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(Nachdruck oer boten) Du lächelte herb. „Herta ist schon lange un- was delt wie den." Irene und Habs frei nach dem großen Vorbild folgt in mei Tagebuch geschriehm: „D er Winter is ehn schlechter Mann, Nich fest und ohne Hauer, Sein Fleesch fiehlt sich wie Pabbe an And schmeckt nich sieh noch sauer. so. Du hast es nur noch nicht bemerkt." Er ging unruhig auf und ab. „Ich werde Überhaupt nicht klug in der ganzen Sache. Edgar sprach gestern in einem Ton von seiner Frau, der alles andere eher als Liebe oder dergleichen zeigte. Ich glaube, er hat sich doch mit der ganzen Heirat verkracht. Irene, du nimmst es mir nicht übel, Herta ist zwar deine Schwester, aber sie »st Unbedingt nicht das rechte Weib für Edgar." War je ehn Mann so labbch wie er? Nee sowas gabs noch nimmer! Ihm kam gewiß ewas derquer, Von Trad'tchon had er kehn Schimmer. Mid Blumen und mid Vogelsang Tut er de Zeid vermähren. Nu bring bloß bald nen andern Klang, Sonst tannste noch was hären! Es is doch wärklich wahr, mer weeß gar nich, was mer ze Weihnachten öffn Tisch legen soll. Meiner Rohsa habch den Pelz färbn lassen und bei den Wedder schwärmt die «chal von Sommerschdrimben und Spitzenkleedern. Mein Enkel habch de Schlittschuh nei entrosten lassen. Was soll der Nu mid den Dingern anfang, schließlich mußch noch paar Rädeln nanmachen lassen, damid der se wenigstens als Roller benutzen kann. Es tut ehn wärklich leid, wenn mer in den Schaufenstern von den Schokoladen geschäften die vieln Weihnachtsmänner sieht, diede bei der Temperatur das heilende Elend kriechen und in sich zesammloofen wie de Brat- äbbeln öffn Ofen. Es fehlt bloß noch, daß die Wagen mid den Kunsteis noch off den Schdra- ßen rumgefahrn wern, da wär wenigstens de Veralberei komblett. Am meisten frein sich de Gänse, die tun so, als dädn die Jahreszeit ieberhaupt nischd angehn. Aber desderwegen wern se doch in de Pfanne komm. Ich hab meine schon geruppt und off Eis gelegt, damid die wenigstens noch korz vor ihrn Braten was von Winter verschbiert, Wiech die von mein Bauer gekooft hab, habch ehn feines Ding erlebt. Da kam ehn feuner Mann zu den Bauer und wolltn anscheinend ehn bissel uzen. Er fragte nach den und jenen und sagte off ehnmal: „Hörn Se, gutester Mann, wenn Ihre vier Kälber 360 Pfund wiegen, was wiegt dann ein ganzer Ochse?" Da gucktn der Bauer an und sagte gans trocken: „Schdelln Se sich nur mal off de Waage, da wer ichs Ihn sagen!" Der had sich aber nich draufgestellt, sondern is gedürmt. Der Bauer had mir ge- falln und ich habn dein Abschied dasselbe frohe Weihnachtsfest gewinschd, das ich jetzt ooch allen meinen Fremden winsche. Ferchdegodd Schdrammbach. gerchdegodd Schdrammbach am Schdammdlsch Meine Härrn! Nu is es so weid, daß mer ooch mid den letzten Vorbereitungen fiersch liebe Weihnachts fest sertch sein muß. De Hausfraun Hamm de Wohnungen wieder von unden bis ahm umge- schderzt, sis alles rehne gemacht, de frisch ge- waschnen Gardien häng an den Fenstern, das Messingzeich is geputzt, den Kindern sind de Haare und de Fingernägel geschnitten worden und der Hund is ooch geschorn. Wenn mer freilich nach der Natur gehn wirken, da mißte mer annehm, daß die Weihnachten Heier wegen Mangel an Schnee und Frost ausfaUn lassen had und daß mer gleich Ostern feiern. Rings um grient alles und vieles blieht sogar in schehnster Pracht. Sogar de Bänke in den Anlagen sind ahmds poch gut besucht, sis der rehnste Dezember im Mai. Ich hab schon das bekannte Wintergedicht von Claudius ümgemo- Jrene nickte nur. Sie wußte das Mes ja schon lange, viel besser als er. Bald nachdem Quistorp gegangen war, trat Herta in einem duftigen Mvrgenklekd ein. Hel ler begrüßte sie Irene. „War Quistorp schon da?" „Ja, Herta, auch der Professor." „So, so. — Es ist feines Wetter heute. Hoffentlich kommt von Trebesch am Nachmft- L!» Ai?»*-»--«!!, «1«?^ «I»« Ter Professor machte sich zum Gehen fertig. Er trat jetzt zu Hollinger und reichte ihm die Hand. „Auf Wiedersehen, Herr HaRnger, folgen Sie genau meinen Anordnungen. Dor allem, strengen Sie mir ja Ihre Augen nicht an." 'Er ging, von Doktor Quistorp gefolgt Der junge Arzt ließ den alten Kollegen alleinj gehen. Er blieb noch bei Irene. Sie sab ihn forschend an. „Nun, was meint der Professor?" „Gott, nicht viel Neues. Er scheint aber sehr wenig an eine Besserung zu glauben. Ich denke, wir werden wohl damit rechnen müssen, daß es immer schlechter wird. Edgar scheint selbst ziemlich seit now an seine Genesung zu glauben. Der arme Kerl. Am meisten schmerzt es ihn, daß er seinen Beruf liegen lassen muß Irene, schau nur zu, daß Herta öfter zu ihm geht. Schläft sie denN noch immer? Sie ist wirklich recht sMsam gewor- tag. Wir könnten dann spazierengehen, begleitest uns doch?" Irene sagte erregt: „Du bist wirklich begreifl-üb, Herta. Anstatt daß du fragst, Vie beiden kden"»««! des kügar Williger Roman von Kurt Marlin Oop^rixkt bv Verlag Neues Leben, Bayr. Gmain „Meinethalben, wenn du es so nennen wMft. Aster jetzt laß mich damit in Ruhe, ja? Warst du schon bei Edgar?" „Nein, er hat Mich nicht verlangt. Zuerst ist es wohl dein Recht und deine Pflicht, zu ihm zu gehen." „Na ja, wenn Trebesch kommt, geh« ich mal mit zu ihm. Allein bringst du mich nicht oft hinein, das sage ich dir. Er verdirbt mir ja immer meine gute Laune." Irene lachte bitter. „Das ist dir ja stets die Hauptsache. Du brauchst aber gar nicht zu ihm hinein jetzt. Wir treffen ja dann mit ihm zusammen. Die Mahlzeiten nehmen wir doch wie immer gemeinsam ein, da siehst du ihn ja in einer Stunde. Vielleicht schläft er jetzt sogar, und du würdest ihn nur stören." Herta dachte schon wieder an anderes. „Du, also wie steht's, gehst du mit, wenn Trebesch kommt?" Irene schüttelte den Kopf. „Nein, du hast doch gehört, wie mein Verlobter gestern den Baron schilderte. Ich denke, er wird ohne Grund nicht so gesprochen haben. Da werd« ich mich lieber von Trebesch fernhaNen." Herta lachte. „Na, meinetwegen. Mer ich lasse mir deswegen seine GesMschaft nicht ent ziehen. Außerdem, du siehst ja, Edgar hat nichts dagegen. >Er kennt Trebesch doch auch. Und wenn mein Mann nichts einzuwenden hat bei unserem Verkehr, dann lasse ich mich von euch auch nicht stören. Jemanden muß ich doch haben, der mich unterhält. Quistorp hat jetzt eine große Praxis und wenig Zeit, und diese widmet er auch dir. Da bin ich froh, den Baron zu haben. Wenn Edgar den ganzen Winter so daheim sitzen muß, brauch« ich doch einen Kavalier Ich kann doch nicht etwa ebenfalls daheimsitzen. Da wäre ich doch lieber geblietbentz was ich war, die Herta MMer, da hatte ich's doch besser." Iren« antwortete nichts darauf. Nach kurzem Schweigen trat sie vor die Schwester. der Professor festgesteRt hat, fängst du von diesem Menschen an zu reden.' Herta lachte sie vergnügt an. „Aber, Irene, willst du Mir vielleicht schon, wieder meine gut« Laune verderben? Das gelingt euch allen heute nicht. Mein Gott, das ist doch nicht schlimm, wenn ich einmal danach zu fragen vergesse. Der ante Professor wird wohl das selbe gesagt haben wie alle anderen vor Dm. Es läuft doch immer auf dasselbe hinaus. Sie vertrösten ihn affe, während sie doch sicher wissen, daß es keine Hilfe gibt." Irene ergriff hart Hre Hand. „Du sollst nicht so reden. Mußt du als Edgars Frau nicht am ehesten an eine Heilung glauben? Es liegt doch in deinem eigenen Interesse" ' Herta entzog ihr ihre Hand und schritt langsam hin und her. „Ja doch, was wird es mir aber helfen, wenn er gesund wird? Dann hat er wieder sein« Arbeit, und ich bin wieder diejenige, um die er sich am wenigsten kümmert." „Herta, das ist nicht wahr. Edgar hat dir doch voriges Jahr gerade genügend Zeit ge opfert, dächte ich." „Aber lange nicht so viel, als ich erwartete. Ich ahnte nicht, daß unsere Ebe so langweilig werden würde, wahrhaftig mM." Iren« ^ah mißmutig zu ihr hin. „Du bist „Herta, wenn Edgar dann mit der Schwester zum Essen kommt, sei bitte recht lieb zu ihm, rede von Nebensächlichem, nicht von seinem Leiden. Er soll aufgeheitert werden, hat der Professor gesagt. Wir wollen seinen Wunsch erfüllen." „Gewiß, gern. Aber, was hast du nur für eine große Sorge um Edgar? Ter ist doch mein Mann. Wozu beschäftigst du dich denn so mit ihm?" Irene errötete leicht. „Weil er krank ist und der Aufmerksamkeit in doppeltem Maße bedarf." „Aber du hast doch Quistorp; ich dächte, da fändest du gar keine Zeit, an Edgar zu denken." Irene lächelte. „Soll ich denn den ganzen Tag weiter nichts tun, als an meinen Ver lobten denken? Nern, das wäre nicht recht, das verlangt der auch gar nicht. Und äks Gast in eurem Hause ist das doch zuerst mein« Pflicht, mich um euer Wohl zu kümmern." Herta nickte. „Jetzt will ich mich aber an» ziehen. Es ist ja bald Mittagszeit." RostH eilte sie hinaus. Iren« Möller schritt wartend im Eßzimmer auf und ab. Herta schien noch immer nicht mit dem Ankleiden fertig zu sein. Wenn si« doch käme! Schwester Adele konnte jeden Augenblick mit dem Kranken emtreten. Ta wäre sie lieber nick/ allein gewesen. Eine Tür wurde geöffnet. Sie scharrt« sich um. Hallinger trat, von der Schwester ge führt, langsam ein. ! Irene zwang ihre aufsteigend« Erregung Nieder. Sie ging auf ihn zu und reicht« ihm di« Hand. „Giften Tag, Edgar, wie fühlst du dich?" s Er ergriff sichtlich ruhig ihrs Hand. „Gu- ten Tag, Irene, ich danke, es geht mir ganz aut." Mrlsitzung folgt.) liorsnboür kockolc sbobekolm) Irotrlä KogovovviNck Mische Führer des volschewismus Kaganowitsch, von Stalin — Lamd der Laser Moissejewitsch — er herrschen über das Zaren. Laser Moissejewitsch ist und er ist der Stellvertreter Ihr seht, es W gut, einen Mann an entscheidender Stelle zu haben..." Und es wurde mir da von Kommunisten erzählt, was für „a kluger Köpp", was für ein Weiser Laser Moissejewitsch ist, wie praktisch er ist — er spricht kein unnützes Wort — und wie intelligent er ist — und wie geradlinig er den Weg von Marx, Le nin und Stalin einhält. Ich glaube auch, daß er sicher der wahre Kronprinz ist. Jetzt, zum Beispiel, ist Stalin auf Urlaub; er nimmt Bäder unweit von Sotschi, einer Stadt im Kaukasus, und er wohnt dort in einem besonderen Häuschen im Walde. Wenn Stalin auf Erholung ist, ruht er sich aus will er von keiner Angelegenheit was wissen. Wer ist an der Stelle von Sta lin? Laser Moissejewitsch. Da hat gerade eine*Parade von Kriegs flugzeugen stattgefunden — wer hat auf der Parade Stalins Platz eingenommen? Laser Moissejewitsch. Da hat ein Schriftsteller-Kongreß stattge funden — wer hat für die ausländischen Schriftsteller mit Gorki an der Spitze ein Bankett gegeben? Wieder einmal Laser Moissejewitsch. Und da ist Laser Moissejewitsch in Odessa gewesen, und man hat ihn empfangen, als wenn Stalin kommt, alles hat sich in Partei- kreisen abgespielt, ohne großes Aufsehen, wie Stalin es liebt. Die Kaganowitschs stammen aus Rabno, einem Städtchen des Kiewer Gouverne ments. Der Tatte (Vater) ist gewesen ein Inspektor auf dem Gut eines Adligen. Der Tatte ist schon lange tot. Die Mamme fährt Stalin weg, so nimmt er besten Platz ein. Laser wird Stalins Nachfolger sein — dieses hat mir ein Jude versichert, der nicht mehr und nicht weniger ist als Kagano witschs Schwager. Der Schwager von Kaganowitsch selbst ist auch nicht irgendwer, er ist Kommunist von hohem Parteirang, obgleich er kein hohes Amt einnimmt. Wir haben uns zufällig auf einem „Kolchos" getroffen und lang« über die Mifchpoche (Familie) Kaganowitsch geschmust. witsch! Er ist ein großer Mensch, dieser wird einst Jiddische Bekenntnisse Das führende jiddische Organ Osteuropas, die Warschauer Zeitung „Moment", vom 13. November 1934, Nr. 260 6, enthält fol gende offenherzige Darstellung, die wir dem Nachrichtendienst der „Antikomintern", Ber lin NW 40, entnehmen. „Laser Moissejewitsch Kaganowitsch — Stalins rechte Hand. Der Mitarbeiter der New-Yorker jüdi schen Zeitung „Tog" (der Tag), B. Z. Gold berg, der sich zur Zeit auf einer Reise durch die Räteunion befindet, gibt folgende Charakteristik des Juden Kaganowitsch, des Stellvertreters von Stalin. „Merkt euch den Namen und nehmt ihn in eurem Gedächtnis auf: Laser Moisteje- (Mutter) ist erst unlängst verstorben, fle war eine einfache Jüdin, die noch in der Syn agoge zu beten pflegte; beerdigt hat man sie — wie man mir in Kiew erzählt hat, ich bin dieser Sache aber nicht ganz sicher — nicht auf dem jüdischen Friedhof, sondern im Marinski-Park, wo die Helden der Revolu tion liegen. Es gibt vier Brüder und drei Schwestern Kaganowitsch. Einer der Brüder ist Laser Moissejewitsch, der Sekretär des Zentralkomitees der Partei und Stellver treter Stalins. Ein zweiter Bruder ist Gehilfe von Ordschonikidse, dem Kommis sar für Schwerindustrie — eine der aller wichtigsten Kommistarstellen der Sowjet union. Kaganowitsch ist Ordschonikidses Stellvertreter. Ein dritter Bruder Kaganowitsch ist Sekretär des Eebietskomi- tees der Partei in Nischni-Nowgorod — d. h. für die Gegend von Nischni-Nowgorod, heute heißt es Gorki. Der vierte Bru der hat die Verwaltung von 50 Lebens mittelhandlungen in Kiew unter sich. Die Schwestern von Kaganowitfch sind verheiratet. Eine wohnt in Moskau, zwei in Kiew. Laser Moissejewitsch ist 43 Jahre alt. Seine Tochter, die jetzt 21 wird, ist jetzt Stalins Frau. Soweit die Mischpoche-Angelegenheiten. Worin liegt Kaganowitschs Größe? Ein großer Gelehrter ist er nicht, obgleich er keineswegs so ungebildet ist, wie man es sich vorstellt. Er ist ein Flickschuster gewe- süprtein) Xuibvrcbsw len, aber er hat auch nebenbei sich fortge» bildet und die Hauptsache ist: er kennt Marx, Engels und Lenin. Ein großer Redner ist er auch nicht, ob» gleich er nicht schlecht spricht: klar, laut und zur Sache. Ein Schriftsteller ist er auch nichts Was ist er denn? Er ist ein guter Organisator wie Stalin, und die Hauptsache: er steht fest wie eine Mauer zu der Partei, und die Partei ist allemal gerecht. Er hat auf seinem Gewissen keine Links- oder Rechtsabirrung. Das, was Stalin, das ist Marx — so hat mir kategorisch erklärt Kaganowitschs Schwager, und Kaganowitsch geht streng in den Fußtapfen von Stalin. Als der ukrainische Nationalismus aus» gekommen ist — die Skrypnik-Affäre — und man hat feststellen müssen, daß die komm»» nistische Partei in der Ukraine stark chauvi« niftifch-ukrainisch ist, sogar die Ukraine von Moskau loszutrennen beabsichtigte, hat man Kaganowitsch geschickt, die ukrainische Partei umzubauen, und er hat sie umgebaut. Er kann das, er ist in den allerschlimmsten Jahren ein Mitglied der „Tscheka" gewesen. Und er ist „gut zu Juden" — Laser Mois» sejewitsch: als man die Rabnoer Synagoge Mießen wollte, find Rabnoer Juden zu Kaganowitsch gekommen, die Sache „ab schreien", da hat er sie empfangen und ihnen noch drei Jahre Zeit gegeben, in der Syn agoge zu beten.