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Bedenken gegen einzelne Bestimmungen der Ge werbeordnungsnovelle durchaus nicht auf einem principiellen Widerstreben gegen die in Rede stehende Gesetzgebung beruhten, da gerade die Eisen- und Stahlindustrie stets gerechtfertigten und durchführbaren Wünschen der Arbeiter das Wort geredet hat. Nur darauf hinzuweisen hiel ten wir für unsere Pflicht, dafs die Verhältnisse in den einzelnen Betriebszweigen zu verschieden artig sind, als dafs diejenigen Mafsnahmen, deren freiwillige Durchführung an manchen Stellen durch die vorliegenden Verhältnisse ermöglicht wird, allgemein und unterschiedslos gesetzlich zur Pflicht gemacht werden könnten. Nichts ist eben unserer Meinung nach verkehrter, als auf diese Weise Alles in eine Schablone zu spannen, denn dadurch mufs es dahin kommen, dafs Vorschriften erlassen werden, die in nicht wenigen Zweigen über das Mögliche — und deshalb über das dem Arbeiter wahrhaft Nütz liche — hinausgehen. Wenn wir uns gegen eine solche Schabloni- sirung und das damit nothwendig verknüpfte Uebermafs an Schutzvorschriften für gewisse Be triebe wendeten, so geschah dies in erster Linie nicht im Interesse der Unternehmer, sondern vor Allem in dem der Arbeiter, welche es selbst wünschen müssen, — und soweit sie nicht durch Agitatoren verhetzt sind, in der That auch wün schen — dafs die gesetzlichen Mafsnahmen nicht die Grenze des Durchführbaren überschreiten, dafs mit anderen Worten die Rücksicht auf die Lebens- und Wettbewerbsfähigkeit unserer In dustrie dem Auslande gegenüber bei der Erwei terung des Arbeiterschutzes nicht aufser Acht gelassen wird. Wir sind auf Grund der Kennt- nifs unserer Arbeiterverhältnisse fest davon über zeugt, dafs der fleifsige und vernünftige Theil unserer Arbeiter selbst eine zu weitgehende, seine Erwerbsverhältnisse nothwendig beeinträchtigende und darum irrationelle gesetzliche Erweiterung des Arbeiterschutzes durchaus nicht will. Denn durch eine zu grofse Verkürzung der Arbeitszeit wird dem Arbeiter ohne allen Zweifel ein Lohn ausfall erwachsen, da dem Arbeitgeber nicht zugemuthet werden kann, für eine verkürzte Ar beitsleistung als Gegenleistung so viel zu zahlen, als er dem Arbeiter bei unverkürzter Arbeitszeit zahlen würde. Die Lohnhöhe ist eine Frage der Gonjunctur, der Lohn hängt von der Arbeits leistung ab, die Arbeitsleistung von der Arbeits zeit , und es ist unserer Meinung nach nicht recht, dafs die Freiheit des Arbeiters, zu ar beiten, wenn Gelegenheit dazu vorhanden ist, eingeschränkt wird. Sonst verkehrt sich die Arbeiterschutzgesetzgebung in das Gegentheil dessen, was sie sein will und sein mufs. Unsere Vorschläge im einzelnen haben Be rücksichtigung in der Commission und im Plenum des Reichstags nur zum kleineren Theil gefunden. Insbesondere hat man unserm Vorschläge, den § 134d zu streichen und die Novelle ohne den § 153 für unannehmbar zu erklären, nicht zu gestimmt. Die betreffenden Verhandlungen haben aufs neue gezeigt, eine wie wenig freundliche Haltung die Majorität des Reichstages dem Arbeit geber gegenüber einnimmt. Ohne Zweifel wird dadurch die ohnehin vorhandene Ueberhebung der breiten Massen noch mehr aufgemuntert, und zu ihrem Ringen um den bevorzugten Antheil an der Production gesellen sich neue Begehrlichkeiten und Wahnvorstellungen, dafs die Lösung des socialen Räthsels mit der Schärfe der Staatsdictatur eine leichte Sache sei. Diese Ueberhebung dürfte auch durch die Bestimmung des § 134d, der die Anhörung der Arbeiter über die Arbeitsordnung obligatorisch macht, aufs neue genährt werden. Die betr. Bestimmung lautet: «Vor dem Erlafs der Arbeitsordnung oder eines Nachtrags zu derselben ist den in der Fabrik beschäftigten Arbeitern Gelegenheit zu geben, sich über den Inhalt derselben zu äufsern. Für Fabriken, für welche ein ständiger Arbeiter- ausschufs besteht, wird dieser Vorschrift durch Anhörung des Ausschusses über den Inhalt der Arbeitsordnung genügt.“ Die Fassung dieses Paragraphen ist jedenfalls schon um deswillen verfehlt, weil durch denselben der ausgesprochene Zweck des Gesetzgebers, «die Interessen der Arbeiterschaft zu wahren“, keinesfalls erreicht wird ; denn die vorgeschriebene blofse A n h ö ru n g der Arbeiter bietet denselben in keiner Weise eine Gewähr dafür, dafs ihre Wünsche in betreff des Inhaltes der Arbeitsordnung auch nur im allergeringsten seitens des Arbeit gebers Berücksichtigung finden. Denn letzterer ist nicht gehalten, von ihren Wünschen irgend welche Notiz zu nehmen oder gar sie der unteren Verwaltungsbehörde mitzutheilen, der nur die Arbeitsordnung selbst einzureichen ist. Zudem ist bereits von juristischer Seite (Neukamp, Der Entwurf der Gewerbeordnungsnovelle, Tü bingen, H. Laupp, S. 53 ff.) mit Recht darauf hingewiesen worden, dafs schon vom Standpunkte der Rechtsgleichheit aus die in Rede stehende Bestimmung verworfen werden müsse, da gar nicht abzusehen sei, weshalb gerade diejenigen Arbeiter, welche bei dem Erlafs oder bei irgend einer Abänderung der Arbeitsordnung zufällig in einer Fabrik beschäftigt seien, einen besonderen Anspruch darauf haben sollten, über den Inhalt der Arbeitsordnung vor deren Inkrafttreten gehört zu werden. Der Verfasser des Entwurfs hat an scheinend übersehen, dafs alle diese Arbeiter oder wenigstens ein grofser Theil derselben viel leicht schon nach Ablauf eines Jahres oder nach noch kürzerer Zeit in der betreffenden Fabrik nicht mehr beschäftigt sind. Dadurch kann es geschehen, dafs der Inhalt der Arbeitsordnung schon nach Ablauf eines Jahres den Wünschen