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Erst im Alter von dreißig Jahren wechselte Franck vom Klavier zur Orgel, spezialisierte sich auf Kirchenmusik und freie Improvisation und galt bald als der größte Improvisator seiner Zeit. Franck intensivierte seine Bemühungen um die Spiel- und Ausdrucksmöglichkeiten der Orgel, als er 1859 Organist von St-Clothilde wurde. Er begann Orgel kompositionen zu schreiben; 1862 erschien seine erste bedeutende Reihe von Orgelwerken, «Six pieces pour grand orgue», die sich bis heute im Repertoire gehalten haben. Seine nächste größere Komposition war die Opera comique «La valet de ferme» (Der Gutsknecht, 1851-1853). Obwohl Franz Liszt eine Aufführung befürwortete, wurde sie von der Opera abgewiesen, und Franck erlitt nach diesem Rückschlag einen Nervenzusammenbruch. In den nächsten Jahren zog er sich in die sichere Welt der Kirche zurück und konzentrierte sich auf seine Tätigkeit als Organist. Die Orgel in der Kirche St-Clothilde war ein Meisterwerk des mit Franck befreundeten Orgelmachers Aristide Cavaille-Coll (1811-1899) und galt als die beste moderne Orgel der Zeit. Das Oratorium «Les beatitudes» (Die Seligpreisungen; nach der Bergpredigt) nahm Francks Schaffenskraft zehn Jahre lang in Anspruch (1869-1879) und wurde nur ein einziges Mal aufgeführt, und zwar in Francks Wohnung. Der Komponist selbst betrachtete «Les beatitudes» zeitlebens als seine größte Leistung. 1872 wurde der sanftmütige, bescheidene Franck zum Professor für Orgel ans Konservatorium berufen und bald zum umstrittensten Lehrer, mit einer Gruppe von Schülern, die in Paris überall kundtaten, er sei in dieser konservativen Institution die einzige fortschrittliche Gestalt. Er schrieb weiterhin vor allem geistliche Musik, darunter 1872 eine Art Oratorium «Redemption» (Erlösung; revidiert 1874), das 1873 einen Durchfall erlebte. (Der Untertitel «poeme Symphonie» deutet an, daß er zwei Gattungen miteinander verwob.) 1875/76 wandte sich Franck mit der symphonischen Dichtung «Les eolides» (Die Töchter des Äolus) wieder der Instrumentalmusik zu. Das ihr zugrundeliegende Gedicht von Charles Leconte de Lisle (1818-1894) handelt von Luftgeistern, die über den Bergen schweben. Mit ihrer spinnwebfeinen Textur weist die Musik dieses Werks schon auf die »Atmosphäre« Debussys hin. Auch Abschnitte in der Tondichtung «Les djinns« (1884, nach einem Gedicht aus der Sammlung «Les Orientales» von Victor Hugo) sind von einer klanglichen Farbigkeit und einem raffinierten Glanz, die Debussy »vorbereiten«. Von Francks letzten Chorwerken sind vor allem die »bi blischen Szene« «Rebecca» (1880/81; bis heute allgemein z