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SleinsplitterundAüllhatter Der Antrieb »um Fortschritt ist die Faulheit. Der Drang zum Nichtarbeiten lässt die Menschen arbeiten. Der Widerspruch in diesen Sätzen ist nur im ersten Moment verwunderlich: denn letzteroings ist der ganze Lebens- und Entwicklungsablaus aus einem Widerspruch in sich selbst begründet. Die Menschheit arbeitet zu ihrer — Bequem lichkeit. Wenn unsere Ahnen sich zu einem anderen Ort be- geben wollten, so liefen sie. Weil ihnen das Lausen aus die Dauer keinen Späh machte, weil es ihnen „un- bequem" war, bauten sie Wagen. Weil ihnen auch die gewöhnlichen Wagen noch zu unbequem waren, erfanden und bauten sie später die Eisenbahn. Sie unterzogen sich der Unbequemlichkeit des Eisenbahnbaues, um der Un bequemlichkeit des Lausens zu entgehen. Wohin wir auch blicken, immer ist die Arbeit aus das Ziel gerichtet, Bequemlichkeit zu schassen. Man könnte sich beinahe einen Denksport daraus machen, die Gültigkeit dieses Gesetzes an all den tausend großen und kleinen Dingen des täglichen Lebens nachzuprüjL». Das Behikel, dessen sich die Menschheit sür den Ver kehr der geistigen Güter bedient, ist die Schritt. Der Eis- Teil eine« geilfchrijtblvcke» zeitmensch grub mit einem Steinsplitt« mühsam seine Zei- chen in die Felswand: die ältesten Kulturvölker, wie Ba bylonier und Assyrer, drückten einen Holzkeil in eine weiche Tontafel — eine fürwahr auch noch höchst unbequeme Sache. Man stelle sich einmal einen assyrischen Briefträger vor! Und wenn es diesen Berufszweig damals nicht ge geben hat, so darf man wohl als Grund unterstellen, daß jeder dahingehende Versuch an der außerordentlichen Un bequemlichkeit scheiterte Später erfand man das Papier, noch später di« Tinte und den Gänsekiel. Aber auch damit war die nach Be quemlichkeit Ausschau haltende Menschheit noch nicht zu- frieden. Das lästige Neuanspitzen der Feder gab den Boden, aus welchem die Idee der Stahlfeder auskeimte. Weil die Menschheit zum Gänsekielanspitzen zu saul ist, deshalb arbeitet sie heute jeden Tag an der Herstellung von 2 Millionen Stahlfedern. Hat nun damit der Bequemlichkeitsdrang sein Ende erreicht? Nie und nimmer! Was macht doch eine Stahl feder noch für Mühe! Man mutz sie auswechseln, wenn sie abgeschrieben ist, und — man erschrecke! — man muh alle Augenblicke sein Schreiben unterbrechen, um die Feder wieder ins Tintenfaß zu tauchen. Und die Folge dieses Schrecks ist der Füllfederhalter. Wer heutzutage einmal an einen anständige» Füllfederhalter geraten ist, den be wahrt seine Faulheit vor dem Rückweg zur Stahlfeder. Seine Bequemlichkeit macht ihn so zum unbewußten Träger des Fortschrittwillens. Wenn man der Phantasie freien Raum läßt, so kann man sich recht gut vorstellen, wie der Fortschrittwille «inen Federhalter schasst, der nur noch auf das Papier gelegt wird und die Briese und Unterschriften selbst schreibt. Im Moment besteht nach unseren Insormationen allerdings noch keine Aussicht dafür. Aber Spaß beiseite! Wie weit man heute immerhin bereits aus dem Wege der Schreiberleichterung gekommen ist, zeigt sich, wenn man die Konstruktion des Füllhalters ansieht, den z. B. Günther Wagner, eins der angesehensten deutschen Unternehmen, geschaffen hat. Hier ist es gelungen, den Mechanismus des Füllhal ters grundsätzlich zu verbessern, indem der Füllvorgang vereinfacht und der im Füllmechanismus bisher verwandte, nicht ganz zuverlässige Gummischlauch ausgefchaltet wurde. Uno während man bisher noch nicht wissen konnte, wie viel Tinte sich noch im Halter befindet, ist der Tinten inhalt des Pelikanhalters auf verblüffend einfache Weise dauernd sichtbar und kontrollierbar gemacht. Durch Verbesserungen solcher und ähnlicher Art, von denen man sagen kann, daß gerade die entscheidenden in Deutschland ihre Wiege haben, ist der Füllhalter schließlich zu einem Schreibgerät geworden, das aus der heutigen Menschheit nicht mehr weggedacht werden kann. Waren Stahlfeder, Gänsekiel und Federhalter noch gewissermaßen auf „Auswechselbarkeit" eingestellt, so ist der Füllhalter von heute «in individuelles Ding geworden. Man besitzt nicht einen Füllhalter schlechthin, wie man ja auch nicht einfach einen Hun^besitzt, sondern den unersetzlichen Cäsar, Dox oder wie er Wißen mag. Man ist heute Eigentümer „seines" Füllhalters — dieses ganz bestimmten, den man aus Jahre oder Jahrzehnte in di« intime Zone de» Per sönlichsten einrechnet. So ist es nicht verwunderlich, daß viele unserer Mitbürger auch in den Füllhalter, genau wie bei Etui, Puderdose, Uhr, ihre Initialen oder ihren Namen eingravieren lasten. Und wenn man in letzter Zeit immer häufiger an den Schaufenstern der Papierwarengeschäjte ein Plakat findet, das auf seine Pelikan-Graviermaschine sür Füllhalter hinweist, so haben wir es hier mit einem zwar kleinen, aber doch bedeutungsvolle« Symptom dieser Entwicklung zu tun. Sie Entwicklung der Fernsprechtechnik Die bittere Tatsache, daß selbst eine umwälzende Er findung erst nach harten Kämpfen freundlich ausgenommen wird, mußt« auch Philipp Reis, der deutsche Erfinder des Telefons erfahren. Er erntete sür seine Erfindung auch nicht die geringste Anerkennung, ganz zu schweigen von einem Lohn. Nach Berichten von Zeitgenossen schaute ihm die Armut aus allen Knopflöchern, zeitweilig mußte er sich groschenweife seinen Lebensunterhalt mit Wandcrvorträgen an Schulen verdienen in denen er seine Apparate vorsührte und erklärte. Di« berühmten Poggendorfschcn Annalen «ine der wenigen physikalisch technischen Zeitschriften seiner Zeit, lehnten ihm noch 1863 den Abdruck eines wissenschaftlichen Aussatzes über seine Erfindung mit der Begründung ab, die Uebertraaung der menschlichen Stimme auf elektrischem Wege sei ourchaus unglaubhaft! Dabei arbeiteten seine primitiven Apparate einwandfrei! Das 'st überzeugend durch Vorführungen bewiesen, die im Jahre 1930 anläßlich des fünfzigjährigen Jubiläums des öffentlichen Fernsprechers in Deutschland mit genauen Nachbildungen der im Jahre 1860 entstan denen Reisschen Apparate stattfanden. Bei diesen Vor- führungen benutzte man einen Verstärker mit Lautsprecher, um die Sprache im ganzen Saal hörbar zu machen. Als Geber verwendete Reis einen Blechkasten mit Einforech- öffnung, in dessen eine Seite eine mit einem dünnen Platinblech ver ehene Membrane aus Schweinsdarm vor einer Kontaktspitze eingelassen war, als Empfänger diente ihm eine einfache Stricknadel, die von einer Wicklung um geben auf einem Resonanzbrett angebracht war. So sah der Anfang des Fernsprechers aus ein Anfang, der noch in keiner Weise vermuten ließ, welche Bedeutung dieses Nachrichtenmittel später für das menschliche Leben gewinnen würde. Bis es soweit kam, hatten die Techniker allerdings noch sehr viel Arbeit zu leisten. Unter denen, die das Telefon verbesserten, sind vor allem Graham Bell, David Hughes und Werner Siemens zu nennen. Bell verbesserte den „sprechenden" Teil das eigentliche Telefon, Hughes schuf den „hörenden" Teil in der heute noch be- nutzte» Form als Kohle-Mikrofon, Werner Siemen» end lich baute u. a. zum ersten Mal ein Telefon mit Huf eisenmagnet, besten Benutzung heute allgemein üblich ist. Den mächtigsten Antrieb sür die praktische Einführung des Telefons gab vor allem Heinrich Stephan, der Begründer des modernen Postwesens. Er schuf übrigens auch den Namen Fernsprecher. Er lernte das neue Nachrichtenmittel zuerst in Gestalt zweier Bell-Telefone kennen, die ihm ein Londoner Freund mitbrachte. Er erkannte die ungeheure Wichtigkeit für den Nachrichtenverkehr und machte sofort zusammen mit Werner Siemens die nötigen Versuche. Planvoll ging er auf sein Ziel los „womöglich jedem Berliner Bürger einen Fernsprecher zu jedem anderen zur Verfügung zu stellen". Die ersten Fernsprecher, die Ende der siebziger Jahre in Deutschland in Betrieb genommen wurden, dienten übrigens nicht so wie heute dem Sprechverkehr von Wohnungen und Büros, vielmehr wurden sie ausschließlich von der Post zum Durchgehen von Telegrammen an kleinere Postämter benutzt, in denen sich ein in der Telegraphie ausgebildeter Veamter nicht lohnte. 1880 wurde das Entwicklung des Fernsprechapparates in SS Jahre«. 1. Reis-Sender, 2. Reis-Empfänger (Tonende Stricknadel), S. Bell-Telephon, 4. Erster Berliner Fcrnsprechapparat (1881) eingebauter Sender und abnehmbarer Empfänger, b. SiemenS-Tele- Phon mit Hnfeisenmagnct (1877), S. Sprechstelle der ältesten europäischen Selostanschlußanlage (1907), 7. u. 8. Sprcchstellcn von Selbstanschluhanlaaen, Sonstruktion ISIS und 1S27. erste Fernsprechamt in Berlin mit 8 Teilnehmern eröffnet, aus denen aber schon bald mehr wurden. Sehr geräusch voll ging es in solch einem alten Amt zu, denn an jedem Schrank lagen nur 50 Teilnehmer, und wenn eine Ver bindung mit einem an einem anderen Schrank angeschlostenen Teilnehmer verlangt wurde, mußten sich die Beamten durch Zuruf verständigen! Schon frühzeitig — Ende der achtziger Jahr« — war man bestrebt, die Vermittlungsarbeit in den Aemtera nicht von Menschen, sondern durch mechanische Ein- richtungen vornehmen zu lasten. Hier war di« Ent wicklungsarbeit besonders langwierig. Die Schwierigkeit bestand weniger darin, überhaupt mehrere Teilnehmer auto matisch zu verbinden, als darin, ein ganze« System zu schassen, das mit einfachen und darum betriebssicheren Konstruktionselementen arbeitet, sich den verschiedenste« Verhältnissen anpaßt und auch jederzeit erweiterungs- fähig ist. Diesen Bedingungen genügt das in den Aemter» der deutschen Reichspost benutzte System in höchstem Maße. Für den Teilnehmer zeigt« sich die Veränderung rein äußerlich darin, daß sein Apparat eine „Nummernscheibe" erhielt. Auch diese Apparate haben eine lanae Entwicklung durchgemacht (stehe Bild), bis sie ihre heutig« kleine, hübsche Form erhielten. Da» erste Selbstanschlußamt Deutschlands entstand 1908 in Hildesheim, bald folgte« andere, und gegenwärtig find fast '/' aller Fernsprechteil» nehmer an Selbstanschlußämter angeschlosten. Di« Bedeutung der Selbstanschlußtechnik liegt eigent lich nur zum kleinsten Teil darin, daß sie an Bedienungs kosten sparen hilft. Viel wichtiger ist nämlich, daß sie dem Fernsprechverkehr ganz neue Gebiete erschließt. Das macht sich vor allem auf dem Lande bemerkbar. Hier gibt die Selbstanschlußtechnik die Möglichkeit, in wirtschaftlicher Weise eine ständige Nerkehrsmoglichkeit zu schaffen. Als letzte Errungenschaft ist das Eindringen der Selbstanschluß, technik in den Fernverkehr hervorzuheben. Um die von der Nummernscheibe ausgehenden Stromstöße über di« mit Pupinspulen und Verstärkeämtern ausgestatteten Fern leitungen zu bringen, formt man sie zunächst in Wechsel ströme um. Es liegen hier bereits Erfahrungen vor, daß man über Hunderte und taufende von Kilometern hinweg wählen kann. Es ist klar, daß sich damit für de« Lern- sprechweitverkebr aans neue Moalichkeite« ergebe».