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Leiter des technischen Teiles Dr.-Ing. E.Schrödter, Geschäftsführer des Vereins deutscher Eisen- hüttenleute. Kommissionsverlag von A. Bagel-Düsseldorf. STÄHL UN EISEN ZEITSCHRIFT Leiter des wirtschaftlichen Teiles Generalsekretär Dr. W. Beumer, Geschäftsführer der Nordwestlichen Gruppe des Vereins deutscher Eisen- und Stahl industrieller. FÜR DAS DEUTSCHE EISENHÜTTENWESEN. Nr. 2. 9. Januar 1907. 27. Jahrgang. Ueber die Fortschritte in der Elektrostahl - Darstellung." Von Professor Eichhoff-Charlottenburg. (Nachdruck verboten.) M eine Herren! Am 14. Mai 1905 hat Herr Ge- ‘4 heimrat Borchers in einem an dieser Stelle gehaltenen lichtvollen und äußerst sachlichen Vor trage. Ihnen die verschiedenen Arten elektrischer Oefen beschrieben und ihre Arbeitsweise erläutert.** Er beschränkte sich damals in der Hauptsache darauf, nur wirkliche Tatsachen zu bringen. Ich hörte nachher eine gewisse Enttäuschung darüber äußern, daß er nicht mehr Ueberraschendes, Neues gebracht habe. Jetzt, nachdem auch in Deutschland das Interesse für die elektrische Stahlerzeugung bedeutend gewachsen ist und in einem deutschen Stahlwerke schon seit 10 Monaten der Tiegelstahlprozeß durch die elektrische Stahl erzeugung gänzlich verdrängt worden ist, er scheint es mir an der Zeit, auch die praktischen Ergebnisse dieser Erzeugung zu besprechen. Jedoch fürchte ich, daß Sie noch mehr enttäuscht sein werden als vor 11/2 Jahren. Die technischen und andere Zeitschriften haben in den letzten Monaten so viele staunen erregende Nachrichten gebracht, daß Sie jeden falls von mir noch wunderbarere Mitteilungen erwarten. Ich muß Ihnen von vornherein sagen, daß ich dahingehende Neugierde nicht befriedigen kann. Es sind so viele übertriebene Berichte ver- öentlicht und ist in so bedauerlicher Art und Weise von den Tatsachen abgewichen worden, daß es nicht ausbleiben wird, daß eine langandauernde Schädigung dieses Industriezweiges eintritt, wenn nicht ganz energisch dagegen vorgegangen wird, däß übertriebene und unwahre Berichte veröffent- liht werden, welche Hoffnungen und Erwartungen erzeugen, die heute noch nicht befriedigt werden kennen. Hier nur drei Beispiele: Ich habe gelesen, daß in Werdohl eine Elektrostahlanlage so günstige Ergebnisse gehabt, und daß das Erzeug nis so vorzügliche Beurteilung seitens der Ver braucher erfahren habe, daß sich eine Gesellschaft * Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung des Vereins deutscher Eisenhüttenleute am 9. Dezember 190(1 zu Düsseldorf. ** „Stahl und Eisen“ 1905, XI S. 631, XII S. 689. IT« mit mehreren Millionen Mark zur weiteren Aus nutzung des Verfahrens gebildet habe. M. H-, meines Wissens hat das Werk, welches vor zwei Jahren in Betrieb gesetzt wurde, bis heute überhaupt keine Fabrikation aufgenommen. — Ich habe gelesen, daß mit einem anderen Verfahren im Jahre 1906 auf deutschen und schweizerischen Werken sehr günstige Resultate erzielt worden seien, daß Chargen von 3- bis 4000 kg gemacht wurden, daß in einem 2000 kg-Ofen mit kaltem Einsatz 30 t, also 15 Chargen, und mit flüssigem Einsatz 18 Chargen f. d. Tag gemacht worden sind, daß solcher Stahl 68 6 f. d. Tonne koste usw. M. H., auf deutschem Boden und überhaupt in der Welt gibt es kein nach dem Verfahren arbeitendes Werk, welches 4000 kg Chargen macht. In Deutschland gibt es überhaupt nur ein einziges Elektrostahlwerk und das arbeitet nicht nach obigem Verfahren. — Ich habe gelesen, daß Hero ult einen Ofen von 300 bis 400 Tonnen Beschickung gebaut hat, der von 5 bis 6 Bessemer-Oefen gespeist wird. Ein solcher Ofen müßte ja beinahe eine Million Tonnen Stahl machen. Wird es Ihnen nicht bange für Ihre großen, schönen Thomas werke? Solche Behauptungen werden wieder und wieder abgedruckt und gelangen sogar in wissen schaftliche Blätter und Bücher. M. H., die größte Mehrzahl derartiger Veröffentlichungen sind Auszüge aus Patentschriften oder geben die Zukunfts-Hoffnungen von Erfindern wieder. Nichtsdestoweniger liegen seit dem Vortrage des Geheimrats Borchers solche Fortschritte auf dem Gebiete der elektrischen Herstellung von Eisen und Stahl vor, daß es nötig erschien, dieselben hier zu besprechen. Soll eine solche Besprechung für unsere vaterländische Industrie und für die praktischen Hüttenleute einen Wert haben, so sollte sie sich auf die wirklichen Betriebs ergebnisse und die daraus zu ziehenden Schlüsse beschränken. Betriebsergebnisse können aber nur von denjenigen, welche den Betrieb der einzelnen Verfahren genau kennen, gegeben 1