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„Dort — hinter dem Wald, Herr Nauroth! Das muß doch Schwedenschanze sein?" „Schwedenschanze? Herrschaften, das ist näher — was kann das sein? Das ist — das Fyrsthansü" er tat einen pfeifende» Atemzug. „Harms! Hahler ist mit seinen Leuten im Talsperren gebiet! Ein Mann nach Frankenhof — ein Mann zu Hahler. Mit der Hälfte der Leute kommen Sie mir nach, was die Lungen ArgÄen wollen! Ich reite voran!" Zwischen den Baracken schossen schon Bäche, als Ka simirs Widerstand mit den Sporen gebrochen wurde. Dieser Ritt! Da» zitternde Tier glitt aus in Lehm und Pfützen — während der Zügel es immer wieder Hochriß, drängten Schenkel und Sporen zu neuem, verzweifeltem Galopp . . Lichterloh brannte das Forsthaus! Als Nauroth sich aus dem Sattel schwang und in fähem Absprung strauchelte, hörte er die Glocken aus dem Tale ängstlich und hastig. rufen: Sturm! Rot! Gefahr! Hilfe! Und Annemis Stimme klang in iwn auf: „wenn's einmal langt, kommen Sie bitte zur Mutter. . . Die Haustüre war verschlossen! Er warf sich mit der ganzen Wucht des Köchers dagegen — einmal, zweimal — sie wich nicht Er ritz das Brett von der Bank am Hause, daß sich seine Gelenke stauchten — schmiß ein Fenster ein samt dem Kreuz, taumelte zurück, von einer glühenden Wolke angefallen — dann quoll schwarzer Rauch und drohte ihn zu ersticken. Da, waren das nicht Schreie? Unmenschliche Schreie, im Stürzen der Balken, da Prasseln der Flammen? Er schlug sich mit den Händen gegen dk Brust: „Ruche! Nauroth! Jäger! Ruhe!" schrie er sich zu auch wußte cs nicht. Jetzt hörte er — das Lieh brüllt an den Ketten. Ein Blick zu» Stallflüael. Der hielt noch aus No war das Zimmer der Frau Hahler? Den Gang entlang — wie war der Blick aus dem Fenster gewesen? Ls lag auf der anderen Seite! Er stürzte um das Haus. Wieder brach ein Fenster unter seinen Schlägen — hier mußte es sein. Es gab nicht mehr zu überlegen — ein Sprang! Netzender Qualm, sengende Hitze, brechendes Ge bälk! Er warf sich instinviv zu Boden, kroch einer Tür m. Dort drdmen mutzte Fra» Hahler sein. Er schrie — keine Antwort Schon batte er die Schwelle erreicht — da — höhnisches, zerreißendes Knistern hinter ihm sank die Decke nieder, sekundenlang fühlte er sich au den Boden gepreßt — dann gelang es ihm, sich mit un- »euschlicher Anstrengung zu einer hockenden Stellung zu erheben. Er glitt wieder zu Boden, das Holzgewirr der Dme hatte sich an der Wand geflaut — er kroch über die Schwelle — spürte rasenden Schmerz in der Brust — Frau Hahler lag ohnmächtig in ihrem Stuhl, mit ver krampften Händen, angstverzerrtem Gesicht. Nauroth ver suchte mit fliegenden Gliedern die Fenster auszuheben, — «» gelang ihm nicht. Mein Gott, es ging auch hier um Sekunden! Knistern und Prasseln im Gebälk — Bilder schossen von der Wand, der große Spiegel schlug berstend zu Boden — die Decke klaffte auf — dunkle Rauchschwaden sanken, und wie immer, wenn neuer Luftzug kam, heulten die Flammen auf. — Mit einem Stuhl schlug Nauroth das Fenflerkreuz Unaur. — Konnten die Leute schon heran sein? Er schrie mit gellender Stimme: „Harms! Harms!" Seine Kräfte wollten nicht mehr reichen, die Frau über den Fenster sims zu Heven. Da bog Kasimir um die Ecke, der Sattel war schief gerutscht, das Zaumzeug schleifte am Boden — er warf den Kopf aus und wieherte — es klang, als wenn ein Mensch um Hilfe schrie. Mit einer lebten Anstrengung brachte Nauroth seine Last ins Freie. Einen Augenblick lag er erschöpft neben der hingeflreckten Frau — der Regen brauste. Waren Sekunden vergangen, Minuten, Stunden? Dann stolperte er mit seiner Last über den Hof — der abseits stehenden Scheune zu. Die Frau konnte sich sonst den Tod holen . . . Da» Vieh brüllte in verzweifelter Angst. Herrgott, kam denn niemand? Schnell bettete er die Frau auf Stroh. Seine Brust schmerzte, in seinen Ohren Hub ein wildes Sausen an, Schwindel überfiel ihn. Ja — sich aus strecken — ausruhen — aber das Vieh! Ein unartikulierter Schrei neben ihm. Er fuhr auf. Schreckgeweitet die Augen der Frau — ein qualvolles Ringen der Lippen: „Ursel", dann sank sie jäh wieder zurück. Nauroth taumelte hoch, — wie hatte er das vergesse» können! Die alte Magd! Herr, hilf mir — wo ist sie? Er riß sich den Kragen auf — der spritzende Regen er munterte ihn. Da — Hufschläge — Kasimir? Ja — und Harms im Sattel! Guter, tüchtiger Kasimir . . . „Herr von Nauroth — die Leute sind gleich heran — »r MnMs^n" Er oerstummte mit entsetztem Bl-ck. Der Leutnant! Haare und Kleider versengt — Gesicht und Hände schwarz und blutig . . . „Harms — die Fra« habe ich heraus — aber die alte Magd muß noch im Hause sein. Lassen Sie schnell das Vieh von den Ketten!" ' Harms sprang dem Stall zu — drehte plötzlich auf dem Absatz. Vor einer Fensterhöhle des Hauses warf er sich dem Leutnant in den Weg — faßte zu — und hielt ihn fest. „In dieses Haus kann niemand mehr", bat er. „Sind Sie verrückt, Harms? Lassen Sie los!" Nauroths Augen glühten. Harms wurde blaß bis in die Lippen — aber er lockerte keinen Muskel. , „Lassen Sie los!" schrie Nauroth außer sich. „Schlagen Sie mir die Faust ins Gesicht! Ich lasse nicht los — eher würge ich Sie zu Boden! Ich bin stärker als Sie!!" Ein wildes Aufschluchzen zerbrach die Stimme des Mannes. „Wir wollen treu, fleißig und gehorsam sein..." Da — ein Beben ging durch das Haus, das mit starken Außenmauern trotzte. Zerreißendes, zerbrechendes Ge räusch — dounerähnliches, dumpfes Getöse! Decken, Böden und Wände mußten niedergestürzt sein. Airs den Fenster- Höhlen schossen schwarze Rauchfontanen Der Dach stuhl schwankte, bog sich wie Pappe nach innen — tosendes Niederbrechen — Flammen züngelten hoch auf — einer Pinie gleich hob sich ein dunkler Rauchkegel — wuchs und wuchs . . . zischend aber packte der unvermindert strömende Regen nun das Feuer. Da ließ Harms seinen Leutnant los und sagte mit bittendem Lächeln: „Sie müssen mir schon verzeihen . ." „Alter Harms", sagte Nauroth und lehnte eine Sekunde den Kops an die Schulter des Getreuen, „mir hätte es nichts ausgemacht." „Aber mir — und «ns allen, Herr Nauroth", sagte Harms, „Sie müssen auch an «ns denken und an den Kasimir!" Da reckte sich Nauroth kn den Schultern. „Zum Stall, Harms, es ist noch Zeit! Der alten Ursel die ewige Ruh' . . — Die Siedler waren heran. Das Vieh wurde in die Scheune getrieben, — sachkundige Männer bezwangen die störrische Angst der Tiere. Noch tobte das Wetter unvermindert, da traf Hahler mit einigen Leuten ein. Er stand einen Augenblick mit keuchender Brust vor den Mauern seines Hauses, dann strebte er der Scheune zu. Harms ging ihm entgegen und erklärte mit wenigen Worten das nötigste. „Herr von Nauroth", sagte Hahler nur, „das vergelt Ihnen Gott, ein Mensch kann das nicht. Aber was er kann, Herr von Nauroth . . .!" seine Augen schworen. „Später, lieber Herr Hahler, jetzt sagen Sie schnell, was es Mt überall. . .?" Jor '-.alsperrengebiet hatte die Windhose eine breit- klafftnks Schneise durch den Wald geschlagen, daß jeder sähe, Mowrbaumsägen seien nichts gegen Gottes Hand, — und eid. Wolkenbruch hatte sie niedergerissen, wie ihn die Gegend seit Jahrzehnten nicht erlebt hatte. Ob und wftwkel Menschen es getroffen, wisse er nicht, aber daß im T«! große Not herrsche, sei gewiß . . . N-unoth richtete sich auf, unterdrückte Schmerzen. T» k^ng Motorenrauschen aus der Richtung Schweden- schasfL Der neue, starke Schnellastwagen kämpfte sich hermr. Motor heulte auf, wenn die Räder rutschten — aöor »m neuen Kuppeln packte der Wagen wieder ein ASck Weg. Wasser und Dreck spritzten hochauf . . . „Mit fünf Mann zur Stelle, mehr kann Schweden- schanze nicht ab geb 4». Wir haben das Feuer gesehen und konnten nicht gleich weg. Die Fichtelnab ist ganz närrisch. Da» neue Werk ist bedroht, aber es wird geschafft . . .", mesi-E Patschke. Im Hof aber stand Annemi Hahler mir einem schneeweißen Gesicht und zitterte am ganzen Leibe. N-ruroth trat schnell zu ihr. .Leine Angst um die Mutter, Fräulein Annemi. Nur die Rrsel konnten wir nicht mehr retten . . ." sagte er traun». „Wr sind doch verbrannt und verwundet!" schrie sie leise auf, „es muß doch ein Arzt her — ach, Herr von Nau roch . . ." Schluchzen erstickte ihre Stimme. „Ak steht nur schlimm aus, Fräulein Annemi — wir müsse« ins Tal — gehen Sie zur Mutter. . . Dem Kasimir haben wir alles zu verdanken. Ich muß ihn hier lassen, er w'- -ud blutet ..." Dann kämpfte sich der Lastwagen auf grundlosen Wegen nach Frankenhof durch. Patschke hatte einfach seinen Rock ausgezogen und ihn Nauroth um die Schultern gelegt, ^er Leutnant aefiel ibm aar nicht — unter dem braunen