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560 glauben sollte. Neulich schickte Madame Polet in Paris eine große Parthie bestellter Modcsachen nach Rußland. Unter diesen befanden sich nicht weniger als sechzig verschiedene Hauben und Hüte; dann zwanzig vollständige Anzüge für Ball und Soiröe, ferner ein Dutzend Pelissen, Mäntel und Schärpen, und außerdem hunderterlei Kleinigkeiten für die Toilette. Und diese Bestellung — man staune! — war von einer einzigen Familie in Petersburg gemacht worden. Eine historische Bagatelle. Viele werden wissen, daß die in Bäckcrwerkstätten sich gern aufhaltcnden schwarzen Käfer Schwaben genannt werden. Woher aber dieser Name seinen Ursprung hat, möchte den Meisten unbekannt sein. Als Markgraf Friedrich mit der gebissenen Wange nämlich mit seinem Bruder Diezmann gegen die Schwaben unter dem Grafen Philipp von Nassau auszog und diese bei Lucka schlug, hatten sich viele der Flüchtigen in den Ofen und Schornstein eines Bäckerhauses versteckt, aus welchem sie am andern Lage herauskrochen: „Sie kamen, geschwärzt wie die Neger, aus.ihrem Versteck heraus; Drum nennt man auch Schwaben die Käfer, die schwarzen, im Bäckerhaus." Wortspiele. Der Beifall, den Frau von Palzow durch ihre beiden Romane erhalten, macht sich, besonders bei dem weiblichen Geschlecht, nicht selten unter sehr naiver Form Luft. Fragt man jetzt eine schwärmende Frau oder Jungfrau von Berlin, wie ihr der Roman Godwie-Castle gefallen, so antwortet sie: „Gott, wie köstlich!" indem sie den Klang des Titels parodirt. Ein ähnliches Wortspiel wurde vor Kurzem bei der Eröffnung der Gewandhausconcerte in Leipzig gemacht. Nachdem Fräulein Meerti, welche schon vor mehren Jahren einmal hier engagirt war und außerordentlich entzückte, zum ersten Mal wieder mit ein wenig belegter Stimme gesungen hatte, äußerte ein Witzbold: „Die Meerti ist nicht mehr die!" Uebrigens hat, um beiläufig die Wahrheit zu sagen, die niederländische Sängerin keine Rückschritte gemacht, sondern sogar bedeutend an Ausbildung gewonnen. Sonst und Jetzt. Wie sich doch die Zeiten ändern! Im Mittelalter, als man sich der Folter als des wirksamsten und unentbehrlichsten Untcrsuchungsmittels bediente, wendete man sie unter andern auch auf folgende Weise an. Der Un glückliche, bei dem das einfache Verhör nicht ausreichen wollte, ward festgebunden und bekam so lange einen Humpen Wasser zu trinken, bis er das Geständnis abzulegen versprach. Wenn man jetzt nach Gräfenberg oder Ilmenau geht, so kann man jahraus jahrein Leute sehn, bei denen jene Folterweise gewiß < nicht anschlügc; sic übcrstehen schlimmere Martern mit dem frohsten Muthe von der Welt. Nordamcrikanischer Puff. In diesem Artikel sind die nordamerikanischen Zeitungen bekanntlich groß. Eine derselben erzählte neulich eine Anekdote von Fanny Elsler, und der Redacteur behauptet, sie aus der berühmten Tänzerin ei genem Munde also vernommen zu haben: Am Abend meines Debüts in der großen Oper zu Paris, in dem Augenblicke, wo ich alle guten Götter anrief, mir günstig zu sein, hör' ich die Ouvertüre anfangen und sehe den Mann, welche» das Zeichen zu geben hat, indem er dreimal mit dem Fuße stampft, dazu den linken Fuß gebrauchen. Unglücklicher, rief ich halb lachend, halb ängstlich, Sie haben mit dem linken Fuße gestampft, ich werde durchfallen. Der arme Mann war ganz erschrocken. Nun, Fräu lein Elsler, sagt er in seiner Verlegenheit, wünschen Sic vielleicht, daß ich noch einmal von vorn anfangen lasse? Dazu will ich den rechten Fuß nehmen. Daran verhinderte ich ihn jedoch lächelnd; nach der Vorstellung war der gute Annonceur so vergnügt, wie ich, denn Alles war gut gegangen. Demungeachtet, fügte er zu seiner Gratulation hinzu, werde ich von nun an mit dem rechten Fuße aufstampfen.' Er that es wirklich, zum ersten Male in seinem Leben, bei der nächsten Vorstellung- glitschte aus, fiel und — brach ein Bein. Preisrcnner. Bei den October-Wettlaufen in Chan tilly wurden folgende Namen mit besonderer Auszeichnung genannt: Olivia, Dudu, Quosque, Voltaire, Kettly, Minuit, Fiametta, und einige andere. Das ist denn doch hochroman tisch, den Pferden dergleichen poetische Namen beizulegen und sie völlig, wie Personen ä la Herr und Madame zu behandeln. Die Jokey's sind dabei Nebensachen und kom men gar nicht in Betracht. Auch eine Judith und ein Faust befanden sich unter den Preisbewerbern. Nächst den Pferden haben die Dampflokomotiven vorzüglich die Ehre, romantische Namen zu führen. Neulich schlug Jemand vor, eine derselben „die Jeitverächterin" zu nennen. 3 H Literarisches. Die Hutfrage und der Mißbrauch des Hutab- nehmens beim Grüßen, bekämpft aus medicinischen Gründen. Erfurt und Leip zig, Ludwig Hilsenberg. Das Merkchen ist gewidmet: Den Leitenden. Entscheidenden, Das Gute gern Verbreitenden Und Besseres Vorbereitenden. Den Scheidenden. Begleitenden, Durch Hutabnehmen Leidenden. Den Fahrenden und Reitenden, Den Tanzenden und Schreitenden, Den großen Herweg Meidenden, Das Neue nickt Beneidenden, An Spaß und Ernst sich Weidenden. Der bekannte Mißbrauch des Hutabnchmcns wird auch hier auf ernste und scherzweise Art bekämpft. Wir erhalten hier zugleich Auskunft über die Begrüßungsarten verschiedener Völ ker. „Die Osmancn und Griechen," heißt cs, „mit ihrem Turban und Feß legen die gekreuzten Hände auf die Brust und verneigen das Haupt gegen den Begrüßenden. Mit un aussprechlicher Verachtung blicken sie auf den ewig seinen Kopf entblößenden Franken. Araber und Beduinen grüßen mit blumigen, symbolischen Worten, selbst die Chinesen, das un ausstehlich höfliche Volk, nehmen ihre Lrichlerhüte nicht ab, sic schlagen lieber die Hände über dem Kopfe zusammen. Die