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184 Das deutsche Haus in seinen volksthümlichen Formen. neben ein kleiner Herd, auf dem früher der Leuchtkiehn brannte, Bänke an den Wänden zwischen Fenstern, davor der große Familicntisch, kennzeichnen die Stube als den eigentlichen Wohnraum. Auf der gegenüberliegenden Seite des Flurs befinden sich einige, oft theilweise unterkellerte Kammern, die manchmal ebenfalls zn Stuben eingerichtet sind; liegen die Stallungen für das Vieh unter demselben Dache, so führt häufig ein Gang zwischen den Kammern hindurch zu denselben. Dies sind die allgemeinen Grundzüge des fränkischen Hauses, die trotz mannigfacher Modifikationen, Aufsetzen vo>r Stockwerken, Anbauen von Kammern, Gallerien und Freitreppen doch im Wesentlichen unverändert und leicht er kennbar bleiben. Die ursprüngliche quadratische Form des Gehöftes mit der weiten Wageneinfahrt in dem Thorhause findet sich heute fast nur noch in den weitläufig angelegten Gcbirgsdörfern. Die fortschreitende Verbreitung des fränkischen Hauses hat zunächst im Norden und Nordwesten einen zweiten Typus bedrängt oder zum mindesten auf seine ursprüng lichen Grenzen eingeschränkt: den Typus der nahe mit einander verwandten sächsischen und friesischen Häuser. Die Haupteigenthümlichkeit dieser Hausformen besteht darin, daß sie sämmtliche, selbst zu einer großen Wirthschaft erforderlichen Räume unter einem Dache ver einigt. Das demzufolge ungeheuer große Gebäude hat in seinen Grundzügen die Form einer dreischiffigen Basilika. Das breite, in der Giebelseite befindliche Einfahrtsthor führt in die sogenannte Diele, die durch das ganze Haus bis zu den dasselbe abschließenden Wohnräumen hindurchläuft. Zu beiden Seiten der Diele und zwar so, daß sie von derselben aus gefüttert werden, sind in nach vorn offenen Abtheilun- gen die Pferde und Kühe ausgestellt. Ueber der Diele, den Viehständcn und allen sonstigen Räumen ist das Ge treide und Heu bis zum Dachfirst hinauf auf zwischen die Balken gelegten Brettern und Balken aufgespeichert. Am Hintern Ende der Diele befindet sich ein niedriger Herd, an dessen beiden Seiten die Bettstätten der Familie in einer Art von engen und erhöhten Wandschränken angebracht sind. Diesen gegenüber haben die Knechte oberhalb der Pferde, die Mägde oberhalb der Kühe ihre Schlafstätten. Rechts und links vom Herde reicht der Raum für die Hauswirthschaft frei bis zu den beiden entgegengesetzten Seitenwünden des Hauses, die mit hohen und breiten Fen stern und je einer Glasthür versehen sind. Gewöhnlich ist auch der Brunnen innerhalb des Hauses, und zwar zur Seite des Herdes angebracht. Der Hauptvorzug der sächsisch-friesischen Hausform besteht somit in dem Umstande, daß der Hausherr vom Herde und von seiner Bettstatt aus die gesammte Wirth schaft übersehen, jedes Geräusch darin hören, die Aufsicht über das Ganze führen kann. So lange der Rauch des Herdfeuers noch ohne Schornstein das ganze Gebäude durchzog, machten sich der Geruch des Viehes und lästige Insekten auch nur wenig bemerkbar. Erst in neuerer Zeit hat man angefangen, noch weitere Räume, eine Putzstube, eine Borrathskammer und eine Wirthschaftsstube hinter der Herdwand anzulegen. Typisch gewordene Modifikationen der sächsisch-friesi schen Hausform treten uns in dem auf der Eiderstädter Marsch herkömmlichen seltsamen Hauskoloß, dem sogenann ten Heuberge, sowie in dem Ditmars er Hause entgegen. Dieses letztere verlegt den Herd an die Seitenwand und besitzt dafür im Hintergründe der Diele den sogenannten Pesel, einen großen, nur für besondere Festlichkeiten, Be gräbnisse u. s. w. benutzten Saal mit einem für gewöhnlich verschlossenen Ausgange im Giebel; daneben liegen noch mehrere, theils Wohn-, theils Wirthschaftszwecken dienende Kammern. Das dänische Haus steht ungefähr auf der Mitte zwischen dem fränkischen und dem sächsisch-friesi schen Typus; in der Eintheilung der Wohnräumc schließt es sich dem erstern, in seinem massigen Aufbau aber dem zweiten an, doch finden wir in ihm die Diele und die Wirthschaftsräume seitwärts in Flügelgebüude verlegt. Das der wendischen Altmark eigenthümlichc Haus stimmt mit dem sächsischen in allen wesentlichen Theilen überein. Das Verbreitungsgebiet des friesisch-sächsischen Hauses ist bis heute noch nicht genau festgestellt; es findet sich in dem größten Theil der nördlichen Rhcinprovinz und Westfalens vertreten, zieht sich nach Norden bis zur Küste; im Osten wird es bis in die Gegend von Hildesheim durch die Weser begrenzt, geht von hier aus aber dann durch das Lüneburger und altmärkische Wendenland zur Elbe, bis etwa in die Gegend von Tangermünde. Jenseits der Elbe ist die Ausbreitung durch Brandenburg und Pommern noch nicht genau verfolgt; das Haus tritt hier heute nur noch sporadisch neben dem fränkischen auf, reichte aber früher im Norden der Mark bis nahe an Berlin und kommt in den Strandgegenden, z. B. auf Rügen, noch häufig vor, ist auch bis Konitz und Landeck in Westpreußcn aufgefun den worden. Im Süden dringt das fränkische Haus gegen den dritten Typus, das Schweiz er Haus, vor. Das in den alemannischen Stammesgebieten vom Elsaß und Odenwald bis zum Fuße der Alpen heimische alemannische Haus, das von Manchen für einen besonderen Typus genommen wird, erweist sich bei Licht besehen nur als eine Abart des fränkischen Hauses. Auch das Schweizerhaus kann eine gewisse Familienähnlichkeit mit dem letzter» nicht ver leugnen: es ist wie dieses im Wesentlichen ausschließlich Wohnhaus und zeigt auch eine ähnliche Wohnungseinthei- lung. Aber auch abgesehen davon, daß die alpine Wirth schaft wenig Nebenräumc braucht, weil sie wenig Getreide baut und das Vieh auf den Sennereien, das Heu in Hüt ten auf halber Bergeshöhe beläßt, muß man dem Schwei zerhause unbedenklich einen besonderen Charakter zusprechen. Da ist vor allem die allgemein herrschende quadratische Form, die im Verein mit dem Aufgang auf Freitreppen eine große Mannigfaltigkeit der innern Eintheilung ge stattet. Die Küchen- und Feuerunasanlage ist sehr wenig konstant, ebenso die Anlage und Verwendung der unter dem charakteristischen flachen, breit überhängendcn Dache ent- langlaufenden Gallerien. So sind denn auch die Unter scheidungen zwischen den einzelnen Arten des Schweizer hauses, die bestimmten Gegenden vorzugsweise zugeschricben werden, meist sehr unsicher; und sogar die Festhaltung und strenge Abgrenzung des scheinbar so allgemein bekannten malerischen Haupttypus ist überall da nicht leicht, wo an die Stelle des Holzbaues der Stcinbau tritt. Das steinerne Schweizerhaus stellt sich als ein schweres, mehrstöckiges, kubisches Gebäude mit flachem Dache dar, das von den italienischen Stadthäusern schwer zu unterscheiden ist. Im Allgemeinen tritt das charakteristische Schweizer haus aus den Alpenthälern nicht weit Herans, sondern geht sehr bald mehr oder minder in fränkische Formen Uber, so daß in dem ganzen Borlande von einer einigermaßen sichern Klassifizirung kaum die Rede sein kann. Der vierte und letzte Typus der Hauptformen des deutschen Hauses endlich ist der des nordischen Hau ses. Derselbe fordert, ebenso wie das fränkische Haus, verschiedene Nebengebäude für jede größere Wirthschaft und sondert ein eigenes Wohnhaus aus. Die Stellung der