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besuchten Gevangenpoorts wandten, da merkten sie, daß auch der unangenehme Yankee, der sie dauernd auffällig bei Tisch beobachtete, das Mauritshuis verließ und über die hallenden Steine des Binnenhofes ihnen mit langen Beinen nachstieg — — und auch den kleinen Franzosen erblickten sie, der im Schatten des Ritterzaals verweilte und nun die Absicht hatte, auch aus dem Binnenhos heraus zum Buitenhof zu gelangen. .Entsetzlich!" zerquälte sich Gerda von Gagern. „Du meinst die beiden Herren " „Du hast sie auch bemerkt?" „Gestern abend und heute mittag — und auch bei der Abfahrt von Scheveningen." „Wir sind ihnen ausgeliefert!" „Oh — nicht doch! — Wir können auch anderswo leben! Es muh nicht Scheveningen sein! Wenn wir nachts aus den Dünen den Weg nicht ins Kurhaus zurücknehmen, sondern mit einem Auto nach dem Haag und von da nach Zandvoort oder Nordwyk gehen, dann sind wir die Be lästigung los!" Fred Bronnens leicht eingefallene Wangen röteten sich. Er nahm die entstellende Brille ab und steckte sie mit rascher Bewegung achtlos in die Rocktasche. „Es ist widerwärtig, unter diesem Zwange zu leben. Was wollen die Leute? Wollen sie uns der Polizei aus liefern, dann hätten sie es in der ersten Stunde tun können. Warum beobachten und belauern sie uns?" „Sie werden noch nicht ganz sicher sein", gab Frau von Gagern zu bedenken. „Wir haben uns noch mehr in acht zu nehmen. — Du mutzt auch — entschuldige, datz ich das unter diesem Zwange der äutzeren Verhältnisse sage — zärtlicher, mehr Gatte, zu mir sein." Fred Bronnen erwiderte nichts darauf. Doch sein Gesicht verfinsterte sich merklich. Im Gevangenpooxt, als sie über knarrende, viel- hundert-Jahre-alte Dielen schritten, konnten sie nicht weiter von den Verfolgern sprechen. Der Führer erzählte die Geschichte des alten Gemäuers, die kein Ruhmesblatt für die Niederlande ist. — Sie hörten nicht hin. Sie wutzten plötzlich nicht, weshalb sie in dem Schwarm gleichgültiger Menschen standen und sich Dinge erzählen ließen, die sie nichts angingen und die für sie nichts bedeuteten gegen über dem, was ihr Schicksal war. Als die Führung durch das alte Gemäuer beendet war, fuhren sie eilends nach Scheveningen zurück und er wogen auf der Fahrt im Auto den Plan an neues besseres Verbergen vor Nachstellungen, bis sich dies nicht mehr nötig machen sollte-. Allein, als am Abend beim Diner die beiden Herren abwartend und beobachtend auf ihren Plätzen an Tischen rechts und links saßen, da verwarfen sie den Plan. Die Gefahr schien gemildert. Ihr gutes Gewissen gaukelte ihnen Sicherheit vor, wo sie am Nachmittag noch das Gegenteil erblickt hatten. Groß und nachdenklich waren die Augen Gerda von Gagerns. Ihr Blick irrte über den Mann hin, den sie seit Monaten heiß ersehnte und der nur durch den kühnen, entschlossenen Schritt, mit dem sie sich an seine Seite ge stellt hatte, der Ihre geworden war. Daß sie ungeachtet dessen beständig um ihn werben mußte, daß er ihr immer wieder entglitt, wenn die Macht ihrer Augen ihn nicht zu ihr zwang, das wußte sie und empfand es zeitweilig schmerzlich und war ohne Trost. Sie schob die Schuld auf die ärgerliche Lage der Ungewißheit und beständigen Sorge, in der man sich befand. Ihre Augen wanderten von dem verschlossenen, merk lich veränderten Gesicht des Freundes durch den weiten, Hellen Saal und hasteten schließlich an den beiden Ver folgern, die in vollkommener Harmlosigkeit an den Neben tischen, ihnen zunächst, saßen. Ein Leuchten glomm in den Augen der schönen Frau. Sie schob das Eis unangerührt zurück und lehnte auch die Früchte ab, die der Kellner in silberner Schale vor sie hingestellt hatte, (Forts. folgt.) 28 Kommissar Briand grüßte belustigt, als er sich beob achtet und taxiert von diesem Yankee sah? „Goddam", fluchte Mac Allan und wandte sein Inter esse wieder dem Paar am Nebentische zu. Die Frau trug heute ein kostbares, tiefausgeschnittenes silbergraues Kleid. Sie machte eine blendende Figur. Alle Blicke wandten sich ihr zu. Der Mann war rot und leicht verlegen vor Stolz. Er trug einen dunklen, einfachen An zug und eine goldgcrändcrte Brille, die zu dem scharf geprägten Gesicht nur schlecht Pasten wollte Mac Allan knurrte vor sich hin: „Haben es nötig, sich gegenseitig anzupreisen!" Kommissar Briand murmelte in den Bart: „Haben es nötig, sich unkenntlich zu machen!" Während des Diners ereignete sich nichts. Das Paar aß schweigend und nahm keine Notiz von dem neuen Gast. Es ging noch vor dem Nachtisch und ließ sich in den zweiten Stock fahren. Erst bei Einbruch der Dunkelheit kamen die beiden Basler wieder zum Vorschein. Sie schritten nebeneinander durch die Halle, dankten flüchtig dem Gruß des Portiers und sahen kühl über die in den Klubsesseln lehnenden Gäste hinweg — unter denen sich, weit auseinandergerückt, Mac Allan und Kommissar Briand befanden. Die eigenartige Marotte Mac Allans, nachts nie vor ein bis zwei Uhr, ost noch viel später, heimzukchren, schien auch der kleine elegante, lebhafte Franzose mit gebracht zu haben. Auch er erschien erst in der Nacht, etwas nach zwei Uhr, wieder in der Kurhaushalle. Wenig später äls er kamen die Basler. Sie schienen müde und abgespannt zu sein und eilten grußlos durch die Halle. Der Franzose dagegen zeigte ein zufriedenes, sattes Gesicht. Und auch Mac Allan, der nach dem Paar durch die Drehtür gemächlich schob, war zufrieden und angeregt. Er schrieb noch in der Nacht das folgende kurze Kabel telegramm: „Die Entscheidung naht. Es ist im Kurhaus ein französischer Kriminalist ausgetaucht, der schnell das Paar erkannt hat und auch die Nachttrainingsstunden mitbeobachtet. Das Paar ahnt nichts. Es klebt noch notdürftig aneinander." Am folgenden Nachmittag, der statt des anhaltenden beglückenden Sonnenscheins trübe Wolken über das Luxusbad geschoben hatte, fragte Frau von Gagern den Freund: „Wollen wir uns nicht etwas zerstreuen, Fred? — Du bist angegriffen und nervös. Darf ich dir die Haupt stadt Hollands zeigen?" Fred Bronnen, der in den Tagesstunden schwer unter dem dumpfen Druck der Verhältnisse litt und sich nachts bei seinem heimlichen, unbefriedigenden Training sehr anstrengte, bezeigte wenig Neigung hierzu. „Warum?" „Es stärkt uns du bist frischer, mutvoller die Stadt ist schön und reich und wird dir viel Neues und Erhebendes zeigen." Da aus den Worten der Frau Besorgnis sprach, war Fred Bronnen bereit und fuhr mit der Frau in die nahe Hauptstadt hinein, zu der elektrische Schnellbahnen, zahl reiche Straßenbahn- und Autolinien geschäftig führten. Sie durchwanderten ohne sonderliches Interesse den Riesenbau des schätzegefüllten, doch leblos-kalten Friedens palastes, den des Amerikaners Carnegie Kriegsabscheu und der damals noch nicht in Haß verblendeten Völker Anteilnahme erstehen ließ. Sie statteten dem entzückenden Mauritshuis einen Besuch ab und verweilten lange in dieser Adelsversammlung der Kunst, die mit Rembrandt, Jan Steen, Franz Hals und anderen Großen des Landes zu chnen sprach. - vom Mauritshuis über den dämmerigen, wiqnaen »innen-of rum düfkren Gemäuer des viel