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Frankenberger Erzähler Unterhaltungsbeilage zum Frankenberger Tageblatt IM Sonntag des 18. November v8rMr8ekillüi8MM Original-Roma« von Otto Hawraneck Copyright by: Lari Duncker Berlag. Berit« W 62 5 Nachdruck verboten. Sie zögert doch einen Augenblick. Er lächelte so son derbar und sah ihr sekundenlang auf den Mund. Sie wollte sich eigentlich Ärgern, aber damit würde sie wohl nicht weiter kommen. „Herr Doktor, ich schätze, daß wir gewissermaßen Kol legen sind, als wir — wir — uns in abhängiger Stel lung befinden. Sie bei Baron Dienhoff und ich bei der Tochter Henry Draakes." „Ich WM gern Ihr Kollege sein", versprach Harat launig-lachend. „Nicht so", bat sie und machte ernste Auge», „bitte, wie stehen Sie zu Baron Dienhoff?" 1 „Wir sind Freunde", sagte er und behielt sein Lächeln bei, „aber neuerdings stehe ich auch in seinen Diensten." „Ebenso stehe ich zu Evelyn Draake! Ich wollte die Frage an Sie richten, warum Baron Dienhoff abge reist ist?" „Ja", lachte Harat, „wenn ich ehrlich sein soll, das weiß ich eigentlich auch nicht." Mein Gott, empörte sich Traude, diese Männer. Me bockbeinig und ungeschickt — konnte dieser liebenswürdig lächelnde — Lümmel! — ihr nicht etwas entgegenkom men? Also weiter. „Hat er nicht von Fräulein Draake zu Ihnen ge sprochen?" „Nein, meine Gnädigste", bedauerte er aufrichtig. Plötz lich fiel ihm ein — das ist natürlich die blonde Fürstin. Er wollte der armen Kleinen den Gefallen tun! Darum ging es.also! „Das heißt, wenn Sie die blonde Dame meinen — er sagte etwas, daß sie einer — Jugendliebe sehr ähnlich sähe..." „Sie ist es doch!" sagte Traude erregt. „Ach!" wunderte sich Harat, „was machen wir denn da?" — Sie sah ihn mißtrauisch an. Er gefiel ihr gut, aber er nahm alles nicht ernst — sicher amüsierte er sich köstlich. „Ich bin ohne Auftrag meiner Freundin hier!" stellte sie betont fest. „Ich auch", versicherte er lachend. Sie stampfte leicht mit dein Stöckelschuh. Da erbarmte er sich ihrer. „Also, gitädkgcs Fräulein, ich sehe, Sie wollen etwas für Ihre Freundin tun, und sie soll es nicht wissen. Ich habe Baron DienbLff seit Jahren kaum gesehen und wir hatten in den letztes Tagen während unserer gemein samen Reise kaum Zen zu Privatgesprächen. Es ist mir zu meinem größte» Bedauern nichts von einer Jugend liebe bekannt . . . Wir sind gestern aus Berlin hier an- gekommen und der Baron mußte aus mir nicht bekannten Gründen heute »ach Dresden." „Oh!" atmete Traude auf, „Sie kommen gar nicht aus Frankens hierher?" „Nein — aber wir werden in den nächsten Tagen dahm zurückkehren . . ." Traude Rüland hatte es plötzlich eisig. So gern sie noch um dem Hünen geplaudert hätte — jetzt schnell zu Evelyn. Stelen Dank, Herr Doktor — auf Wiedersehen!" Er be- kaw «me weiche, impusiw- ""nd, die er gerade noch kräftig drücken konnte; dann war das Mädchen auf und davon. Kopfschüttelnd ging er in den Speisesaal zurück. Zwi schen Dlenhoff, Frankenhof und der blonden Dame bestand irgendeine Verbindung. Etwas war dabei aber nicht in Ordnung. Diese plötzliche Reise nach Dresden, na — seine Sorae! Wer die kleine Traude Rüland — ein frischer, tzin^ Kerlchen! Veinerz hatte Anweisung erhalle» M die Herren Dr- Harat und von Nauroth Zimmer vorzubereiten. "Auch Wie- dusch und Urban hatten Befehle, den Wünschen der Herren nachzukommen, Unterkunft für Wagen uud Chauffeur zu schaffen. „Kommt a Bsuch, sans Mannsleut'" stellte die Zül- lichen fest. „Kommt Damenbesuch, rücken Sie au», Zülsichen", spöttelte Reinerz, der sich freute, daß Leben in die Bude kam. Außerdem konnte er gegen Wtebusch austrumpfen, der nicht selten vorüber kam: „so viel sorgen mußt di alleweil, Reinerz, um den großen Haushalt!" Was mußte der von einem Herrschaftsdiener und von Repräsentation! Mußt' sich Müh' geben, wenn er Hochdeutsch sprechen wollt'! Lackel, damischer, immer andere Leut' bei der Falle» haben ... — — .Eigentlich hatte aber die Zülsichen recht — immer kamen Männer nach Frankenhof, seit Jahrzehnten war e» so. Reinerz streifte schmunzelnd die Karte, die er täglich erneut auf den Stoß Zeitungen Plazierte. Bald wird e» anders werden — Automobile werden vor die Rampe rauschen . . . Man wird Haushofmeister werden! Als der Wagen über die letzte Hohe des Weiseritztale» schoß, ließ Harat halten. Ueberrascht sah er ins Tal, stand fast an der gleichen Stelle, wo Evelyn Draake Tage vorher. Nauroth trat zu ihm. Harat pfiff leise durch die Zähne. „Davon, lieber Nauroth, weiß ich nichts. Da unten lag, als ich vor Jahren- ein paar Stunde« hier war, eine alt« Mühle, Weiden standen wie Hutzelmänner am Bach, Bauernfuhrwerke trotteten auf Feldwegen — idyllisch war es! Und nun — ja, bauen denn die Kerle? Das ist! doch Dienhoffscher Boden — kein Wort hat er mir von dieser Buddelei gesagt..." er schüttelte den Kopf. „Das wird eine Straße, domeben — das wird ei« Eisenbahndamm! Dort, vielleicht ein Stationsgebäude. Am Hang — hm! Schotterwerke, Steinbrüche. Allerhand Be trieb, muß man wohl sagen ..meinte Nauroth. „Na, und ob!" staunte Harat und fand keine Erklä- , rung für Wolfs Schweigen über diesen Teil seiner Mobil machung. Das war es — er wollte seine Mitarbeller überraschen! „Nauroth, hier buddelt der Staat, wir bekommen einen Bahnhof vor dvk Nase! Jetzt geht mir eine Leuchtkugel auf, Dienhoff hat das ganze Hintergclände zu diesem Tal. Patschke — geben Sie mal die Katte her! Hier — die Bahn schließt den ganzen Winkel auf, weckt ihn aus seinem beschaulichen Schlaf. Da in der Erde gtbt's Schätze, wenn auch nicht Silber und Gold, — aber Holz in Massen! Wolf hat riesigen Waldbesitz . . ." Der Volkswittschaftler in Harat schlug Purzelbäume. „Du, der Baron ist ein fmnoser Kopf! Jetzt begreife ich besser, warum er ein so tolles Tempo vorlegt! Er will das erschlossene Gebiet selbst bevölkern, will allen mögli chen Spekulationen die Stirn bieten und sich zweifelhafte Elemente fernhalten. Bravo! Da tun wir mit! Wir wollen eine Siedlung errichten, die sich andere zum Vorbild nehmen können. Wir holen uns tüchtige, deutsche Men schen — Gott sei Dank gibt es deren genug . . ." Nauroth war Feuer und Flamme. Unsere alten Frontsoldaten haben jetzt zum großen Teil schon erwachsene Jungens, die wenig gelernt haben, zu mindest aber auch schon arbeitslos sind. Wie wäre es, wen» wir diese zu einer Lehr- und Arbeitsabteilung zusammen schließen würden? Sie lernen Zucht und Ordnung halten« gehorsam und dienstbereit sein. Sie bekommen Löhnung, Verpflegung und Kleidung. Sie werden ausgebildet als Bauer, Handwerker, Holzfäller, Erdarbeiter, Kraftwagen führer und Elektriker. Sie erhalten Anwartschaft auf Grund und Boden, wenn sie . . ." „Gut", lachte Harat, „eine kleine Arbeitsdienstarmee — ich werde das im Gesetzbuch des Frankenhofer Staates vorsehen ..." Die ehemaligen Jäger sahen sich an. Das hieß: Knnen wir uns wirklich noch begeistern — nach allem? Harat schnitt eine freundliche Grimasse. .Allo —.Wir wtzxdL» den Kampf aufnehmen und Um