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Mit besonderer Berücksichtigung äer Antkroyologie um! Gtkno ogie. Begründet von Karl Andree. In Verbindung mit Fachmännern herausgegeben von vr. Richard Kiepert. NN Urnvic» Jährlich 2 Bände L 24 Nummern. Durch alle Buchhandlungen und Postanstaltc z ^cllUNscyIvLIg zum Preise von 12 Mark xro Band zu beziehen. Der Fall des Doubs au der Grenze der Schweiz und der Franche-Comto. (Sämmtliche Abbildungen nach Photographien.) II. Wir kommen zur vierten und letzten der Straßen, welche von Saint-Hippolyte ausgehen, zu derjenigen, welche uns durch das Thal des Dessoubre nach Morteau und an den Wasserfall des Doubs führt. Jenes Thal ist von großer Schönheit; der Theil bis Consolation, etwa fünf Weg stunden lang, bildet eines der malerischesten und wechselvoll sten Schaustücke in diesem Theile der Franche-Comtö, welche der nahen Schweiz sich an die Seite stellen kann, allein ungleich weniger bekannt ist. Der Fluß ist ein klares, rasches Gewässer, ringsum von Bergen eingefaßt, von deren Halden der erquickende Duft der Tannen und Eichen, der wilden Münze und anderer Pflanzen herabweht. Zu beiden Seiten der Straße sind Haufen von Brettern in langer Reihe aufgeschichtet. Bei Vieux-Moulin („Alte Mühle") unterbricht das schnelle Tiktak der Siebe, das Knirschen der Säge, das Rauschen in der Schleuse die Stille des Thales. Dann macht die Straße einen Bogen und tritt in eine ernste, traurige Land schaft: graue, nackte Felsen bilden die Bergeshänge; riesige Gesteinsblöcke liegen zwischen spärlichen Sträuchern und lautlos wälzt der tief Angeschnittene Fluß seine Wasser zu Thale. Wenn man Lavoysze, die Brücke von Fleurey und Saint-Maurice hinter sich hat, wird der Weg schwieriger und geht im Zickzack aufwärts nach der Mühle von Gaudion, wo derjenige, welcher am frühen Morgen von Saint-Hippo- lyte aufgebrochen ist, zum Mittagsmahlerastet. Eine hübsche Bäuerin empfängt den Reisenden in dem großen ländlichen Zimmer zur ebenen Erde; will sie ihm eine Ehre anthun, Globus XXXIX. Nr. 8. so legt die „Bichette" — so heißen dort die jungen prote stantischen Frauen — wohl ihr Feicrtagsgewand an: kurzen Tuchrock, Leibchen mit weißem Latz, die Haare unter einer schwarzsammetnen, mit Gold- und Silberflittern besetzten Binde, welche an den Kopsputz der Maria Stuart erinnert. Auf das weiße Tischtuch setzt sie die bemalten Teller, die zinnernen Eßbestecke, einen riesigen Laib Schwarzbrodes und viereckige, weiße Glasflaschen voll Wein von der Farbe der Zwiebelschale, worin das Sonnenlicht wie in einem Topase funkelt. Wahrlich, man versteht hier zu leben! Zuerst wird eine rauchende Kohlsuppe aufgetragen, dazu eine mächtige Schüssel voll Sauerkraut mit Speck, geräucherter Wurst und Schinken; es folgt eine Forelle aus dem Dessoubre, eine Schüssel mit Krebsen, ein Salat von Lattich-Herzen, Schweizerkäse, „moüso" (Eingemachtes von kleinen wilden Birnen, hier sirsssons genannt), eine große Scheibe Honig und Walderdbeeren, roth wie Blut, deren Duft die Nase kitzelt. Dann eine Tasse Kaffee und ein Glas Kirsch, und man muß gestehen, daß diese Verpflegung in wenigen Ge birgsorten ihres Gleichen finden dürfte. Nähert man sich dem Weiler Consolation, so nimmt die Landschaft einen so schwcrmüthigen Charakter an, daß selbst das festeste Herz von einer unüberwindlichen Stim mung der Trauer und Hoffnungslosigkeit übermannt wird. Es giebt auf Erden kaum einen stillern, ernstem Winkel, eine wildere, imponirendere Einöde, als diesen von hohen Stcinwänden cingcschlossencn Circus, der wie geschaffen ist, um über menschliches Elend zu brüten. Dort liegt das 15