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Gbsrlaufltzsr Heimatzoltung Nr. 7 100 Gesinnungstreue und Charakterstärke. Hier wird eine Mah nung vvn Geschlecht zu Geschlecht weitergegeben. Das Heidemuseum in Wilsede in der Lüneburger Heide, das stolze friesische Bauernhaus als Dorfmuseum in Keitum auf der Insel Sylt, das Klaus-Groth-Museum in Heide, vor allem aber das Osterfelder Bauernhaus bei Husum sind mustergültig in ihrer Art und Ahnentreue. Hier ist alles echt, wertvoll und gestaltet. Zweckhaftes und Schönes sind großartig miteinander verbunden. Das schönste aber bleibt es doch, wenn ein Dorf als Ganzes wie ein Stück reinster Kultur lebendig ist, wenn es den Geist seiner Ahnen spüren läßt, seine Menschen lebensoffen und helläugig in die Gegenwart stellt und seine Wegweiser vom Dorfplatz auch in die Zukunft richtet. Aus Gärten, Wiesen, Feldern und Wäldern wird jedes Jahr die Ernte in die Scheunen gefüllt. Ein allge meines Behagen und glückliches Zufriedensein geht hinter der letzten Fuhre her. Vergessen wir aber nicht, daß mit den Früchten und Ernten der Jahreszeiten nicht nur das Brot der Kraft, sondern auch der Wein der Freude eingefahren wird. Diese Freude wächst aus der Fülle der heimatlichen Welt. Sie ist so reich und stark, daß auch die Stadt aufs Land kommen kann. Viele, die sich heute aus der Stadt hinaussehnen und zurückwollen zur Natur, haben da draußen den Brunnen entdeckt, von dem das Lied singt: Und wer des Brünnleins trinket, Der jungt und wird nicht alt. Und wenn sich im Gedanken daran die Besten der Stadt mit den Guten im Dorf verbinden, so werden Dorf und Natur die heilige Halle unseres Volk stumes und zeigen den Weg zu jener Kultur des Volksganzen, die hin will zur Vervollkommnung des einzelnen wie der Ge samtheit. Schön, sinnvoll und vollendet sieht nun der ein zelne sein Leben in seinem Kreis,' schön, sinnvoll und voll endet durch eine Summe von Kreisen wird dann auch die Welt. Darin liegt das Ziel und geheime Gesetz der Dorf kultur. Zwei Briefe Johann Adam Hillers an den Görlitzer Rat Von M. G o n d o l a t s ch - Görlitz Vor wenigen Wochen haben wir den 260. Geburtstag Joh. Ad. Hillers gefeiert. Es dürfte deshalb von Inter esse sein, zwei Briefe des Künstlers, die er an den Görlitzer Rat gerichtet, in der OHZ. zu veröffentlichen, zumal man aus beiden ein paar hervorstechende Charakterzüge Hillers deutlich erkennen kann: seine große Heimatliebe und sein ausgeprägtes Verantwortungsgefühl. Im Jahre 1764 war der Görlitzer Kantor Christian Daniel Urban gestorben. Um die freigewordene Stelle be warben sich zehn Musiker, nämlich: 1. Johann Christian Wünsch aus Leipzig (geboren in Friedersdorf), 2. Kantor Johann Gottlieb Göpfert aus Weesenstein, 3. Kantor Jo hann Wilhelm Drabitius aus Forst, 4. Kantor Friedrich Sigismund Fischer aus Lübben, 5. Kantor Johann Chri stoph Zier aus Löbau, 6. Johann Büchner aus Leipzig (ge boren in Lissa bei Görlitz), 7. sind, theol. Theuner aus Leipzig (stammte aus Meffersdorf), 8. Kantor Georg Gott fried Petri aus Guben, 9. Kantor Birlitz aus Colbitz, 1g. stud. theol. Johann Georg Knorr aus Wittenberg. Diese Meldungen gingen in der Zeit vom 14. März bis 19. April ein,' aber schon am 7. April findet sich im Diarium consu- lare (Ratsarchiv) die Notiz: „Zu gedenken, daß Hr. Hiller, Dir. Mus. in Leipzig, ein gutes Lob habe und verdiene, bey Besetzung des hiesigen Cantvrats in Betrachtung ge zogen zu werden. Beschluß: Es soll der Herr Dir. sondiert werden, ob selbiger geneigt seyn möchte, einen Berufs zu hiesiger Stadt zu folgen." Hillers Jugendfreund, der Sena tor Karl Gottlob König, übernahm den Auftrag, an ihn zu schreiben und erhielt als Antwort folgenden Brief Hillers vom 12. April 1764: „Hochedler, Hochzuverehrender Herr! Nie habe ich noch ein Schreiben mit so viel Unentschlossen heit beantwortet, als dasjenige, womit mich dieselben vom 7. April a. c. beehrt haben. Die Stimme eines geliebten Freundes, ein ganzes, ehrwürdiges Rathscollegium ruft mich zu einem Amte, in einer Stadt, wo ich die ersten Leh ren der Weisheit und Tugend eingesogen; in einer Stadt, die ich seit 20 Jahren nicht gesehen, aber alle Tage zu sehen wünsche, da zumal der Ort meiner Geburt nur eine Meile davon entfernt ist. Mit welchem Vergnügen würde ich die sem Rufe folgen, wenn die Vorsehung meine Bestimmung nicht anders geordnet zu haben schiene. Ich habe bey dieser Gelegenheit die ganze Gewalt empfunden, welche die Liebe zum Vaterlande, und das dulce natale solum über das Herz des Menschen haben. Der Entschluß, den ich endlich gefaßt, ist in der That nicht das Werk einer Viertelstunde. Ich habe mich geprüft, ich habe meine gegenwärtige Situa tion erwogen, und nach reiflicher Überlegung habe ich end lich gefunden, daß ich meinem Herzen die Gewalt anthue, und einen für mich so rühmlichen Ruf bey einem Hoch edlen und Hochweisen Rathe mit geziemender Ehrfurcht verbieten müsse. — Es ist wahr, ich lebe ohne ein nam haftes Amt: aber eben die Ursachen, die mich abhielten, vom Reichsgräfl. Brühlischen Hause, in welchem ich über 5^ Jahre als Hofmeister gestanden habe, eine Versorgung zu begehren, halten mich auch jetzt ab, meinem geliebten Görlitz mit den wenigen Gaben, die ich etwa besitze, zu dienen. Ich befinde mich nemlich mehrentheils in unpäß lichen Umständen, und zwar so, daß es mir zu allen wich tigen Unternehmungen und Veränderungen am Muthe fehlt, außer zu denen Geschäften, die ich nach meinem Ge- schmacke gewählt habe, und die mir Freyheit lassen, mich nach meinen Umständen zu richten. Sie werden, Hochedler, den Nahmen meiner Kranckheit vielleicht erraten: in der That habe ich zeit meines Lebens von der Hyponürochie so viel erlitten, als irgend ein anderer. — Unter meinen Ge schäften will ich Ihnen nur unser großes Concert nennen, dessen Direction mir von der hiesigen Kaufmannschafft auf getragen ist, und welches mich so sehr beschäftigt und er muntert, daß ich jetzt anfange, die Music zu meinem Haupt geschäfte zu machen, und daß ich Leipzig nicht ohne eine andere Art von Widerspruch und Gewalt verlassen könnte. — Dancken Sie demnach, Geehrtester Freund, einem gan zen Hochansehnl. Collegio für das gegen mich gehegte gütige Zutrauen,' versichern Sie dasselbe meiner tiefsten Ehr erbietung, die ich gegenwärtig durch nichts anderes zeigen kann, als daß ich, wenn man von hier aus ein geschicktes Subjekt verlangen sollte, mit meinen Vorschlägen gern auf warten wollte,' wie denn ein paar gute Leute aus unserm Orchester, Hr. Wunsch und Hr. Theinert (s. o. Nr. 1 u. Nr. 7), mir ihre Lust zu dieser Vacanz bezeugt haben,' der letz tere, der sicher mehr Studia hat, als der erste, scheint vor diesem den Vorzug zu haben. — Ich dancke auch noch Ew. Hochedlen besonders für das gütige Andencken, dessen Sie mich würdigen, und für die Mühe, die Sie meinetwegen übernommen haben. Schencken Sie mir ferner dero un schätzbare Freundschafft, so wie ich zeitlebens verharre Ew. Hocheölen ergebenst gehorsamster Diener Joh. Ad. Hiller, Director Musices." — Gewählt wurde nach dieser Absage Georg Gottfried Petri, der das Görlitzer Kantorat bis zu seinem Tode im Jahre 179S innehatte. Nach Petris Tode gingen acht Bewerbungen ein: 1. von dem Cand. theol. Christian Schneider aus Sorau, und zwar in lateinischer Sprache, 2. von dem Kantor M. Johann August Gärtner aus Bitterfeld, 3. von dem Kantor und