbcrfahrt von Veracruz bis zur Tabasco- Mündung begaben sich der Reisende und seine Begleiter hier an Bord eines kleinen, den Fluß hinauffahrenden Dampfers, der mit einer Ladung Petroleum nach San -Juan Bautista bestimmt war. Die Fahrt zwischen den flachen sumpfigen Ufern, die sich meist nur zwei bis drei Fuß über dem Wasserspiegel erheben, war im höchsten Maße einförmig und langweilig. Nachdem man die elende kleine Sumpfstadt Frontera, in der sich das Zollamt des Staa tes befindet, passirt hatte, folgten nnr noch in mcilenweiten Abständen vereinzelte Ranchos; dazwischen bildeten die hin und wieder am Ufer sich sonnenden Krokodile, sowie die zahllosen verschiedenartigen Reiher und Eisvögel, die über dem Flusse dahinstrichen, die einzige Abwechslung. Stun den brennender Sonnengluth, die von häusigcn Regengüssen unterbrochen wurden, dazu der fortwährende dichte Funken- regen aus dem Schlot des mit Holz geheizten Dampfers machten den Aufenthalt auf dem Verdecke unmöglich; m der engen Kajüte herrschte beklemmende Stickluft, die durch den in Mexico und Central-Amerika. Geruch des Petroleums nicht eben verbessert wurde. Auch die sehnlich herbeigewünschteAnkunft in San Juan Bau tista war nicht dazu angethan, die unerfreuliche» Eindrücke der Fahrt sogleich vergessen zu machen. Das nüchterne Bild einer einzigen Reihe niedriger Häu ser uud zwei kleiner Kirchen auf kahlem, sumpfigem Ufer wollte zu der Vorstellung nicht passen, die man sich von der Hauptstadt eines reichen Landes, von einem nicht unwichtigen Handelscentrum gemacht hatte. Trotz dieses überraschend ärmlichen Aussehens und trotz des Mangels einer nur einigermaßen genügenden Ausladestelle ist San Juan Bau tista doch in der That eine wohlhabende Stadt, deren Be deutung für den Verkehr, namentlich für den großartigen Handel mit den kostbaren Fournierhölzern von Chiapas und Guatemala, von Jahr zu Jahr zunimmt. Charnay's Hoff nung, die Reise nach dem Lagunendorfe Comalcalco von hier aus zu Lande und zwar in wenigen Tagen zurücklegen zu können, wurde in des Wortes eigentlichem Sinne zu Wasser. Befand man sich auch noch im Beginne der Regen zeit, so hatten die wenigen Wochen doch schon genügt, die Mehrzahl der Wege und sogenannten Straßen, wie alljähr lich, grundlos und unpassirbar zu machen: es blieb nichts übrig, als sich zu einem weiten Umwege zu entschließen und den Rio Gonzales bis zu seiner Mündung in die große Lagune von Mecoacan hinabzusahren. Die ersten Tage reisen auf den schmalen, aus ausgehöhlteu Mahagonistäm men bestehenden Canoes waren nur eine Fortsetzung der unangenehmen Dampferfahrt. An den Ufern wechselte nie driges, verkrüppeltes Gehölz mit weithin überschwemmten Savanncnstrecken ab: eine Aussicht, der sich die Reisenden Globus Xiu. Nr. 16. 3l