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« Z- L L - s » ? Genüge tun muffen. Aber nie un- nimmer hatte er Haß und Verachtung den Bekennern des andern Glau bens gezeigt, nie sie wissentlich in ihrem Fühlen nnd Denken verletzt und gekränkt. Wie war es aber dennoch damals gewesen, als er in öffentlicher Ratssitzung zum Frieden gesprochen? Das ehrliche Wollen, das frelldige redliche Schaf- fen des Rates aus vollem Herzen anerkennend, war er fortgefahrcn: „Drum wird freundliche Nachsicht Richter fein, wenn des Herzogs Wille in einer Sache nicht geachtet wird, wie ers verdient. Die Burger kennen des Her zogs Entschlüsse in Sachen der Religion. Wer seinen Fürsten liebt, hat die Pflicht, sich diesen Entschlüssen zu beugen. Glauben ist Sache des Herzens. Wer zwei Wege sieht, die zum Ziele fuhren, wähle auS Achtung vor seinem Fürsten den, der sich mit -en Pflichten eines treuen Untertanen verträgt." Die väterlich-eindringlichen Worte hatten kein Echo gefunden. Ueber Fürstendienst steht Gottes- dienst! klang cs ihm aus dem Munde des Bürger meisters unter stummem Beifall der Ratsherren ent gegen. Er hätte strafen, hätte es hier zeigen können, wenn er ein Römling war. Frieden und sachliche Arbeit waren ihm lieber gewesen. Und dennoch gärte weiter im Bolk jener Haß gegen ihn. Daun starb Herzog Georg. Und der lutherische Heinrich erfüllte die Wünsche der Untertanen, machte das neue Bekenntnis zur Landesreligion, sandte Pre diger der neuen Lehre. Ihn, Ernst von Miltitz, aber beließ er ruhig in feinem Amte. Er wußte, daß dieser Mann treu war im tiefsten Grunde seines Herzens. Bor allem, daß Gerechtigkeit gegen jedermann ihn leitete, wie eS eines rechte» Staatsdieners und Richters Lebensgrundsatz fein soll. Stur eines kränkte Miltitz fast: daß die herzogliche Botschaft, die Meißen die Reformation brachte, nicht ihm, sondern dem Rat direkt zugegangen war. Wie wurden Waltklinger und die meisten Ratsherrcn dar über triumphieren! Und auch, als Herr von Rechen berg im Auftrage des Landesherrn den Dom für die Lutherischen gegen -en Willen des Bischofs in Besitz genommen hatte, war der Amtumnn nicht um seine Mithilfe gebeten worden. „Wir sind Altgläubige, mein Gemahl", hatte Frau Magdalene von Miltitz gemeint, als er ihr das klagte, „der Herzog hat Dir solcherlei Aufträge nicht zumuten wollen. Er ist ein ritterlicher Herr!" Miltitz mußte ihr recht geben. Er kannte ja die Art des neuen Herrschers. „Glauben ist Sache des Herzens?" hatte er damals in der Natsversammlung selbst gesagt. Nun, waren denn diese trotzigen, ehrenfesten, gediegenen Stadt bürger nicht gerade offene Hcrzensbekenner ihres Glaubens? Was wollte denn dieser Luther? Gesnndnng der Kirche an Haupt und Gliedern! Wirren nicht aber gerade die Häupter der Paps.-kirche von je gegen alle Besse rung gewesen? Waren sie nicht erstarrt, verknöchert im Formelkram und Sündengang ihres festen Faulenzer lebens? Wenn er an die kugelrunden Domherren und Kanoniker dachte, an die schmarotzenden, geilen übelbeleumundeten Insassen der Mönchsklöster, an all das tagediebische Geschmeiß, dessen Daseinsberechtigung ihm, dem frommen Katholiken, oft selbst sehr fragwür dig erschien, dann war er schon in dieselben Gedanken gänge hineingeraten, die im kurfürstlichen und herzog lichen Lachsen Zehntausende bewegten, fesselten, zu sich hinüberzogen. Wo war die Reinheit, das Recht, der ehrliche Wille? Bei Bischof Johann und den Seinen oder bei dem wittenbcrgischen Mönche? Ein Diener unterbrach sein Grübeln, brachte Hut, Degen und Mantel. Ernst von Miltitz blickte verwundert. Ja, recht, er hatte ja den Trutzgottesdienst der Päpstlichen in der Kirche des Franziskanerklosters besuchen wollen. Aller kirchlicher Glanz jener Zeit war -ort auf geboten. Die Augen schmerzten fast von der Ueder- fülle des Kerzenlichts, das in Goldstickereien, Edel steinen, Kristall und köstlichem Metallgerüt wider gleißte. Es wimmelte von Kanonikern aller Grade, hoher und höchster Geistlichkeit, von Ministranten und Eho- ralisten. Doch nur wenig niederes Volk und noch weniger Bürgerschaft suchten Andacht im alten Ritus. Etliche vom Adel knieten gleich ihnen vor den Altären. Ernst von Miltitz blieb verhüllt an der Pforte stehen. Unruhig schweifte sein Auge über das gefühls leere Farbenwunder, ärgerlich vernahm sein Lhr das Näseln -es MeßoffizialS, das Plärren und Schnat tern der antwortenden Menge, das fremde Klingen der dem Volke unverständlichen lateinischen Texte, das unwürdige Geifern und Wüten gegen die Ketzerei. Er vernahm kaum etwas oou der Weihung, mur melte mechanisch sein Amen, ließ seinen Geist schweifen bei den kunstvollen Klängen der großen Messe, sank gewohnheitsmäßig auf die Knie, als der Bischof die Hostie zeigte, stimmte aber nicht mit ein in das Te deum laudamus am Schluß. Leise erhob er sich, bevor die Menge das Gottes haus verließ und trat hinaus auf den Seinrichsplatz. Dunkel lag die Stadt. Doch er fand seinen Weg hinauf zur Burg, zum Dome. AIS er di« Treppen emporftieg, teilte sich der dichte Wolkenschleier über ihm und ein Dreigestirn leuchtete mild über dem Dome auf. War es ein Zeichen für ihn ? Er wollte, er mußte es glauben, denn seine Seele ging in der Irre, war im alten Hause längü nicht mehr daheim und scheute sich, das neue zu betreten. Und dann war er am Dom. Auch hier Lichter glanz. Aber diclN gedrängt das Volk in stummer, er- grisfener Andacht. Sein Prunk, keine raffinierte Kunst des Meßgesanges, schlichte deutsche Worte und Melodien, auf der Kanzel die ehrwürdige Greisen gestalt des Wittenberger Dr. Jonas, des Lutherfreun- des und Bibelmitübersetzers. In einfachem, schwar zen Talar, aber dennoch strahlend im Begeisterungs feuer zweier jugendlicher Augen. Und kein zelotischcS Schelten auf die Andersgläu bigen, kein schmetterndes Anathema von Pricstcrlio- pen, nur Liebe, Verzeihung, Duldung, Mahnung, sich nicht über Andersgläubige zu überheben, Mahnung zu Demut nnd Glauben als den köstlichen Gütern des wahren Christen. Wieder kniete Ernst von Miltitz. Aber als das letzte Amen vcrklnngcn, hob er sich nicht leise hinweg wie drnnten im Kloster. Mit abgezogenem Hute harrte er an der Domtür des Predigers. Der blickte ihn, forschend ins Gesicht: „Ihr hier, Herr Amtmann?" „Ja, Ehrwürdigster, nnd nm zu bleiben. Ich bitte Euch, kehrt noch eininal um nnd empfanact mein Be kenntnis!" Druck und Verlag von Langer u. Winterlich, Niela. — Für die Redaktion vcraiitivortlich: Heinrich Ublemann, Rieia. nsere Heimai Matter zur Aflege der Keimatliebe, der Keimatforschrmg und des Keimatschutzes. «rschemt tu »w<m,l,s«r Folg« al« Bellas« zum Riesa« Tageblatt unter Mitwirkung de« Verein» Heimatmuseum in Ries«. u»adr»e. «uch Ml Q-eSe»»»»-»- «r»o*l! Rr. 53 Riesa, 9. Dezember 1938 6. Jahrgang Fleischhan-els-Curiosa i« der Riesaer Pflege Anno 1765. Quelle: Acta Judtckali«. de» löbl. Handwerk« Lerer Fleischhauer ,« Hai», an einem, und I. G. Mocken, Fleischer» un- Einwohnern »u Bobersen, am an- der» Teile. Ergangen vor den Hochherrl. Iah», scheu Gerichten zu voberie, 17SS. Archiv Bobers. Nr. 20. Wie überall im Handwerk, so beherrschten auch lm Fleischhauerberufe früher andere gesetzliche Be stimmungen als heute diesen Erwerbszweig. Die alte sächsische Gewerbeordnung sah im Zusammenhang mit der alten Landgemeindeordnung z. B. die Möglichkeit vor, daß -er Biehhandel und der Fleischerberuf nur von städtischen Angehörigen dieser ErwerbSkategorie ausgeübt werden durfte — unter zu ermöglichendem Ausschluß der auf den Dörfern wohnenden Proses- sionskollegeu. Das heißt ins Praktische übersetzt: in den Städten wohnten und betrieben die Viehhändler und Fleischhauer allein und ungestört ihr Geschäft: für die Dörfer waren einige dieser städtischen Fleischer bestimmt, als Landfleischer zu fungieren und für ge wisse, bezirkSmäßig eingeteilte Landstrecken den Vieh- und Fleischhandel des Bedarfs der Landbewohner auszuüben: kein dörflicher „Auchfleischer" durfte ihnen ungcsühnt ins Gehege kommen, selbst wenn er rechtmäßig das Handwerk erlernt hatte. Jeder Fleischbedarf der Dörfer war eben bei den Land fleischern in der Stadt einzudecken. Selbst die HanS- fchlachtungen auf dem Lande unterlagen früher ganz anderen Bestimmungen als heutzutage. Man stelle sich mal vor, wenn sich beute noch in unseren Dörfern kein Fleischer zur Ausübung seines Gewerbes nicderlassen dürste, sondern alles bei den städtischen Fleischern besorgt werden müßte! Welche Härte, welche Unmöglichkeit dies -arstellen würde! — Früher war cs in dieser Beziehung eben doch mal etwas anders, und da konnte sich also folg udes Curiosum zutragen: Im benachbarte» Boberscn wohnte anno 1765, ein biederer, gelernter Fleischhauer namens Johann Gott hard Mucke, der ein geborener Boberscncr geivesen war und seine Berufskenntnisse in Mühlberg sach gemäß sich angeeignct hatte, wie ibm die Mühlberger Ober-Aelteste und Aelteste -er Fleischcrinnung am 17. 3. 1765 dies mit gesiegeltem Brief nochmals beso«. -ers attestierten. Dieser Biedermann ging nun in seinem heimatlichen Bezirke seinem Gewerbe nach» kaufte un- verkaufte Vieh und unterhielt eine Schlächterei. Er kannte wohl die Bestimmungen, da für die Dorfeinwohner die Landfleischer in -en Städten maßgebend waren — aber er hielt sich, ge stützt auf seinen Lehrbrief, als ordentlicher Fleischer für berechtigt, seinerseits sein Gewerbe iu Boberscn auLzuüben, in -er guten Meinung, daß das Gesetz ja nur die Pfuscher auf dem Lande, nicht aber Professio- nisten verfolgen würde. Sein Tun fand aber nicht den Beifall der Großen hainer Fleischer-Innung, die sich durch ih» in der Ausübung ihres Gewerbes glaubte, beeinträchtigt zu sehen, und die diesen Fall verallgemeinerte und kur zerhand der hohen Staatsregicrung in Dresden an- zeigte. So ganz hinterrücks war das eingcfädelt worden — das liest man so richtig zwischen den Zeilen auf den vergilbten Luellenaktenblättern heraus. Die Regierung in Dresden, damals war Prinz Xaver Chursachsens Administrator, beauftragte daraufhin ihren Großenhainer Amtmann namens Birnbaum am 26. Februar 1765 mit folgend?»: „.... un- Wir begehren hierauf, Du wollest sämtliche in das dir anvcrtraute Amt einbezirkte Schrift- und Amtsassen, daß sie dergleichen strafbaren Beginnen nicht Nachsehen, vielweniger solcherlei „Pfuscher und Störer" hegen, vielmehr den Beschwerdeführern auf ihre Anzeige alle Hilfe leisten, bedeuten . . . ." Der Großenhainer Amtmann gab demzufolge dem Direktor Johann Samuel Berg des Patrimonial- gerichts zu Bobersen unter dem 1. April 1765 auf, den Fleischer Mncke, den uran als „Pfuscher und Störer" denunziert hatte, anzuweisen, daß er künftig sich bet Vermeidung empfindlicher Strafe „alles Aufkaufens und Schlachtens des Viehes, auch Verkaufs des Flei sches gänzlich enthalten solle". Man drohte dem Mncke nun von selten des Bobersener Gerichts am 6. April 1765 befehlsgemäß an, daß er Wegnahme allen Fleisches und hohe Strafe zu gewärtigen hätte, wenn er weiter die Großenhainer Fleischer in ihrem