Volltext Seite (XML)
Das Wandern — nur bedingt als Svort anzusprcchcn — ist heutigen Tages Gemeingut aller geworben. Der dem Men schen innewohnende Wandertrieb, der sich in langen, bitteren Kriegsjahrcn nur kümmerlich zu betätigen vermochte, fordert nun sein Stecht. Neben den Wanderern zu Fuß haben die Wanderradler erheblich an Zahl zugenommcn. Unter Wandern wird in der Regel das Fußwandern verstanden. Der Fußwandercr sieht zwar viele Einzelheiten, die vielleicht dem Nadler entgehen, dafür steht dem Wander fahrer ein ungleich größeres Gebiet offen. Er braucht selbst abgelegene Vergpfade keineswegs zu meiden; denn das Gehen ist mit dem Nadwandern sehr Wohl zu verbinden. So lassen sich denn die vielseitigsten Touren zusammcnstellen. Was als nicht zu unterschätzender Vorteil dieser kombinierten Wander art betrachtet werden kann. Beim Wandersahren gilt das gleiche wie beim Wandern zu Fuß. Man soll die Leistungen nur langsam steigern, den Körper allmählich an die Strapazen gewöhnen, so lange, bis man sie nicht mehr als Last empfindet. Liegt doch gerade in der Überwindung all der natürlichen Schwie rigkeiten der besondere Reiz des Wandcrfahrcns. Für den Wanderradler sind sowohl die Ausrüstung wie auch die Unterbringung des Gepäcks Fragen von allergrößter Wichtigkeit. Was die Ausrüstung betrifft, so wird es Wohl schwer sein, allgemein gültige Siegeln auf zustellen, da die Menschen bekanntlich hrnsichtlich der Ent behrlichkeit oder Unentbehrlichkeit einzelner Dinge eine gar zu verschiedene Meinung besitzen. Eine Regel gilt jedoch für alle: die Ausrüstung muß leicht sein, daher sämtliche Gegen stände ausschlicßen, die der Nadler nicht unbedingt benötigt. Als zweckmäßigste Kleidung seien Jacke und Kniehose empfohlen, die aus grauem oder graugrünem Lodenstoff ge fertigt sind. Die Jacke soll möglichst viel Taschen, auch lm Innern, enthalten. Obwohl das leichte Touristenhcmd sehr angenehm ist, dürfte für längere Reisen die farbige Weste vorzuziehen sein. Sie besitzt den Vorteil, daß man die Uhr bequem unterbringen kann, und enthält obendrein an der In nenseite zwei Taschen, die gut zu verwerten sind. Die Socken ziehe man über die Strumpfschäfte, die unten einen Steg besitzen, um das Hinaufrutschen zu verhüten. Halb hohe Schnürstiefel mit starken Sohlen verdienen den Vorzug vor Halbschuhen oder Sandalen, besonders bei Staub und Regen. Statt der traditionellen Mütze nehme man einen leichten Filzhui mit breitem Rande, der zum Schutze gegen die Sonnenstrahlen heruntcrgezogen werden kann. Un erläßlich ist ein leichter, wasserdichter Lodenmantel, vor erschrocken staunten clie Landarbeiterinnen das sonderbare Gefährt an, das der Schweinfurter Instru mentenmacher Philipp Fischer in den Sechziger Jahren auf seinen Geschäftsreisen benutzte. allen Dingen zum Schutze gegen die abendliche Kühle. Als Material für oie Unterkleidung kommt nur Wolle in Frage, da sie den Schweiß anfsaugt, ohne am Körper anzuklcben. Der Neservevorrat an Unterkleidung und Socken richtet sich nach der Länge der Fahrt. Handelt es sich um eine Tour von mehreren Wochen, bei der in einzelnen Orten ein mehrtägiger Auscnthalt vorgesehen ist, dann nehme man ein langes Betn- kleid mit, um im Bedarfsfall Kniehose und Strumpsschäfte ablcgcn zu können. Nun zum Gepäck. Der Körper so« möglichst wenig belastet sein, die Beine dürfen in ihrer Bewegung nicht be hindert werden. Schon aus diesen Gründen kommen Rucksack und Nahmcntaschc nicht in Frage. Für die Nahmentasche sind unsere heutigen Fahrräder mit ihren engen Lretlurbcllagcrn durchaus ungeeignet. Selbst eine schmale Tasche würde die Beine beim Treten behindern, sie zu einem Treten von außen nach innen zwingen, das schnell ermüdet. Außerdem bildet die Nahmentasche einen störenden Windfang. Noch erheblich unangenehmer ist der Rucksack; er erzeugt aus dem Rücken Wärme und Schweiß, und da man tagsüber dieses Gepäckstück häufig abnimmt, so wiederholt sich der Vorgang der Er wärmung und Erkaltung des Rückens zum Schaden der Ge sundheit. Man bringe zunächst nur so viel Gepäck am Rade unter, wie man etwa für eine Woche dringend braucht. Alles andere, wie Ersatzunterkleidung, Strümpfe, Taschentücher, Karten und Reiseführer, die erst später benötigt werden, lasse man sich postlagernd oder an ein bestimmtes Hotel senden. Alles, was man mit sich führt, befestige man hinten am Sattel und vorn am Rade. Für die Befestigung am Sattel eignen sich die Gegenstände, die erst am Abend in Benutzung genommen werden. Je gründlicher die Vorbereitungen sind, die man trifft, desto genußreicher wird die Wanderfahrt verlaufen. Zuerst entwerfe man einen Neiseplan und lege genau die Strecken fest, die an jedem einzelnen Tag zu durchfahren sind, indes hüte man sich davor, das Tagespensum zu groß zu nehmen, besonders iri gebirgigen Gegenden. Man beachte auch, daß viele Sehenswürdigkeiten in Augenschein genommen werden wollen. Rian bestehe ferner reicht darauf, alles „abradeln" zu Zweckmätzige Meiäung uncl richtiges Gepäck sind die Voraussetzungen einer genußreichen Wanderfahrt. wollen, sondern benutze in Gegenden, die wenig Reiz besitzen, die Eisenbahn. Hat man den Neiseplan genau ausgestellt, dann gebe man sich einem eingehenden Studium der Straßen hin. Man benutze dazu nur neueste Reiseführer und Speziallarten und mache sich schriftliche Notizen, die sich auf der Fahrt stets als sehr nützlich erweisen. Ein solches Studium stellt für den richtigen Wanderfahrer einen Genuß dar, denn es erhöht die Vorsreude auf die Wanderfahrt. Wer sich gründlich vorbereitet, erspart sich außerdem unterwegs lästige Fragereien und versäumt auch keine der Sehenswürdig keiten, die an der zu durchfahrenden Strecke liegen. Recht schwierig ist in der Regel die Wahl geeigneter Gast höfe. In kleineren Orten wird man in ersten Hotels stets ans eine gute Aufnahme rechnen können. Vorsichtiger muß man in großen Städten sein, wo die Hotels zweiten Ranges eher in Frage kommen. Besonders große und allzu vornehme Hotels sind für den Wandersahrer, für den sie nicht eingerichtet sind, kaum geeignet. Gut c.u«gehoben ist man in den Gast häusern größerer Dörfer; sic sind in der Regel sauber und tragen allen Wünschen hinsichtlich der Verpflegung Wohl in den meisten Fällen bcreitwilligst Rechnung. Ist man genötigt, in srcmdc Hotels cinzukehrcn, so erkundige man sich stets, nm vor Überraschungen geschützt zu sein, nach dem Zimmerprcis. Unter den Wandersahrer» gibt es leider noch allzu viele, die infolge mangelnder T r e t t e ch n i k mit ihren Körper- krästen nicht hauszuhalten wissen, Steif und ungelenk heben und senken sic ihre Ober- und Unterschenkel, als wären cs Pleuelstangen einer Tampsmaschine. Die Sohlen verharren bet der kreisenden Bewegung der Füße in nahezu wagcrechter Lage. Die Knöchclgelcnkc nehmen an der Bewegung nicht teil. Es sind nicht nur Neulinge, die so verständnislos fahren, oft kann man auch alle Radfahrer beobachten, die scheinbar keine Ahnung davon haben, daß man durch eine ansgie - btge Benützung der Knöchelgelenke bei nicht an gestrengter Fahrt bis zu 20 Prozent und mehr an Krast zu sparen vermag. Auch die Technik des Tretens will, wie alles im Leben, erlernt fein. Als wahren Sportskameraden wollen wir nur den an gesehen wissen, der stets mit offenen Augen durch die Gegend fährt und Sinn für die Natur besitzt. Das Wanocrfahren hat Oer Vorkäufer unseres Zohrrciäes, der hölzerne „Laufkarren" des badischen Forstmanns Wilhelm von Drais ans dem Jahre 1817. eineswegs den Sinn, Kilometer zu „fressen", sondern man oll Land und Leute tennenlernen, Leib und Seele erfrischen. Auf normaler Straße radle man daher nie mehr als höchstens 15 Kilometer in der Stunde. Hält man dieses Tempo gleich mäßig inne, ist eine Übermüdung nicht zu befürchten. Bergab laste man das Rad nur auf guten und geraden Straßen frei laufen. Sobald jedoch starke Krümmungen oder die sür oe« Navler gefährlichen Serpentinen kommen, ziehe man die Bremsen soweit an, daß man ohne Zeitverlust anhalten oder abspringen kann. An besonders schönen Punkten steige man ab und halte Umschau. Soll ein Aufenthalt etwas länger lauern, ziehe man den Rock an, um sich vor Erkältung M chützen. Großfahrten unternehme man möglichst in Gesell- chaft. Es tut nicht gut, unterwegs allzuviel seinen Gedanken nachzuhängen und zu grübeln; Unterhaltungen über die ge meinsamen Eindrücke tragen erfahrungsgemäß viel zur Hebung der Stimmung bei. Man suche sich aber einen Kame raden, mit dem man harmoniert und der körperlich den gleichen Leistungen gewachsen ist. Man stehe früh auf und gehe rechtzeitig zu Bett. Es gib« iir den Wandersahrer nichts Schöneres als einen frischen Sommermorgen. Die kühle Luft vertreibt sofort allen Schlaf aus den Augen und erfrischt den Körper. Die Zett der Mittags hitze zwischen 12 und 3 Uhr soll der Erholung gewidmet sein, da der Körper gerade nach der Mahlzeit am mattesten und der Ruhe am meisten bedürftig ist. Abends fahre man nicht länger als bis 7 Uhr. Haben die Beine ihren Dienst so lange willig getan, so darf man zufrieden sein und die Fortsetzung der Fahrt getrost aus deu nächsten Tag verschieben. Max v. Werlhof. Vas im Zähre lsss erbaute „Dcimpf-Velacipeä"' ist als Urahne unseres Motorrades anzuschcn.