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28 Kommissar Briand war für Liebenswürdigkeiten emp- " Länglich und verstand ausgezeichnet, auf der Stelle zu parierest: »In der Tat, 60 Jahre und 1880, das stimmt nicht! — ^Vortrefflich, lieber Kollege! Aber seit wann tragen denn Uhren die Geburtsdaten ihrer Besitzer?" ^Sollen sie das Datum des Kaufes tragen?" , „Möglich! Sogar wahrscheinlich. — Nämlich in dem >Falle, wo die Uhr am Kauftage zum Geschenk gemacht ^Mrd!" t Dem Kommissar Renault leuchtete das nicht ein. Er Machte ein ungläubiges Gesicht. „Müßten die Deutschen so treiben! Denen wäre es sMutrauen. Aber selbst dann hat die Rechnung noch ein Aoch. Die Uhr, die einen ziemlichen Wert besitzt, müßte Hann einem Kinde zum Geschenk gemacht worden sein!" s* „Stimmt", versetzte Kommissar Briand. „Mit vierzehn ! Jahren! — Zur Konfirmation — —, wo dies ja nicht nur in Deutschland Sitte ist!" ' . Kommissar Briand erbat sich einige Tage Urlaub von seinen Vorgesetzten, verständigte den Untersuchungsrichter von seiner Reise nach Scheveningen und stellte eine über raschende Wendung in der Mordsache Hoofft in Aussicht. ^Darauf fuhr er in das große holländische Weltbad hin- .über, um den Mörder Theodor Hooffts in Augenschein hu nehmen und der Tat nach Möglichkeit zu überführen, k Aber Kommissar Briand hatte auch noch andere Pläne in dem kleinen Küstenlands und gedachte sich besonders an seiner Küste, da die Gelegenheit sich gerade so gut bot, Mas nähet umzusehen' 14. Kapitel. M Gerda von Gagerns Augen stand von Klugheit Md Wissen ums Leben. Sie lebte und litt mit dem Kanalschwimmer. Es entging ihr dabei nicht die leiseste Veränderung im Wesen Fred Bronnens, seit er neben ihr in enger Gemeinschaft sein Leben abschritt. Aus äußerer Not hatten sie sich durch Gerda von Lagerns entschlossene Handlung zu einer Genleinschaft zu- Fammengeschlossen. — Sie lebten nun seit über vierzehn Lagen sicher und geborgen in Scheveningen, und niemand Hegte einen Verdacht gegen sie. ! Allein Fred Bronnen litt. Daß die Frau die Initiative ^ergriffen hatte, das verzieh und verwand er schwerlich bei Iseinem starken, betonten, beherrschenden Mannestum. Noch Mrker siel aber ins Gewicht, daß er sich für immer ge funden an diese Frau glaubte. Er ahnte, daß er nur schwer zurück konnte, vielleicht nie mehr los von ihr ckömmen würde , gerade weil er ohne eigenen Willen, Äelleicht sogar gegen seinen Willen, an diese Frau ge kettet worden war Gerda von Gagern empfand es feinnervig. Allein noch war das Gefühl, den Sieg errungen zu haben, zu Mächtig bei der Frau, als daß sie den Mann von dieser gefährlichen, grübelnden Selbstqual abgehalten hätte. Sie beobachtete ihn nur, verdoppelte ihre Bemühungen, ihm Hu gefallen und zu nützen und etwaiges Verlorenes zu ersetzen. — Allen Fragen, die aus seinem verändertem Wesen sprachen, wich sie geschickt aus. Tenn dabei wurde jedes mal die Vergangenheit und ein Stück ihres Lebenskampfes heraufbeschworen, dessen sie sich hätte schämen müssen, wenn sie nicht im Optimismus des Siegers alle Gedanken an die Art des Kampfes auszuschaltcn gewußt hätte. Zum Glück lenkte das nächtliche Training den Schwim mer wohltuend ab. — Er arbeitete zäh und ausdauernd an seiner Fertigkeit, die Wellen zu überwinden und Aus dauer im Wasser zu erlangen. In einer der letzten Nächte war es ihm gelungen, volle vier Stunden schwimmend im Wasser zu bleiben Gerda von Gagern hatte Todesängste während dieser Zeit am Strande ausaestanden Allein diese vier Stunden bedeuteten nur wenig gegen über dem 32-Kilomcter-Kampf mit dem Kanal und waren auch nichts gegen die sieben furchtbaren Nachtstunden in der Scheldemündung vor drei Wochen! Sie wurden nachts oft gestört. Liebespaare aus Scheveningen verirrten sich mitunter bis an die einsamen Dünen, die, eine runde halbe Stunde von dem Badeort entfernt, von Fred Bronnen eigens so entlegen ausgewählt worden waren. Auch das Wasser schien ihm hier-günstig für sein Training, und die Orien tierung selbst in den selten gänzlich dunklen Nächten nicht allzu schwierig. Gerda von Gagcru kroch beim Nahen von Menschen jedesmal die Düne hinauf uud verharrte hinter dem hohen, spärlichen Graswuchs. Fred Brouuen war meist im Wasser — —, und wenn er aus dem Wasser stieg und Leute kamen in seine Nähe, dann eilten sie erschreckt davon. Den Trainer, der seine Hebungen sachgemäß leitete und überwachte, vermißte Fred Bronnen bei seinen nächt lichen Hebungen sehr. Er sprach oft mit Gerda von Gagern darüber. Doch zunächst konnte man nichts unter nehmen. Für später — das Später berührte sic immer wieder, und sie sprachen von ihm mit heiliger Scheu — wollte man versuchen, den bekannten Berliner Schwimmer Max Gull mann als Trainer zu bekommen, der als umsichtig und gewissenhaft galt und großen Aufgaben stets lebhaftes Interesse cntgegenbrachtc. * * Miß Maud Blank war unterdessen im heimatlichen Amerika eingetroffen und vom Vater, Mr. Eduard Blank, in der Bostoner Villa ans Herz gedrückt worden. Der grauhaarige alte Herr war eiliger Geschäfte wegen nicht am Dampfer gewesen. Doch er eilte sogleich in die Villa, als ihm die Ankunft der Tochter telephonisch gemeldet worden war. Eine ungewöhnlich zärtliche Begrüßung fand zwischen Vater und Tochter statt. Der alte Herr blickte danach seiner Tochter lange in die Augen. Er schien von dem Ergebnis seiner Prüfung befriedigt zu sein. „Gut, daß du da bist", sprach er in seiner kurz angebundenen, nicht unhöflichen Art, „alles ist vergessen. Nun sei fröhlich daheim!" Miß Maud Blank verstand diese Worte nicht gleich, und als sie ihren tieferen Sinn erfaßt hatte, überzog eine feine, geheime Röte ihr junges Gesicht. Trotz kämpfte mit Empfindsamkeit. Dabei gewann der Trotz die Oberhand. Sie eilte noch am Nachmittag, da für sie die Sache langen Aufschub nicht vertrug, zu ihrem Vater ins Bureau in der Stadt, um zu ihm von dem Plan zu sprechen, der in ihrem Köpfchen während des letzten Teiles der Ucber- fahrt entstanden war und den sie vergebens zu unter drücken versucht hatte. „Mein Kind?" fragte der amerikanische Geschäftsmann höflich aus seiner Arbeit heraus. „Ich habe cineu Wunsch, Papa! Bitte, erfülle ihn mir!" „Gern, soweit ich es kann und einsehe, daß dir " „Ohne Vorbehalt, Papa , sonst hat cs gar keinen 5lweck, daß wir miteinander darüber reden!" Mr. Eduard Blank wandte sich. „Nm was handelt cs sich?" „Um einen Sportsmann, dem man belfen muß!" „Um den Kaualschwimmcr?" -Ja!" -Hm!" Mr. Eduard Blank, der Besitzer großer Stahlwerke und vieler Aktien anderer Unternehmungen, disponierte kalt und geschäftsmäßig: „Liebes Kind, das ist unmöglich, denn zunächst " Allein die Tochter war nicht für eine geschäftsmäßige Erledigung der Angelegenheit, sondern beanspruchte eine gefühlsmäßige, wie sie sie aufwandtc.