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Der Erzbischof und die schöne Agathe Skizze aus dem mittelalterlichen Bubissin Von R. Needon, Bautzen Festliche Tage waren es, die das alte Budissin Ende April und Anfang Mat des Jahres 1364 erlebte. Es war diesmal nicht eins rein politische Handlung, die dazu ge führt hatte, wie vor 14 Jahren, daß sich zahlreiche Fürsten und Ritter hier um Kaiser Karl den Vierten versammelten; bekanntlich war es damals nach dem Sturz des „falschen Waldemar" die Aussöhnung mit den Brandenburger Mark grafen und ihre Belehnung mit der Niederlausitz, die sich hier abspielte. Auch jetzt galt es, wichtige Staatsgeschäfte zu erledigen, vor allem einen Erbvertrag mit den Habs burgern endgültig abzuschließen. Aber ein freudiges Fami lienereignis, eine Hochzeit im Kaiserhause, gab dem ganzen Treiben diesmal eine festlich-frohe Note. Nicht die Habsburger allein haben die Ehebünönisse mit anderen Fürstengeschlechtern zu festen Stützen der kaiserlichen Politik zu machen gesucht, wie jedermann weiß; auch Karl der Vierte war schon darauf bedacht. Wie er selbst die Nichte des mächtigen schlesischen Herzogs zur Gattin erkor, um in Schlesien festen Fuß zu fassen, so sollte auch Brandenburg in den Kreis seiner Macht gezogen werden, indem eine Ehe zwischen Otto von Brandenburg und seiner, Karls, erst sechsjährigen Tochter Elisabeth zustande ge bracht wurde. Schon am 30. April war die Ehe rechtlich geschlossen worden, doch war die feierliche Einsegnung des Bundes durch den Bischof von Olmütz erst jetzt, in dem ehr würdigen Dom der Stadt Budissin, in der der König so gern verweilte, geschehen. Es war am Freitag vor Pfingsten, das auf den 12. Mai fiel, da war die Unruhe in den Straßen besonders groß und auch vor den Mauern sah man Scharen von Schau lustigen der böhmischen Straße entlang gelagert oder stehend. Man erwartete offenbar hier die Ankunft wichtiger Reisenden. Ein biederer Bürger und ein gewappneter Knecht tra fen, als sie durch den finsteren Torbogen des Lauentores ins Freie strebten, zusammen und gerieten miteinander in ein Gespräch. „Meß' Ankunft erwarten die Leute hier eigentlich?" fragte der Knecht den Bürger. „Ei, wißt Ihr nicht, was die ganze Stadt schon seit Tagen bewegt?" fragte jener erstaunt zurück. „Ich bin soeben erst in die Stadt eingeritten," war die Antwort, „bin ein Mann des Herzogs von Liegnitz und mit wichtiger Botschaft von daheim an meinen hier weilen den Herrn betraut. Nach scharfem Ritt habe ich mein Roß eben in der Herberge eingestellt, tat einen Trunk budisst- nisch Bier, das mir nicht übel mundete und trat nun auf die Straße, wo mich der Strom der Menschen mit fortritz, die hier ins Freie streben. Daß der Kaiser schon seit et lichen Tagen hier weilt und viele Fürsten, weiß ich natür lich, auf wen spannt da das Volk hier so?" „Wohl ist der Kaiser schon etliche Zeit hier, um wich tige Staatsgeschäfte mit den Fürsten zu beraten, aber seine rechte Hand hat ihm gefehlt, ohne die er nichts Wichtiges vollbringt. Diese erwartet er heute. Wißt Ihr Bescheid, wer diese rechte Hand ist?" „Nun," erwiderte der andere, „man hat wohl gehört, daß er nichts ohne den Rat des Erzbischofs von Prag tut, der der oberste in seiner Kanzlei ist, wenn auch der Propst von Mischegrad den Titel führt. Handelt es sich um diesen Mann?" „Ihr habt es getroffen! Erzbischof Arnest, der kluge Kenner der Welt, wie der Kirche, soll auch Hier nicht an seiner Seite fehlen. Man erzählt, er habe sich krank gefühlt und somit keine Lust gehabt, die weite Reise von Böhmen hierher zu machen. Aber auf des Kaisers Bitte ist er nun doch gekommen, besonders um das Töchterlein der Maje stät, das mit Herrn Otto v. Brandenburg versprochen ist, auch seinerseits zu segnen. Der Kaiser selbst aber ist ihm mit glänzendem Gefolge entgegengeritten, bis zur Brücke am Münchwalde, da der böhmische Steig zur Spree kommt. — Da, hört Ihr den Hornruf des Torwächters vom Lauen tor, der verkündet, daß der Zug sichtbar wird. Da hier rechts liegt der Galgen, der jetzt zum Glück unserer Nasen nicht mit zu viel stinkendem Aas besetzt ist, so daß wir den Hügel ein Stück hinaufgehen können, von da man die Straße übersieht." Es dauerte immer noch eine ganze Weile, bis der Zug herankam, und der Bürger berichtete auf Bitten des Knechtes noch mancherlei von dem merkwürdigen Mann, dessen Einzug erwartet wurde. „Er ist ein großer Heiliger," sagte er ehrfürchtig, „zweifellos wird er von der Kirche einst auch heilig gesprochen werden, wenn er sein irdisches Leben geendet hat. Seine Wohltätigkeit rühmt das ganze böhmische Land. Wieviel Kirchen und Kapellen, Altäre und Messen er gestiftet, hat, läßt sich gar nicht sagen. Auch gilt er als ein weiser und gerechter Richter. Seine ganze Sehn sucht, erzählt man, ist seit langem, ein einfacher Bettel- mönch zu werden und zurückgezogen von allem irdischen Treiben sich nur dem Dienste Gottes zu weihen. Aber der Kaiser kann seinen weisen Rat nicht entbehren und läßt ihn nicht von sich. So muß er sein kostbares bischöfliches Gewand weiter tragen. Nach dem Tode des heiligen Vaters Jnnocentius sollte er auch zum Papst gewählt werden, aber er hat nicht gewollt! — Doch seht, da kommen sie hinter dem Wäldchen hervor. Welche Ehre! Der Kaiser läßt ihn zu seiner Rechten reiten! Der andere ist der hochwüröige Dekan unseres Domstifts. Aber er sieht nicht gut aus, der ehrwürdige Vater, fin det Ihr nicht auch?" In der Tat, zusammengesunken, müde saß der Kirchen fürst in seinem bequemen Sattel. Tief lagen die Augen in dem weichen Gesicht, auf den Backen allein brannte eine hektische Röte. Doch freundlich grüßte er fortwährend die umdrängenöe Menge und hob die Hand immer wieder zum Segen, während der Kaiser, der auf ihn einsprach, sich rück sichtsvoll alles Grüßens enthielt, alle Ehre dem Kleriker überlassend. Als er dem Tore nahte, begannen die Glocken des Domes feierlich zu läuten. Am nächsten Morgen heulte der Sturm und Regen güsse, mit Schnee vermischt, peitschte durch die Straßen. Aus dem Schlosse, wo er beim Landvogt wohnte, begab sich der Kaiser am späten Vormittag zu Rosse zum domstift- lichen Hauptgebäude, dem Dekanat, hinter der Domkirche. Es war das einzige steinerne Haus, das hier außer der Kirche zu erblicken war; was ringsrum stand, waren wenig ansehnliche, aus Lehm und Holz bestehende Gebäude, von Gärten umgeben. Hier im Dekanat hatte der Erzbischof übernachtet, den der Kaiser jetzt liebevoll begrüßte: „Wie habt Ihr geschlafen, ehrwürdiger Vater? Hat Euch der Sturm auch so gestört, wie mich da oben? Ich hoffe nicht, da dies Haus tiefer liegt und der hohe Dom und die großen Linden ringsum es schützen. Aber die Reise mag Euch an gestrengt haben?" Des Prälaten Antwort verzögerte sich ein wenig, da er vor starkem Husten eben der Stimme nicht mächtig war. Dann sagte er: „Mein Husten, der mich hindert, Ew. Maje stät rechtzeitig zu antworten, gibt diese Antwort zum Teil ohne Worte. Er plagt mich gerade am Morgen oft. Doch habe ich leidlich geschlafen, müde, wie ich vom langen Ritte war." Nachdem sie noch ein weniges vom Wetter und der Ge sundheit gesprochen, sagte der Kaiser: „Nun laßt uns rasch der weltlichen Geschäfte denken, damit ich Euch bald wie der der Ruhe und der Vorbereitung auf die geistlichen Handlungen, die Ihr vorhabt, überlassen kann. Die An-