Volltext Seite (XML)
«ine Dankespfltcht sein, dieses großen Mannes Ehrentag würdig zu feiern, denn am 22. Januar wurde der Name unseres Ortes auch dort genannt, wo man sonst die „Les singstadt" nicht einmal dem Namen nach kennt. Von allen Städten Sachsens darf sich Kamenz rühmen, die Wiege eines der größten deutschen Dichter in seinen Mauern ge sehen zu haben. Dr. Gerhard Stephan. Aus der Chronik von Kleinwelka Xnno 1813 Mitgeteilt von Erwin Ritter „Erinnerungen an die Borkommenheiten der Gemeine zu Klein-Welka während der in ihrer Nähe sich ereignenden Kriegsvorfälle in der ersten Hälfte des Jahres 1813" (Fortsetzung.) 16. Mai: Ein großer Teil des Groß-Welkaer Ge hölzes wurde niedergehauen, um Lagerhütten zu bauen, für welche auch unsere Holz- und Strohvorräte, sogar unsere Gartenzäune und zum Teil auch die Schuppen und Häuser auf eine schreckliche Weise das Material hergeben mußten. Es war ein schauerlicher Anblick, da wir abends gegen 4000 Mann — und alle mit Stroh bepackt, welches sie in den benachbarten Dörfern z. T. durch gänzliches Ein reißen der Häuser erbeutet hatten — in dumpfer Stille durch den Ort ziehen sahen. Im Dorfe Kleinwelka (die Colo nie Kleinwelka ist von der Brüdergemeinde ge gründet, die zwei Teile Dorf und Colonie bestehen jetzt noch als zwei Gemeinden mit eigener Verwaltung), dessen Einwohner geflohen waren, wurden auch Häuser abgedeckt und mehrere Scheunen ganz abgebrochen. Bei dieser augen scheinlichen Gefahr ward uns eine Last, die uns sonst fast unerträglich geschienen hätte, eine wahre, unseren Mut wie der etwas belebende Wohltat: wir bekamen nämlich in unfern Ort, der noch nicht vierzig Häuser zählt, den ganzen Generalstab des vierten Armee-Corps, das General Bertranü kommandierte, bestehend aus 22 Generalen und mehr als 200 Offizieren zur Ein quartierung. Sämtliche Offiziere betrugen sich sehr gütig und teilnehmend und waren bei Tag und Nacht bereit, vor fallenden Unordnungen nach Möglichkeit zu steuern. Durch ihre tätige Dazwischenkunft wurden den 17. Mat im Schwestern-, Witwenhaus und in der Mäd chen-Anstalt die in großer Anzahl eingedrungenen Plünde rer, denen die zur Wache bestellten Brüder nicht wider stehen konnten, noch in Zeiten verjagt, ehe sie größeren Schaden anrichteten. Im Schwesternhaus, wo auch ein General im unteren Stocke mit seinem zahlreichen Gefolge logierte, setzte derselbe Todesstrafe darauf, wenn einer aus seiner Begleitung sich in das obere Stock wagen würde. An Sie vorzüglich bedroheten Orte wurden auf Verlangen Schildwachen gestellt, die zuletzt selbst bet dem Brunnen nötig wurde, um gänzlichem Wassermangel vor- zubeugen. In das Witwenhaus kam eine Wache von 16 Mann, die überall hingerufen werden sollte, wo sich jemand Unordnung erlauben würde. Dennoch konnte dem Ungestüm der zahlreich hereinbrechenden Menschen-Menge nicht über all Einhalt getan werden. Mehrere kleine Häuser wurden fast gänzlich ausgeplündert. Nur mit äußerster Anstrengung der aufgestellten Schildwachen konnten die Bäckereien gesichert werden, aus denen früher schon manches an fertiger Ware, Butter und Zucker usw. gewaltsam genom men worden war. Am Abend vermehrten sich unsere Sorgen durch die vielen und großen Lagerfeuer, die rings um uns her und auch im Orte oft nahe an den Häusern angezündet wurden. Schauervoll-prächtig war der Anblick dieser Feuer, welche uns bis hinter Hochkirch auch von der verbündeten Armee entgegenstrahlten und unsere Vermutung bestätig ten, daß diese beiden großen Corps hier wohl Stand halten und eine Schlacht liefern würden. Man hatte glücklicher weise keine Zeit, dergleichen traurigen Ahndungen nach zuhängen, da augenblickliche Not und Arbeit jeden Augen blick ausfüllte. Nur der wallenden Treue unseres lieben Herren allein, kann man es zuschreiben, daß nicht schon in dieser Nacht unsere Häuser in Asche gelegt wurden. Mit Lichtern und Feuerbränden durchsuchten die beutehungrigen Gäste Heuböden, Häuser und Keller. In einem Dorf-Hause entdeckte man sogar, daß sie einen Strohbund angezündet hatten, um es abzubrennen, das Feuer war aber von selbst wieder ausgelöscht. In Klein-Seidau — 10 Minuten von uns entfernt — steckten sie einen mit Sachen angefüll ten Keller in Brand, dessen langsames Ausglimmen noch viele Tage Gefahr örohete. Das Erbarmen Gottes schützte uns gnädig, daß wir den 18. Mat das Wort der Losung: „DerHerristeinEr- löser und Nothelfer und tut Zeichen und Wunder, beide im Himmel und auf Erden" aus der Fülle unseres dankbaren Herzens, aus eigner Er fahrung bestätigen konnten. Dies bewahrte uns auch vor dem Sinken und Wegwerfen unseres Vertrauens, bei unseren stündlich wachsenden Verlegenheiten. Abgeschnitten von allen Orten, die unsere schwindenden Vorräte ersetzen konnten, im Mittelpunkt eines Lagers, das uns von allen Seiten umschloß, mußten wir befürchten, bald am notwen digsten Mangel zu leiden, und besonders auch die sich zei genden und erneuernden Requisitionen nicht mehr befriedigen zu können, welches uns bis jetzt vor dem gänz lichen Ruin zu schützen schien. Mit traurigen Empfindungen sahen wir Rindvieh, Schweine, Federvieh, Getreide,Holz und so viele andere zum häuslichen Bedarf unentbehrliche Sachen einen Tag nach dem anderen gewaltsam ins Lager führen. Nur selten fand in diesem Falle Abhilfe statt, weil sich auch wenig Einwohner der Unsicherheit wegen vor den Ort hinaus wagten, doch wurden der Schwester Fren- zel ihre 8 Kühe im Lager zurückgegeben, wohin sie ge gangen war, um ihre Not vorzustellen. Zugleich sahen wir immer mehr beunruhigende Vor kehrungen um uns herum. Auf dem Windmühlen- Berge von Groß-Welka wurde eine Verschanzung von bedeutendem Umfange aufgeworfen und mit Kanonen besetzt. Auf der Wiwalze und späterhin ganz nahe bei der Brüderhaus-Scheune wurden auch Batterien aufgeführt. Eine dumpfe Spannung bei Nacht und Tag, durch nichts als beständiges anstrengendes Rekognoszieren größerer und kleinerer Detachements unterbrochen, schien die Offiziere, die schon am 17. eine Schlacht erwartet hatten, über die Verzögerung der Ankunft des Kaisers Napoleons zu setzen, die, wie sie meinten, nur durch ein ungünstiges Ereignis ernötigt sein könnte. Desto lebhafter war ihre Bewegung, als den 19. Mai gegen Mittag unerwartet die Nachricht eintraf, der Kaiser sei da. Er eilte mit ungeheurer Geschwin digkeit die mehrere Meilen lange Linie seiner Truppen entlang, um alle Anordnungen selbst zu prüfen und näher zu bestimmen. Napoleon wurde, wie einige Brüder als Augenzeugen versicherten, von den Soldaten, die alles Un gemach bei seinem Anblick zu vergessen schienen, mit viel Enthusiasmus empfangen. Bald nachher vernahm man eine Kanonade von Königswarbe (- wartha). Sie war an haltend und heftig und hatte die gänzliche Vereinigung des Neyschen Korps mit der Hauptarmee /zur Folge, wodurch der Plan zu der morgenden Schlacht seine Reife erhielt. Nun entstand bei der Armee eine große Tätigkeit. Märsche und Gegenmärsche machten den ganzen Abend und die folgende Nacht sehr unruhig. Eine württem- bergische Division und das ganze Corps des Herzogs von Tarent ging durch «nsern Ort, der jetzt von der