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Nr. N Hderlauflher Helmatzeitung 233 freien Ratswahl: deshalb wählten am 12. Juni 1548 die königlichen Kommissorien einen neuen Rat filr die Stadt, die erst am 27. Okt. 1558 das Recht der Selbstwahl wiedcrerlangte. °) Muß heißen „geysclbricht". o) Muß heißen „Erhärt Lcßncr", der ein Goldschmied war. '") „leylach" wahrscheinlich soviel wie Leinlakcn --- Bettuch. ") Dieses Sätzchen deutet die Schrecknisse des 30 jähr. Krieges an, der In jenen Jahren in Böhmen und seinen Nachbarländern wütete. >2) Kux, nach älterm Recht ein idealer Anteil an einem zu den unbewegliche» Sachen gehörenden Bergwerkseigentum (gewerkschaft lichen Grube oder Zeche), durch den das Verhältnis der Anteile der beteiligten Gewerken untereinander bestimmt wird, nach neuerm Recht ein Geschäftsanteil am gewerkschaftlichen Unternehmen. (Fortsetzung folgt.) Eine Pulsnitz- und Röderfahrt Von Heinrich Berndt, Großenhain Grüß Gott, ihr Buben! Heut ist Sankt Michelistag; Kommt zu mir auf das Land! Ich will euch klar und blank die Augen wehen Und eure Backen will ich tüchtig bräunen, Wie sich's für Jungen schickt. Versteht ihr mich? I. längst hatte ich meinem Sextaner versprochen, ihm die Michaeliszensuren mit einer mehrtägigen Fußwanderung zu belohnen, wenn sie zur Zusrie- denheit ausgefallen sein würden. Da diese Vor aussetzung eingetreten war und sich noch einige Eltern bereit fanden, ihren vöhnlein das gleiche Vergnügen zu gewähren, so wurde beschlossen, zu viert diese erste Forschungsreise auf heimatlichem Boden auszuführen. Der Montag Morgen war zum Antritt der Wanderung bestimmt, und Heinz, Fritz und Alfred ließen sich durch den nebelgrauen Himmel nicht entmutigen, sondern überstimmten mich, als ihren Führer, daß nicht gewartet, sondern tapfer losgezogen werden sollte. Die Rucksäcke wurden aufgeschnallt, und der Frühzug brachte uns von Großenhain nach Ortrand. Die Wetter vorhersage am Postfenster lautete: Zeitweise aufheiternd, keine erheblichen Niederschläge — und sie hat gehalten, was sie versprach. Nach dem Verlassen des Bahnwagens suchten wir zuerst die sächsisch-preußische Landesgrenze auf, die wir im Zuge schon überschritten oder richtiger überrollt hatten. Als trennende Grenze hat sie ja nur von 1815 bis zur Aus hebung der Zollschranken gewirkt, und wie zusammengehörig in unserm Flachlande die auf künstliche Weise politisch ge trennten Landesteile sich immer gefühlt haben, das beweist die eiserne Ehrentafel an der Stadtseite des Ortrander Bahn hofsgebäudes, die die Städte Ortrand, Ruhland, Senften berg und Drebkau dem Begründer der Cottbus-Großen hainer Eisenbahn Dr. Zachariä von Lingenthal im Jahre 1870 gewidmet haben. Der Grenzbesichtigung schloß sich ein Rundgang um die Stadt über den Hag, die Ortrander Promenade, an, der deutlich die einstige Umwallung des Ortes erkennen ließ und den Vorzug der Kleinstadt, daß jeder Hausbesitzer sein Gärtchen unmittelbar hinter seinem Hofe pflegen kann, ins rechte Licht rückte. Eben wollten wir nach dem Markte einbiegen, als Feuersignale ertönten und auch schon emporsteigender Rauch uns die Brandstätte anzeigte. Hilfsbereite Nachbarn waren bereits dabei, auf angelegten Leitern Wassereimer emporzuheben und den aus gebrochenen Stubenbrand zu dämpfen, sowie den einsamen Bewohner des gefährdeten Häuschens, einen ohnmächtig gewordenen Greis, in Sicherheit zu bringen, sodaß die an rückende Feuerwehr kaum noch etwas zu tun fand. Bald konnte der Ferkelmarkt, der auf demselben Platze abgehalten werden sollte, seinen ungestörten Fortgang nehmen und wir vier setzten die unterbrochene Wanderung fort. Hinüber ging's über die Pulsnitzbrücke am nördlichen Ausgange des Städtchens und hinein in das schlesische Burkersdorf und damit bereits in die zweite preußische Provinz an diesem Vormittage: denn Ortrand bildet den östlichsten Punkt der Provinz Sachsen. Wir folgten nun dem Laufe der Pulsnitz aufwärts und rasteten am ehemaligen Weinberg, der wie vor mehreren Jahrhunderten die Ort rander Bürger mit sa ^ em Wein, so uns jetzt mit würzigen Brombeeren erfreute, die wir uns als willkommene Zukost zum Morgenimbiß bestens munden ließen, während niemand den dazwischen wachsenden, noch nicht völlig gereiften Schle henfrüchten Geschmack abgewinnen konnte. Am fischreichen Sempelsteich vorbei gelangten wir nach Kroppen, einem jener Dörfer, in denen der Freund altertümlicher Bauweise noch Häuser im Blockhausstil und Fachwerkbauten mit einfach aber wirkungsvoll verzierten Lehmfüllungen erblicken kann. Und nun hinein in die Heide mit ihrem herbstlich-rötlichen, aber schon etwas verblaßten Schimmer auf dem Waldboden. Manche Wetterpropheten wollen ja aus dem frühzeitigen Verblühen des Heidekrautes aufeinen bald eintretenden und strengen Winter schließen. Heute hatten sich dem in den letzten Regentagen etwas angefeuchteten Sandboden frische Hirschfährten eingedrückt. Bald waren wir, bei einer Bie gung der Pulsnitz ihrem aus Süden kommenden Laufe nachgehend, wieder in den Freistaat Sachsen eingetreten, und in Rohna erquickte uns ein Labetrunk aus einer heimatlichen Mineralwasserfabrik. Daß wir uns in einer wildreichen und jagdfreudigen Gegend befanden, das konnten wir aus den Bildern entnehmen, die die Rohnaer Wirts hausstube schmückten und zumeist scherzhafte Ereignisse aus der Jägerei darstellten. In Rohna verließen wir das lieb liche Ufer der Pulsnitz und begleiteten nun den von rechts einmündenden Otterbach, um den Königsbrücker Truppenübungsplatz zu überschreiten. Prächtig gefärbte Fliegenpilze säumten geradezu unfern Weg ein, zu dessen Seiten nicht nur dürre Heidekiefern und spärlich gewachsene Birken, sondern auch bisweilen stattliche Eichen und gut entwickelte Weymouthskiefern standen. Nach und nach gewann aber der Sand die Oberherrschaft. Zahlreiche frei liegende Baumwurzeln verlangten größere Aufmerksamkeit auf den Weg. Bei diesem Gehen mit zu Boden gerichteten Augen stieß Heinz plötzlich einen Iubelruf aus. Er hatte einen glänzenden Stein gefunden, der sich bei näherer Unter suchung als ein den Zabeltitzer Diamanten ähnelndes wasser helles Quarzstück erwies. Als wir eine reichliche Stunde gewandert waren, tauchte hinter einer Kieferngruppe ein leuchtendes Ziegeldach aus, Otterschütz war erreicht. Doch — was ist das? Kein Fensterkreuz ist im ganzen Hause zu sehen, auch die Haustür fehlt, kein lebendes Wesen ist zu erblicken. Und im nächsten Hause um die Ecke das selbe eigenartige Bild. Wir waren in eins von den drei toten Dörfern gelangt, deren Bewohner im Jahre 1907 samt und sonders gegen angemessene Entschädigung Haus und Hof an den Staat abgetreten haben, um Raum für den Truppenübungsplatz zu schaffen, und die damals aus ihrer Heimat geschieden sind, ohne je in dieselbe zurückkehren zu können. Ein Eichkätzchen hüpfte über den Weg und tat sich