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Panama und Darien. 66 ' Inzwischen war Wyse nebst Verbrugghe und einem Theil der Leute nach Panama zurückgekehrt, um in Aspinwall mit dem französischen Admiral Maudet, Kommandanten des Antillen-Geschwaders, zusammenzutreffen, welcher ihm ver sprochen hatte, zur Untersuchung der Acanti-Bai einen Aviso zu detachiren. Ein Theil der unter Reclus' Befehl zurück gebliebenen Arbeiter war erkrankt, vielleicht weil das von Panama mitgenommene Fleisch schlecht getrocknet war, und es blieben nur 6 Arbeiter anstatt 14, um das Material zu tragen. Die Arbeit selbst war gleichfalls schwierig; weiter unten, wo das Thal stellenweise breit ist, bildet der Fluß zahlreiche Arme und hat die ganze Thalsohle mit Sumpf erfüllt; höher hinauf durchströmt er eine Schlucht, die so eng wird, daß Reclus in derselben um 5 Uhr Abends kaum für das Einträgen seiner Notizen Licht genug hatte, während hoch über ihm die Tropensonne die Baumwipfel und mit Blü- then bedeckten Lianen mit ihren Strahlen vergoldete. Und der Nordwind, welcher durch die Schlucht pfiff, durchkältete die Europäer in ihren nassen Kleidern oft bis auf das Mark. Ja, es kamen mehrere Ta ge, wo die Arbeiten trotz eines von Wyse gesendeten Nachschubes von Leuten wegen der zahlreichen Er krankungen fast ganz ruh ten. Zuletzt aber er reichte man die das Thal des Tiati cinschließcnden Höhen und folgte nun dem Kamme des Gebirges, wel cher oft nicht breiter als 4 m war und beiderseits oft 40 m tief abstürzte, dann einem Sporn mit gekrümmten Abhängen: ein Windstoß hatte dort die Bäume vom Gipfel herab- gcstürzt und ein wildes Durcheinander von halb verfaulten Stämmen, Wurzeln und Aesten, ein „mal paso" (schwer zu passirende Stelle) in höchster Vollendung gebildet. Mit Händen und Füßen arbeitend, mußte man von Ast zu Ast zu gelangen suchen; glücklicherweise war das Hinderniß nur 150 m lang, sonst hätte man die Richtung der Trocha ändern müssen. Mehrere Tage lang blieb das Terrain in gleicher Weise schwierig; bis zum Tupisa hin hatte man sich auf zerrissenen Berghängen zu halten, die von nahe bei ein ander liegenden Schluchten und Runsen durchfurcht waren; ohne Aufhören senkte sich die Trocha und stieg wieder an, und die beste Arbeitszeit wurde durch das Fortschaffen des Gepäcks in Anspruch genommen. Dafür wurde die Gegend dort sehr wildreich: auf Schritt und Tritt hörte man das Heulen der Affen, und es wimmelte von Hokkos und wilden Truthühnern, welche gute Braten für die Tafel lieferten, ebenso wie die Corcovados, eine Art großer Wachtel mit rebhuhnartigem Gefieder, welche ganz vorzüglich fchmeckt, und der deswegen von allen fleischfressenden Thieren eifrig nachgestellt wird. Morgens und Abends gegen 6 Uhr giebt dieser Vogel fünf oder sechs laute, rhythmische Töne von sich, was ihm den Namen „rolo^ äst xodrs" (Uhr des Armen) verschafft hat. Acht Tage später wurde die Wasserscheide zwischen dem Rio Chico und dem Tupisa überschritten; am selben Tage aber erkrankte selbst der alte Waldläufer Lacharme sehr stark am Fieber, so daß am folgenden Tage Sosa die Führung der Holzfäller und Reclus den Tacheometer übernahm. Allein sehr bald erschien Lacharme, entschieden erholt, um seine Arbeit selbst fortznführen. In der Cordillere regnete es, das Thal war von Nebel erfüllt. Das wurde indessen ausgewogen durch die An kunft von sechs Arbeitern, welche einen Brief von Wyse überbrachten: dem selben zufolge hatte Admiral Maudet den Kreuzer „Le Dupetit-Thouars" beauf tragt, die genaue Position von Acanti zu bestimmen und die Bucht hydrogra phisch aufzunehmen. Das Schiff sollte mit Wyse und Verbrugghe an Bord gegen den 10. Februar in Acanti sein, und Reclus erhielt die Weisung, zur selben Zeit dort am Ufer des Atlanti schen Oceans einzutreffen, sollte es auch deshalb un möglich sein, den Durchhau und die tacheometrischen Aufnahmen fortzuführen; in diesem Falle sollte er sich auf eine Rekognoszi- rung der Gegend, wo der Tunnel auf der atlantischen Seite seinen Anfang zu nehmen hätte, beschränken. Bis zu jenem Termin wa ren es noch zehn Tage, zu wenig, um die Aufnahmen zu Ende zu führen; doch konnte er dieselben noch etwa eine Woche hindurch fortsetzen und sich dann mit einigen auserwählten Leu ten rasch einen Pfad nach der Küste bahnen. Allein im entscheidenden Augenblicke vergaßen die Leute, welche ihn aus dem Depot mit Lebens mitteln zu versorgen hatten, das Wichtigste, den Reis, und in Folge dessen verlor er zwei Tage und erreichte Acanti erst als das Schiff schon wieder die Bucht verlassen hatte. Am 4. Februar Mittags wurde der Tupisa erreicht, dessen Richtung auf zwei bis drei Tage mit derjenigen des Durchhaues zusammenfiel. Der Fluß ist dort sehr breit, kaum geringer an Wassermenge, wie weiter unten, wo der Tiati in ihn mündet; sein Bett mit Geröll erfüllt. Nach weni gen Kilometern indessen ändert er seinen Charakter; sein Thal wird zusehends enger, schroffe Wände schließen ihn ein und verursachen Stromfchnellen und Wasserfälle. Er hat auch Nebenarme, welche damals zwar trocken lagen, zur Regenzeit indessen'viel Wasser führen, und mit entwurzelten Bäumen, sogenannten tranoos, die oft natürliche Brücken Aufnahme im Bette des Tiati.