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und auf die Benutzung der Bahnlinie durchaus nicht angewiesener Gemeinden abgeschätzt sind, ergeben nach der Broschüre zusammen einen täglichen Verkehr von etwa 27 Doppelladern. Demgegenüber würden die Hochofenwerke auf der Linie Velbert-Heiligenhaus-Hofermühle-Hösel täglich mindestens 120 bis 150 Doppellader allein an Kalksteinen verfrachten. Zu diesem Quantum von Kalksteinen würden selbstverständlich zum grofsen Theil die in der gegnerischen Broschüre erwähnten, auch dieser Bahn naturgemäfs zufallenden Transporte, sowie noch sonstige Transportmengen aus dem Anger thai und dessen nächster Umgebung hinzutreten, da dieses Gebiet schon heute eine nicht un bedeutende Mühlenindustrie, entwicklungsfähige Eisenstein-, Bleierz- und Formsandgruben besitzt. Die aus der Anlage der Angerthalbahn resul- tirende Frachtersparnifs von etwa 4 bis 5 •/6 für den Doppelwaggon würde für die genannte Industrie um so werth voller sein, als sich dieselbe mehr und mehr auf den Export an gewiesen sieht, der ihr auf die Dauer gegenüber dem englischen Wettbewerb nur durch Fracht- ermäfsigungen ermöglicht werden kann. Denn in England liegen in der Regel Kalksteine, Erze und Kohlen nebeneinander, und hierauf beruht neben der insularen Lage in erster Linie Englands Ueberlegenheit. In Deutschland sind die Lager stätten der Kohlen, Erze und Kalksteine durch weite Entfernungen geschieden; sie zu vereinen, bedarf es zumeist sehr weiter Eisenbahntransporte. Im Bezirk von Middlesborough durchlaufen die Eisensteine höchstens 24 km, während die Erze für die niederrheinisch-westfälischen Hütten, ab gesehen von den Transporten per Achse von den theilweise abgelegenen, schwer zugänglichen Gruben nach der Eisenbahnstation, durchschnitt lich 130 km zu fahren sind. Bezüglich des Absatzes auf dem Weltmärkte ist der Umstand bezeichnend, dafs der unseren Nordseehäfen zu nächst liegende Eisenindustrie-Bezirk eine Ent fernung von rund 400 km zu überwinden hat. Was aber die Nähe des Weltmeeres und der Wassertransport zu bedeuten haben, erweist der Umstand, dafs Schottland und Cleveland ihr Roh eisen bis in das Herz Deutschlands, bis Sachsen und Niederschlesien, zu billigeren Frachten liefern können, als unsere eigenen Hochöfen. Dafs unserer Hochofenindustrie jedes, auch das kleinste Mittel erwünscht sein mufs, die Gestehungskosten zu vermindern, liegt auf der Hand, und dafs auch für den Staat ein Interesse vorhanden ist, eine so bedeutsame Industrie wett bewerbsfähig zu erhalten, darf ebensowenig be zweifelt werden. Dafs der Staat die Interessen einer solchen Industrie, deren 14 am Niederrhein und in West falen Hochöfen betreibende Firmen nach der letzten im Jahre 1887 aufgenommenen Statistik für ihren Gesammtbetrieb nicht weniger als 14242000,60 Fracht für Rohmaterialien be zahlt haben, höher stellen mufs, als die Local interessen Kettwigs und das Bestreben einer In dustrie, die, wie diejenige Velberts, täglich 2 bis 3 Doppellader an Rohmaterialien gebraucht, scheint uns keines Beweises zu bedürfen. Wenn in jener mehrerwähnten Broschüre (Seite 8) noch darauf hingewiesen worden ist, dafs man die Kalksteine des Angerthais vermittelst einer Stichbahn an die Linie Heiligenhaus-Kettwig anschliefsen könne, so bedarf es nicht des Nach weises, dafs der Staat eine solche niemals bauen würde, denn die Kalksteine müfsten dann etwa 2 km auf einer Bahn von 1 : 40 Steigung nach Heiligenhaus hinaufgebracht und auf der in einer grofsen Schlinge und in einer beträchtlichen Neigung von Heiligenhaus nach Kettwig führen den Bahn nach Kettwig hinuntergefahren werden. Dafs die Strecke Velbcrt-Heiligenhaus-Hofer- mühle-Hösel in ihren geringeren Steigungsverhält nissen einen Vortheil bietet, erkennt die Broschüre auf Seite 8 ausdrücklich an. Wenn sie aber die Hochofenwerke darauf hinweist, die Stich bahn selbst zu bauen, so ist darauf nur zu er widern, dafs für eine solche Bahn mangels des Expropriationsrechtes die Mittel für die Grund erwerbs-Forderungen unmöglich zu beschaffen sein würden, zumal sich ein Theil des Gebietes in den Händen der Wettbewerbenden Dornaper Kalksteingrubenbesitzer befindet. Die Rentabilität der Strecke Velbert-Heiligen- haus-Hofermühle-Hösel dürfte nach unseren An gaben des auf derselben zu erwartenden Verkehrs aufser allem Zweifel stehen. Die wirthschaft- liche Bedeutung derselben für das Angerthai sowohl als für die niederrheinisch-westfälische Hochofenindustrie halten wir ebenfalls für nach gewiesen, und so dürfte die Erschliefsung des Angerthais den zweifellos gutgemeinten, aber darum doch vom allgemein wirthschaftlichen Standpunkte nicht mafsgebenden Wünschen Kett wigs nicht geopfert werden. In Bezug auf die Personentarifreform ist seitens der Kgl. Eisenbahndirection Berlin ein den Bezirkseisenbahnräthen zur Begutachtung unter breiteter Entwurf zugegangen, der im wesentlichen Folgendes bestimmt. Bisher wurden für das Personenkilometer er hoben und künftig sollen erhoben werden: In gewöhnlichen Zügen 1. Klasse, II. Klasse, 111. Klasse, IV. Klasse, bisher 8 8 6 3. 4 9 2 3 künftige » 4 » 2 » — » in Schnellzügen 1. Klasse, 11. Klasse, 111. Klasse, bisher 9 8 6,67 8 4,47 3 künftig 7 „ 5,— „ 3,- „