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und Würzburg und war im Begriff, nach Paris zu Ca- vaille-Col zu gehen, als der Krieg 1870 aüsbrach und wei teren Plänen ein Ziel setzte. Seine Eltern kauften die Werkzeuge Kohls und verhalfen ihrem Sohne damit 1872 zur Gründung einer eigenen Orgelwerkstätte. Hermann Eule besaß den Blick für die Schwächen des älteren Orgel baues und den Willen, diese zu beheben, um den sächsischen Orgelbau gegenüber außersächsischer Konkurrenz leistungs fähig zu erhalten. Er erwarb sich das Verdienst, 1900 in Sachsen die Kegellade eingeführt zu haben und ging bald darauf zur reinpneumatischen Taschenlade über, deren Lizenz für Sachsen er sich verschaffte und wesentlich ver besserte. Dadurch erlangten Eules Werke eine außer ordentlich sichere Funktion und Stabilität. In der Into nation des Klangmaterials hat er sich von überschweng lichen Differenzierungen ferngehalten, vielmehr stets einen gesunden Ton bevorzugt, gerade das, was die neueren Be strebungen im Orgelbau wieder festzuhalten suchen. Wäh rend die älteren Orgelbauer der Oberlausitz selten über ein Dutzend Orgelbauten hinauskamen, hat Hermann Eule bis jetzt über 170 Neubauten ausgeführt. Die Krone seiner Schöpfungen ist die große Domorgel in Bautzen, ein Werk, bas allen Anforderungen der Neuzeit in technischer wie klanglicher Beziehung erfüllt. Die Zittauer Hauptkirche zu St. Johannis hatte bereits im 14. Jahrhundert drei Orgeln. Ihre Verfertiger werden auswärtige Orgelbauer gewesen sein, auf die Zit tau übrigens noch lange angewiesen blieb. Man nennt zwar als Orgelsetzer um ISIS einen Baltzer (Balthasar), um 1600 einen Hans Held und 1614 einen Johann Räthelt, ohne Näheres von ihnen zu wissen. Dagegen finden sich 1S60 Franz Heidenreich aus Löbau, 1S79 Franz Rüdner aus Prag, 1611 Zacharias Friedel aus Bunzlau (er nennt sich zwar „von Sittau", ist aber seit 160S Orgel macher und Bürger zum Buntzel), 1661 Georg Weindt aus Schluckenau, 1865 Christoph Dreßler aus Leipzig (1739 auch noch Gottfried Silbermann aus Freiberg und wieder 100 Jahre später die Gebrüder Jehmlich aus Dres den) in Zittau ein, um Orgelreparaturen und Neubauten vorzunehmen. Erst 1688 faßt der kunsterfahrene Johann Rätzelt, berühmter Orgelmacher aus Stettin, hier Fuß, macht sich 1694 auf der Schrötergasse 452 ansässig und er öffnet eine Zittauer Werkstätte für die kommenden Jahr hunderte. Er betätigte sich u. a. in Löbau 1689 und von 1691 ab in Spremberg, wo ein von ihm unterzeichneter Orgelvertrag noch im Kirchenbuche steht. Ihm folgte 1717 bis 1789 Johann Gottlieb Tamttius, der Sohn des Dresd ner Hoforgelbauers gleichen Namens, der den Orgelbau in größerem Umfange betrieb und bis 1787 bereits mehr als 24 Orgeln geliefert hat. Ein Verzeichnis darüber findet sich in den Silbermannakten des evangelisch-lutherischen Pfarramtes. Er durfte bei der Übernahme der großen Silbermannorgel in der Johanniskirche 1741 als Sach verständiger neben dem Dresdner Konzertmeister Pi- sendel mitwirken. Er leitete auch den Wiederaufbau der Orgel zu Ebersbach 1738, die aus der Zittauer Johannis kirche stammte. Seine Werkstätte befand sich von 1728 ab auf der Hintergasse 365. Das Erbe übernahm zunächst der Sohn Johann Gottlob Tamitius, geboren 1738, dann aber auch der Schwiegersohn Leonhard Balthasar Schmahl, ge storben 1779, und dessen Sohn Johann August Schmahl um 1800. Weitere Zunftgenossen sind Johann Gottfried Augu stin, gestorben 1814, Johann Valentin Englert, gestorben 1840, und endlich seit 1869 der bereits unter Bautzen er wähnte August Schuster, dessen Firma A. Schuster lL Sohn in Zittau, Löbauer Straße 14, noch heute unter seinem Enkel Georg Schuster blüht. Von dieser Werkstätte, die hauptsächlich den Zittauer Kreis beherrscht, aber auch nach Böhmen ansehnliche Werke geliefert hat, werden ebenfalls Orgeln nach röhrenpneumattschem System und mit allen neueren Errungenschaften angefertigt. Ihre schönste Auf gabe hat sie in der Wiederherstellung der alten Zittauer Orgel in Ebersbach 1902 erfüllt und damit der Heimat einen besonderen, dauernd anzuerkennenden Dienst geleistet. Einen Orgelbauer von außerordentlichen Qualitäten hat auch Kamenz einmal gehabt: Johann Lange, 1579 bis 1616. Er stammte aus den Ditmarschen und baute 1580 in Bunzlau, 1584 in Leisnig, 1590 in Bischofswerda, 1592 in Torgau, 1601 in Oschatz, 1602 wieder in Bischofswerda, 1593 und 1607 in Rochlitz, 1600 in Trachenberg (Schlesien) und 1615 in Löbau. Sein merkwürdigstes Werk ist ein Positiv von 1580 in einem von dem großen Bildschnitzer Christoph Walter aus Breslau geschnitzten, altarähnlich aufgebauten kostbaren Schreibtisch, der als Sehenswürdig keit lange in der Dresdner Kunstkammer stand und noch heute im Historischen Museum als ein Unikum gezeigt wird. In ihm haben wir die älteste noch spielbare Orgel Sachsens vor uns. Das Pfeifenwerk mit 4 Registern und die Bälge liegen im Unterbau. Die Tasten sind mit Ala baster belegt. Es kann nicht Aufgabe dieser Skizze sein, alle Klein meister zu erwähnen, die jemals eine Orgel oder ein Posi tiv in der Oberlausitz hergestellt haben. Es sind auch Lieb haber und Bastler darunter, mehrere Tischler, zwei Schul meister, ein Gartenbesitzer und ein Müller. Nur die in Neugersdorf tätig gewesenen Gebrüder Reiß, von dem der eine ein Schwiegersohn des Gersdorfer Tischlers und Orgelbauers Johann Gottlieb Müller war, sind noch zu nennen, sie haben in der Zeit von 1824 bis 1848 eine ganze Reihe oberlausitzer Kirchgemeinden mit Orgeln versorgt und Anerkennung gefunden, doch sind ihre Werke nunmehr längst durch den neuen Orgeltyp überholt worden. Nicht ohne Sorge verfolgt man den Orgelbau in der Oberlausitz, denn durch den Krieg ist die Lage sehr heikel geworden. Die Kirchen sind verarmt, den Werkstät ten fehlen die ständigen Aufträge, auch werden gern Groß firmen außerhalb Sachsens bevorzugt. Es wäre jedenfalls bedauerlich, wenn nach den Glockengießern auch die Orgel bauer aus der Oberlausitz verschwinden und nach den grö ßeren Städten abwandern würden. Dem Orgelbau wohnt im allgemeinen nicht die kapitalbildende Kraft inne wie anderen Industriezweigen. Die Orgelbauer müssen viel Idealismus aufbringen, neuerdings wird auch ein großes Maß musikhistorischer Kenntnisse und akustischen Verständ nisses verlangt, um den Orgelbau mit den Forderungen der Orgelspielkunst in Einklang zu setzen. Die Klavierinöustrie löst das Problem mittels der Tasten Saiten zum Klingen zu bringen. Die alte Zeit be nutzte hierzu entweder Tasten-Tangenten mit kleinen Blech platten am Ende, die an die Saiten schlugen und nannte solche Instrumente Klavichorde, oder Tasten-Tangenten mit Rabenkielen am Ende, die die Saiten rissen, und nannte solche Instrumente Spinette, Kielflügel, Klavicymbale, falls sie aufrecht standen: Klavicytherien, Arpichorde. Das Klavichord war der Konstruktion und der Tonkraft nach das einfachere Instrument, sein mäßig starker Klang und die leichte Reparaturfähigkeit machten es zum beliebtesten Haus- und Unterrichtsinstrument. Christian Weise, der be kannte Schulrektor des Zittauer Gymnasiums, hat dem Klavichord um 1684 ein rührendes Liedchen gesungen. Die Modulationsfähigkeit des Tones durch den Anschlag: Forte, Piano, Bebung waren weitere Vorzüge des Instrumentes. Die Spinette klangen härter infolge des Anreißens der Saiten, und die Kielflügel bezw. Klavicymbale waren rau schende, durchdringende, für die Mitwirkung im Orchester berechnete Instrumente. Fabrikanten aller dieser Instru mente waren bis ans 18. und 19. Jahrhundert hinein die Orgelbauer, die sich daher gern zugleich Instrumenten- macher nennen. Bautzen hatte schon um 1400 seinen „Snar, wacher", der Saiteninstrumente irgendwelcher Art baute.