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Aus der Chronik von Kleinwelka Xnno 1813 Mitgeteilt von Erwin Ritter „Erinnerungen an die Vorkommenheiten der Gemeine zu Klein-Welka während der in ihrer Nähe sich ereignenden Kriegsvorfälle in der ersten Hälfte des Jahres 1813" (Schluß.) Nun war auch unserer Gemein-Saal so weit in Ord nung gebracht, daß man von demselben wieder Gebrauch machen konnte. Es wurde daher abends um 7 Uhr eine allgemeine Versammlung angesagt. Nach dem Gesang eini ger Verse erinnerten wir uns in der Kürze an die unzäh- lichen Beweise der Bewährung, Unterstützung und Durch hülfe durch Gottes treues Walten. Insbesondere beteten wir ihn im Staube dafür an, daß er selbst in den bedenk lichsten Augenblicken uns Geistesgegenwart und Mut — denn er vermochte es allein — erhalten hatte. Das mächtige Gefühl seines gnädigen Bekenntnisses zu unseren Bedürf nissen war bei dieser Zusammenkunft mit solcher Gottes- Kraft zu spüren, daß der Eindruck gewiß allen Anwesen den in froher Erinnerung bleiben wird. Am 5. Juni war morgens auch der Directeur und die noch zurückgebliebenen Employes der Ambulance von hier nach Bautzen abgegangen, so daß sich nach vterwöchent- lichen Störungen unser Ort zum ersten Mal wieder ohne Einquartierung befand. Dies war uns um so angenehmer, da wir das Pfingstfest ohne alle Störung von außen zu begehen hoffen durften. Am 7. Juni wurden in der Gemeinstunde der Knabe Zippel und die ledige Schwester Schenko in die Gemeine ausgenommen. Unseren auswärtigen Geschwistern wurde auf ihr Verlangen eine Rede gehalten. Man erfuhr von ihnen auch viele Beweise der Durchhülfe Gottes aus den vorigen Wochen. So war ein alter Bruder, dem das Gehen schon ziemlich schwer wird, in Kreckwitz, einem der ge fahrvollsten Punkte des Schlachtgetümmels vom 21. Mai, so lange in seinem Haus geblieben, bis die Kugeln von allen Seiten hineinflogen. Er ging hinaus und kam mehrmals ganz in die Nähe der Kämpfenden. Da ich — so erzählte er — endlich gar nicht mehr wußte, wo ich einen Ausweg neh men sollte, stellte ich mich hinter eine breite Eiche und redete mit meinem Heiland gründlich über meine Lage. Da wurde mir sehr wohl, und es fiel mir das Wort aus dem 82. Psalm ein: „Du bist mein Schirm, Du wollest mich vor Angst be hüten, daß ich errettet ganz fröhlich rühmen könne." Das kann ich jetzt. Ich bin nicht abgebrannt und von dem, was in meinem Hause war, habe ich recht viel wieder gefunden. Meine Frau aber war ängstlich und flüchtete früher und nahm vielerlei mit, sie wurde aber rein aus geplündert usw." Am 8. Juni nachmittags wurden wir durch Ankunft von 340 Pferden und 180 Stückknechten in Verlegenheit ge setzt. Sie bivouakierten zwar, allein unsre Wiesen und Gras-Gärten wurden sehr mitgenommen, an einzelnen Stellen selbst Korn abgemäht und wir mußten die Leute mit Essen versorgen. Sie betrugen sich aber so bescheiden und ordentlich, daß man nicht die geringste Beschwerde über sie führen konnte und auch am 9. Iuni unsere Versammlungen, deren Sommerein richtung wieder angefangen wurde, ohne Bedenken gehalten werden konnten. Man hatte gefürchtet, sie auf längere Zeit hier behalten zu müssen, was wegen der Fourage mit vie len Schwierigkeiten verbunden gewesen wäre. Allein den 10. Juni morgens verließen sie uns. In diesen Tagen war auch manchmal ein Ingenieur-Offizier hier, der den Auftrag hatte, einen Plan von der uns so nah gewesenen Schlacht aufzunehmen. Wir freuten uns beim Hinblick auf unsere unversehrt gebliebenen Woh nungen und anderer wesentlicher Bedürfnisse, unseres Eigentums, der so schaudervoll drohenden Gefahr, die uns durch seine Erzählung noch mehr ausgewickelt wurde, noch so glücklich entgangen zu sein. Eine neue Ermunterung gab uns auch die in diesen Tagen eingegangene Nachricht von einem abgeschlossenen Waffenstillstand, der durch die Reise Napoleons — der gestern durch Bautzen nach Dres den geeilt war — bestätigt wurde. Unsere lebhaftesten Wünsche vereinigten sich zu unserm Gott zu flehen, daß er der leidenden Menschheit bald einen dauerhaften Frieden und auch unfern Gegenden aufs neue Ruhe und wachsenden Wohlstand nach so vielen unersetzlich scheinenden Verlusten aus Gnaden verleihen, uns insbesondere auch Weisheit, Kraft und Treue schenken und erhalten wolle, unsre Zeiten und bewahrte Besitzungen nun zur Freude seines Herzens und Verherrlichung seines Namens anzuwenöen, damit die Friedens-Absichten, die er gewiß bet dieser Heimsuchung unserer Gemeine auch zu unserm Besten und seinem durch Ernst und Liebe gleich zärtlich gesinnten Herzen hegte, an keinem unter uns verloren sein und unbenutzt bleiben möchte." Die folgenden Monate bis Anfang September blieben ruhig und Kleinwelka verschont von weiteren Unruhen. Und die Chronik fährt dann wieder weiter fort: Den 2. September des Jahres 1813 fingen die schon seit einigen Tagen in Umlauf gekommenen Gerüchte von einem avermangen Rückzüge der Franzosen aus Schlesien, sich zu bestätigen. Das Flüchten der Landleute, die mit ihren Sachen und Vieh durch unfern Ort zogen, um in den Heidegegenden Schutz zu finden, nahm von Stunde zu Stunde zu, und am Abende sah man längst des Gebirges, in der Gegend von Hochkirch die Wachtfeuer eines sehr bedeutenden Corps. Das benachbarte Klein-Setdau erhielt eine starke Einquartierung von hessischen Truppen. Meh rere derselben kamen zu uns herein, verursachten aber nicht die geringste Störung. Den 3. September kamen gegen 500 Husaren nach mittags hier an. Die Offiziere wurden einquarttert; ihre Leute aber mußten draußen mit Essen und Pferde-Futter versehen werden. Sie brachen aber nach einem kurzen Aufenthalt wieder auf. Etwa eine Stunde später — nach ihrem Abmarsch hör ten wir — eine schreckliche Explosion, von welcher man späterhin erfuhr, daß sie durch das Auffliegen von etlich und 40 Pulverwagen entstanden war, welche die Kosaken etwa 3 Stunden von hier auf der Dresdner Straße weg genommen und angezündet hatten. Die Husaren, die das hindern sollten, trafen zu spät ein und waren auch zu schwach. Am 4. September kam in aller Früh ein Uhlan, der eine Lieferung von einigen Kühen und eine Quantität Brot erzwingen wollte. Man war aber so glücklich, den größten Teil seiner Forderung durch ein Geschenk an Geld zu beseitigen. Gegen 9 Uhr lagerte sich eine starke Anzahl Infanterie vor dem Orte und verlangte eine bedeutende Anzahl Brote und 4 Wagen Fourage. Um den Empfang ihrer Forderungen um so mehr zu sichern, drangen sie dar auf, den Bruder Wannack als Geisel wegzuführen, un geachtet man sie dadurch zu bedeuten suchte, daß er als Richter notwendig zugegen sein müßte, um das Verlangte zusammen zu treiben. Aus dieser peinlichen Lage riß uns die unerwartete Ankunft von 600 Mann kaiserlicher fran zösischer Garde-Dragoner, deren prächtige Rüstung und mit langen Pferdeschweifen gezierte Kaskets einen imposanten Anblick gewährten. Schon freuten wir uns, baß uns von ihnen befohlen wurde, der erwähnten Infanterie nichts ver abfolgen zu lassen, als wir uns in die größte Verlegen heit gesetzt sahen, indem nicht nur die 500 Husaren, die gestern hier gewesen waren, sondern auch noch 500 andere