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Italiens Eisenindustrie• * (Nachdruck verboten.) Von Geh. Bergrat Professor Dr. H. Wedding in Berlin. I jie Mitteilungen, welche ich Ihnen, in. H., —— heute zu machen habe, betreifen das Eisen hüttenwesen in Italien, welches ich versucht habe, auf einer längeren Reise im Frühjahr d. J., deren zweiter Zweck allerdings die Teilnahme am Internationalen Kongreß für angewandte Chemie in Rom war, kennen zu lernen. Um nicht zu ausführlich zu sein, will ich mich einer ein gehenden Statistik über die italienische Eisen erzeugung enthalten, um so mehr, als dieser Teil Ihnen Allen durch einen vorzüglichen Auf satz des Ingenieurs Carl Brisker in „Stahl und Eisen“ ** bekannt oder zugänglich sein möchte. Es wurden von mir die bedeutendsten Eisen werke in allen Provinzen Italiens besucht, zuerst die der Lombardei. Man darf wohl sagen, daß in keinem Teile von Italien die Eisenindu strie wissenschaftlich auf einer solchen Höhe steht, wie hier. Auch sind hier die Arbeiter verhältnisse verhältnismäßig am günstigsten. Man erkennt das sofort beim Besuche der Werke. In ganz Italien wurden 1904: 181 000 t Schweiß eisen und 177000 t Flußeisen dargestellt. Hiervon fallen etwa 32 °/o Schweißeisen und 8°/0 Flußeisen auf die Lombardei, und das letzte gehört dem Hauptwerk, von dem ich Kenntnis nahm, an. Es ist die Stahlgießerei bei Mailand, Acciaieria Milanese, welches, während die anderen Werke Schweißeisen aus Alteisen erzeugen, annähernd die gesamte Menge des Flußeisens der Provinz darstellt. Hier findet man alle jene neueren Verbesserungen, welche zu einem guten Eisen werke gehören, vor allen Dingen sowohl ein physikalisches Laboratorium für Untersuchung des Kleingefüges und für die Prüfung der Festigkeit, als auch ein brauchbares chemisches Labora torium. Es wird also auf diesem Werke Fluß eisen erzeugt, und es werden erheblich große Stücke, z. B. Schiffssteven, gegossen, wie auch eine Menge von kleineren Gegenständen her gestellt werden. Das Werk umfaßt gegenwärtig etwa 800 Arbeiter und hatte bei meinem Be suche eine Produktion von 300 t, welche in dessen nach Fertigstellung einer großen Zahl von im Bau befindlichen Neueinrichtungen auf 600 t jährlich steigen wird. Das Material ist hauptsächlich inländischer, zum Teil eigener Schrott; das Roheisen wird aus Schweden und England angekauft und nur wenig von der Insel Elba bezogen. Wie ganz Italien, so entbehrt auch dieses Werk der eigenen Kohle, welche * Vortrag, gehalten auf der Hauptversammlung der Eisenhütte Oberschlesien am 28. Oktober 1906 zu Gleiwitz. ** 1905 Nr. 19 8. 1105. aus England herbeigeschafft wird.* Am meisten Interesse erregen die drei vorhandenen Bessemer birnen, von denen zwei auf einen Fassungsraum von 1 t und eine auf nur 50 kg eingerichtet sind, letztere vielleicht die kleinste Birne, die überhaupt in der Eisenindustrie gegenwärtig besteht. Daneben befindet sich ein für das kleine Quantum von nur 3 t eingerichteter Martinofen. Man bläst die großen Birnen mit atmosphärischer Luft, die kleine dagegen mit Sauerstoff und ist in der Lage, Sauerstoff mit atmosphärischer Luft im übrigen auch nach Belieben zu mischen, da ein elektrisch angetriebenes Gebläse auf Sauer stoffkompression läuft, während ein Gebläse mit Dampfbetrieb die Luftzusammendrückung besorgt. Es gibt das Veranlassung zur Frage, ob man, wenn Sauerstoff als Nebenprodukt auf Eisen hütten gewonnen werden könnte, während man den Stickstoff der Luft zu Düngemitteln ver wendet, nicht doch ökonomisch wichtige Vor teile erringen könnte. Durch Elektrizität wird eine Wasserzersetzung vorgenommen, und man erhält hierbei reinen Wasserstoff und einen mit etwas Wasserstoff gemischten Sauerstoff. Nach den Erfahrungen schadet es nichts, wenn er bis zu 3 °/o durch diesen verunreinigt ist. Die Pressung des eingeblasenen Sauerstoffs beträgt etwa 1/2 Atmosphäre. Zum Gießen benutzt man, abgesehen von den gewöhnlichen Gießpfannen mit Bodenstopfen, eine große heizbare Gießpfanne mit einem Fassungsraum von 30 t, eine, wie mir scheint, nachahmenswerte Einrichtung. Die Heizung geschieht ebenfalls durch verbrennenden Wasser stoff. Einguß und Ausguß befinden sich an entgegengesetzten Seiten, und die Pfanne ist durch eine Scheidewand so geteilt, daß die Schlacke auf der einen Seite zurückgehalten wird und außerdem bei Füllung zu verschiedenen Zeiten eine gute Mischung in der Pfanne ge schieht. Ich möchte auf diese Gießpfanne be sonders aufmerksam machen. Bekanntlich steht dem kontinuierlichen Flußeisenflammofenprozeß nach Talbot im Kippofen und ähnlichen Vor gängen die Notwendigkeit entgegen, die Kohlung und Desoxydation in der Gießpfanne besorgen zu müssen. Wahrscheinlich würde die heizbare Gießpfanne diesem Uebelstande abhelfen können. Man würde sie als Ofen verwenden und nach Belieben Proben nehmen können. * Von der rund 6 Millionen Tonnen betragenden Kohleneinfuhr stammen mindestens 95 °/o aus Eng land. Deutschland ist noch nicht mit 1,5 0/o beteiligt. Das ist bedauerlich und man sollte auf die Gewinnung der deutschen Einfuhr hier mehr Gewicht legen.