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112 Brief Heinrichs IV. an Gott oder auch an das aus solchem Wesen entspringende Un heil zu denken, selbst oder auch durch ihre Genossen auf alle mög liche Weise gegen mich losfahren. Und doch habe ich Gehorsam und alle schuldige Unterwerfung oft dem apostolischen Stuhle ent gegengebracht, wenn nur die schuldige Ehre und Achtung wie meinen Vorgängern so auch mir vom apostolischen Stuhle gezollt würde. Was sie aber beabsichtigen, das will ich Euch zu gelegener Zeit mittheilen, wenn uns Gott einmal die ersehnte Gelegenheit zu einer mündlichen Unterredung giebt. Als sie nun sahen, daß sie bei aller Wuth ihrer Verfolgung und ihres Hasses nur wenig ausrichteten, so haben sie, gegen das Gesetz der Natur selbst kämpfend — ohne größten Seelensckmerz, ohne viel Thränen vermag ich's nicht zu sagen, und weil's gesagt wird, darum erbebe ich — meinen Sohn, meinen vielgeliebten Absalon, sage ich, nicht nur gegen mich aufgereizt, sondern auch mit solcher Wuth gewaffnet, daß er vor Allen gegen Treue und Eid, welchen er als Vasall dem Herrn geschworen hatte, in mein Reick einbrach, meine Bischöfe und Aebte absetzte, meine Feinde und Verfolger an ihre Stelle setzte. Schließlich kam cs so weit, daß er — was ich am liebsten verschweigen, und wenn es nicht verschwiegen werden kann, nicht geglaubt wissen möchte — alle natürliche Zuneigung abwarf und mir nach Leben und Seele trachtete, und daß er kein Mittel mehr scheute, wodurch er mit Gewalt oder List zu dieser Größe der Gefahr und seiner Schande zu gelangen strebte. Mit solcher hinterlistigen Gesinnung beschied er mich, als ich in Frieden und in einiger Sicherheit meines Lebens mich befand, gerade an den heiligsten Tagen der Ankunft des Herrn an einen Ort, der Coblenz heißt, zu einer Unterredung, angeblich um als Sohn mit dem Vater über das gemeinsame Wohl und die ge meinsame Ehre zu verhandeln. Da ich ihn sah, warf ich mich sofort, von väterlicher Liebe überwältigt, im Innern mit tiefem Schmerz meiner Seele, zu seinen Füßen nieder und beschwor ihn