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II treibt, daß die Bewohner vor lauter Segen umkommen, wie im Rhonedepartcmcnt, wo sie eine wahre Sündfluth angerichtct hat, läßt sie an einem andern Orte die Leute darben und verdürsten. Das Augsburger Eisenbahnunglück haben die Zei tungen bereits berichtet. Weniger bekannt möchte aber der Umstand sein, daß ein armer Mann der Behörde anzeigte, man möchte an einem gewissen Tage, den er nannte, die Fahrt mit dem Dampfwagen aussctzen, da ihm geträumt habe, cs werde ein Unglück geschehen. Man ließ sich jedoch natürlich nicht abhaltcn, an dem bczcichneten Tage zu fahren, und un- vermuthetcr Weise — ging der Traum in Erfüllung. — Wenn die Träume wieder die Zukunft zu prophczcihen anfangen, was soll dann aus unscrm aufgeklärten Zeitalter werden? „Ein Traum ist alles Leben," sagt ein spanischer Dichter, „und die Träume selbst ein Traum." Die geistreiche Gattin des ersten Königs von Preußen sagte sterbend zu ihrer Umgebung, in der sich auch, wenn wir nicht irren, Leibnitz befand: „Meinem Gemahl mache ich doch wenigstens die Freude durch meinen Tod, daß ich ihm Gelegenheit gebe, ein prächtiges Leichenbegäng- niß anzuordncn." Electricität des Dampfes. Nach englischen Provin zialblättern hat man die Entdeckung gemacht, daß der aus den Dampfkesseln von Locomotiven aufsteigende Dampf bedeutende Quantitäten elektrischen Fluidums entwickelt. Ein Ingenieur, der an einer Dampfmaschine auf einer Eisenbahn bei New castle die eine Hand in den aus einer Oeffnung des Kessels ausströmenden Dampf hielt, und zugleich die andere Hand auf die Sicherheitsklappe legte, fühlte einen elektrischen Schlag, der ihn fast zu Boden warf. Notiz für plastische Künstler. Aus Carara hat der Bildhauer Woltrcck über die Marmorbrüchc bei Scrravezza folgende höchst interessante Notiz mitgebracht. An dem Monte Eorchia, vier Stunden hinter Serravczza, hat man zwei Mig- licn von dem Dorfe Livigliani vor einigen Monaten oberhalb des Berges eine unterirdische Höhle entdeckt, welche von dem schönsten Raturmarmor gebildet wird. Der Stein ist blendend weiß, vom feinsten Korn und besonders guter Härte. Die wunderbar herrlichen Marmorlagen gewähren einen wahrhaft bezaubernden Anblick. Der Strich des sogenannten Mutter flecks (msilrs inuccbia) verspricht den Bildhauern Blöcke ohne Flecke und in großen Dimensionen. Wer sich mit Augen über zeugen konnte, mit welchen Schwierigkeiten der Künstler bei der sichern Wahl eines makellosen Stücks zu kämpfen hat, und welchen Aufopferungen er sich dabei unterworfen sicht, wird die Wichtigkeit dieser Entdeckung ermessen können! Schon da durch, daß Concurrenz eintritt, wird die Willkür der Mar- morspeculanten einigermaßen gemäßigt. Die Entdeckung aber ist um so erfreulicher, je mehr die andere schöne Hoffnung, der man sich Jahre lang hingegeben, die Marmorgruben des grie chischen Mutterlandes wieder nutzbar zu machen, durch die Saumseligkeit der griechischen Regierung gänzlich versiegt. Der Eingang zur Höhle ist so niedrig, daß man nicht blos auf allen Bieren zu kriechen genöthigt ist, sondern sich selbst auf dem Leibe wie eine Schlange durchwinden muß. Diese be schwerliche Operation währt fünf Minuten, dann erweitert sich die Höhle zu einer Oeffnung von 10 bis 12 Fuß Breite, bei einer Höhe, die an manchen Stellen 30 bis 50 Fuß erreicht. Aussprüche von Thomasius. Dieser gegen den Pe dantismus seiner Zeit als Reformator ankämpfcndc berühmte Gelehrte mußte, wenigstens in seinem frühern Lebensalter, mancherlei Unbilde von seinen Feinden leiden. Unter andern ward er von der Universität Leipzig vertrieben und ging nach Halle, wo seinetwegen und auf seine Veranlassung die Uni versität Halle gegründet wurde. Seine Monatschriftcn, die er hcrausgab, enthalten sehr schätzenswerthe Aufschlüsse über die damaligen Händel und werfen ein Helles Licht auf jene Zeit. Daß diese in mancher Beziehung noch nicht aufgehört hat, der unsrigcn zu gleichen, beweist z. B. folgender Ausspruch über das Studium der Mathematik. „Die Mathcsis," sagt Thomasius im Scherze von sich, „habe ich leider nicht ge lernt, weil dieses höchst nützliche Studium auf Akademieen so wohl culpa clocentiui» als cliscentinm" (d. h. sowohl durch die Schuld der Lehrenden, wie der Lernenden) „gemeiniglich verachtet und negligiret wird." (Märzmonat der ernst - und scherzhaften Gespräche, 1689.) Eine sehr tiefsinnige Bemerkung von Thomasius befindet sich in der Vorrede zu seinen „juristi schen Händeln," (B. 1.) wo cs als eine Warnung also heißt: „Auch die Entdeckung der nützlichsten Wahrheiten hat ihre Zeit, und die göttliche Weis heit gibt zuweilen unvermuthcte Erinnerungen, daß man da mit inne halten und die weitere Fortpflanzung derselben den Nachkommen überlassen solle." Winke Liber die Art, zu sprechen. Jedermann besitzt eine natürliche und eine künstliche Stimme. Die natürliche dient für die gewöhnliche, schlichte Redciveise im Leben, für geschäftliche und freundschaftliche Unterhaltung, die künstliche — oder wie der Kunstausdruck lautet, die Sonntagsstimme — ist der öffentlichen Rede, den Ceremonienvisitcn und den Liebeserklärungen geweiht. Sie hat etwas viel Klingenderes, Metalleneres, Nachdrücklicheres, als die gewöhnliche. Nehmt einmal Jemanden, der diesen Unterschied nicht gel ten lassen will, bei der Hand und führt ihn in eine Gesell schaft ein, die er nicht kennt und ich wette — sobald er die Salonluft riecht, wird er die Herrin des Hauses mit der Sonntags st im me begrüßen. Die Stimme eines Menschen ist sehr bezeichnend, aber, so wie ein Carrikaturist in große Verlegenheit kommen würde, wenn er sic malen sollte, so müssen auch wir uns auf einige allgemeine Kennzeichen beschränken. Eine gemeine Stimme ist beinah ohne Ausnahme eine un erläßliche Begleiterin eines hohlen und flachen Kopfes, einer ordinären Erziehung und eines plumpen unausgcbildetcn Charakters. Eine schreiende Stimme kann niemals einer Person für die gute Gesellschaft angchörcn.