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co Zonnlags-Kettage Ne. 41 MlEuUer cageblstt>4. io. >SZZ ver Kohrmeitter. Skizze aus dem Leben der Reichsmarine von Frederik Lund, Das Torpedoboot „6 9" lag mit der Halbflottille an der Blücherbrücke in Kiel. Leise dümpelte das Boot in dem schwachen Seegang, während die Wellen klatschend an die Psähle schlugen. Soeben trat der Kommandant landfertig an Deck und ging auf die Stelling zu, die das Boot von der Brücke trennte. Da wandte er sich plötzlich um und befahl einem dienstfreien Mann, der sich leise mit einem Kameraden unterhielt, den Rohrmeister kommen zu lassen. Es dauerte eine Weile, bis dieser erschien. Inzwischen zog sich der junge Offizier langsam die braunen Handschuhe an, während er den Blick über den malerischen Jachthafen und die Anlagen des nahen Restaurants schweifen ließ. Er dachte an das, was er dem Rohrmeister sagen wollte. Einer seiner zuverlässigsten Unteroffiziere, bei Offizier und Untergebenen gleich beliebt, schien er in der letzten Zeit wie ausgewechselt. Immer war Nohrmeister Kleiner der Lustigste an Bord gewesen, slott im Auftreten und gewissenhaft im Dienst; jetzt blieb er schweig sam und zog sich von allen Kameraden zurück. Als der Rohrmeister an Deck kam, winkte Kapitänleutnant Rotter ihn zu sich ans Heck. „Herr Kapitänleutnant haben be fohlen?" — „Nicht fo dienstlich, Kleiner — ich habe privatim mit Ihnen zu reden. Bitte, stehen Sie bequem!" Und dann sprach er in ernsten Worten auf den Unteroffizier ein: „Sehen Sie, Kleiner", schloß er, „gerade weil Sie sonst der tüchtigste Soldat an Bord waren und wir Sie alle wegen Ihres offenen Wesens schätzten, rede ich mit Ihnen. Wenn Sie etwas auf dem Herzen haben, so sagen Sie es mir oder, wenn Sie zu ihm mehr Vertrauen haben, sprechen Sie sich mit Oberleutnant Boltz aus. In unserem kleinen Kreise hier an Bord sind wir alle aufeinander angewiesen." Kleiner kämpfte einen Augenblick mit sich, dann sagte er: „Ich danke Herrn Kapitänleutnant sür die freundlichen Worte. Ich will auch offen sprechen. Es handelt sich nämlich um meine Frau, die ihrer schweren Stunde entgegengeht und die sehr kränklich ist. Selbst die Acrztc haben Bedenken, ob alles glatt verläuft. Die Frieda ist ein sehr tapferes Menschenkind und läßt sich nichts anmerken. Aber ich weiß, um was es geht. Und nun fällt die schwere Stunde gerade in die Zeit der Uebungen, die übermorgen anfangen." „Aber, Kleiner", rief der Kommandant, „weshalb haben Sie das nicht gleich gesagt? Da hätten wir doch schnell Ab hilfe geschaffen. Sie nehmen eben jetzt Ihren Urlaub." Der Rohrmeister fiel seinem Vorgesetzten fast ms Wort und es klang wie ein leiser Vorwurf: „Aber Herr Kapitän, jetzt auf Urlaub? Wo alles drauf ankommt, daß wir gut ab schneiden. Und wenn Herr Kapitän mich abkommandieren, ich glaube, ich käme heimlich wieder an Bord." „Recht so, Rohrmeister", bekräftigte der Offizier und er griff die Hand des Wackeren, „erst der Dienst und dann das eigene Ich. Aber wir werden Rat schaffen. Zunächst stecken wir Ihre kleine Frau ins Lazarett und vertrauen sie der Ob hut des Chefarztes an. Und dann werden wir einen Weg finden, daß wir sofort Nachricht bekommen, wenn das Kind da ist. Aber eins bitte ich mir jetzt schon aus: Wenn es ein Junge wird, kommt er zur Reichsmarine. Verstanden?" Nohrmeister Kleiner knallte die Hacken zusammen und ging wieder unter Deck. Die Aussprache hatte ihn erleichtert. Der Kommandant aber, der eigentlich einen Kameraden besuchen wollte, ging zum Lazarett und ließ sich trotz der Abendstunde dem Chefarzt melden. Er brauchte nicht lange zu warten, und xs bedurfte auch nur weniger Worte, um das Notwendige zu veranlassen. Man vereinbarte, daß funkentele graphisch Nachricht an Bord gehen solle. Auch für den Fall eines schlimmen Ausgangs erbat der Kapitän Bescheid, damit er seinem pflichtgetreuen Untergebenen selbst die bittere Nach richt beibringen könne. Dann suchte er die Wohnung des jungen Ehepaares auf, um auch der werdenden Mutter Trost zuzusbrechen. Doch das war kaum nötig. Er fand Mar eine zarte Frau vor, mit bleichen Zügen und tief umschattetest! Augen, aber sie war in der Vorfreude auf das Kind tapfer und gefaßt. „Es ist nur das dumme Herz, das durchhalten muß, Herr Kapitänleutnant", sagte sie, „doch ich denke an meinen Mairn, und es wird schon gehen. Und ein Junge wirds auf alle Fälle." i „Tapfere kleine Frau!" sagte der Offizier zu sich selbst^ während er das Haustor durchschritt. „Solche Frauen und; Mütter braucht die Marine, braucht das ganze Volk. Dann! ist mir um die Zukunft nicht bange!" — j Fünf Tage waren die leichten Streitkräfte der Ostsee--! station bereits auf hoher See. Tagsüber wurden Fahrtübungen im Verbände und Angriffe «unternommen, nachts Torpedo-- bootsüberfälle auf die Kreuzer geübt. Nur einen Ruhetag; gab es, der brachte das Boot „O 9" nach Warnemünde. Ein! Telephongespräch mit Kiel konnte den jungen Unteroffizier leidlich beruhigen; seine Frau lag im Krankenhaus und sah noch immer der entscheidenden Stunde entgegen. Sie war! Wohl versorgt; das Menschenmögliche würde geschehen, um> Mutter und Kind zu retten. Mit dieser Gewißheit konnte- Rohrmeister Kleiner das Postamt verlassen. Auch der Kom mandant hatte heimlich mit dem Lazarett telephoniert, aber einen weniger tröstlichen Bescheid erhalten. Der Chefarzt verhehlte dem Offizier nicht die vorhandenen Bedenken. Der Offizier fühlte und dachte mit seinen Leuten; es war ihm beinahe, als bange er um das Leben eines verwandten Men schen, einen so tiefen Eindruck hatte die junge Ehefrau in ihrer Tapferkeit und ihrem unerschütterlichen Glauben auf ihn gemacht. Aber was half es? Der Dienst verbot jede Weichheit, und so sah der Verantwortliche Führer des Bootes und seiner Besatzung die beste Medizin darin, den Nohr-! meister, dem die Torpedowaffe als Lebensnerv des Zerstörers unterstand, besonders stramm heranzunehmen. Sonst hättei er ihn wahrhaftig von Warnemünde aus in die Heimat geschickt.! Am fünsten Tage der Uebungen wurde es besonders hart. Der Führer der leichten Streitkräfte hatte sich auf „6 9" ein geschifft, um die Tagangriffe auf das Gros der Flotte, die Linienschiffe, aus nächster Nähe, zu verfolgen. Diese waren soeben auf der Höhe von Fehmarn gesichtet und funken- telegraphisch gemeldet worden. Viel, wenn nicht alles, hing von dem Gelingen des Angriffs ab, denn die Uebungen sollten das Offizierskorps auf die Probe stellen. Nur die Besten der Besten konnte man in den zahlenmäßig schwachen, aber dem Geist nach musterhaften Streitkräften der Reichsmarine ver wenden. Die alljährlichen Fahrten und Uebungen im Ver bände waren die „Majorsecke" für die Kommandanten der Boote, von dem Urteil des Admirals hing es ab, ob die jungen! Torpedobootsoffiziere bei der Waffe blieben, zu der es jeden! echten Seemann drängte, ob sie wieder auf ein „dickes Schiff"! kamen oder ob sie bei der nächsten Siebung ein Laudkommando erhielten, um schließlich mit dem Charakter als Stabsoffizier verabschiedet zu werden. Auch jeder Mann an Bord wußte,! worum es ging, besonders auf „6 9", dessen Kommandant in der Beförderung an der Reihe war. Das Boot stand im Mittelpunkt des Interesses, und es war eine besondere-Ehre,! den Befehlshaber an Bord zu wissen und die Flagge des Konteradmirals neben dem Kommandowimpel und dem Zeichen des Flottillenführers im Vormast zu führen. Rohrmeister Kleiner stand wie aus Stein gemeißelt auf seinem Posten, das Glas an den Augen, um nach dem Gegner zu spähen. Seine Leute vertrauten ihm blindlings, zumal Kleiner seit dem Auslaufen aus Kiel wieder der Alte zu sein schien. Auch der Kapitän warf hin und wieder einen Blick auf den Unteroffizier und hatte dabei ein Gefühl der Sicher heit. Schon tönte es von dem Leitstand auf die Brücke: »Ach tung! 10 Strich backbord voraus Rauchwolken in Sicht."! Kurz darauf: „Achtung! Feindliche Kriegsschiffe in Sicht.! Drei Linienschiffe im Kurs auf die däwül-w Küste." Alles