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Inzwischen hatten die beide» Gelegenhett, -4« blitz saubere Einrichtung des kleinen Gastzimmer« »n be trachten. An den Fenstern leuchteten schneeweiße Sar dinen, an den Wänden blankgescheuerte Bänke und Lisch«. Lieseloti war sehr schweigsam geworden, und auch ihr redegewandter Begleiter wußte nicht viel zu sagen. Beide dachten an die merkwürdige Situation, in der sie sich be fanden, jeder auf seine Art. Kurz darauf erschien die Alte wieder. »So! Wenn s den Herrschaften dann rech« ist, das Zimmer ist in Ordnung. Es steht allerdings »ur ein Bett darin; aber wenn man müde ist — nicht wahr? —, dann geht's schon ' Sie musterte Lieselott freundlich, daß sich Helle Röte über ihr Gesicht ergoß. Die alte Frau mutz mir doch auf hundert Mellen ansehe», daß ich gar nicht ver heiratet bin!, dachte sie. Sie kam sich verworfen und ver wahrlost vor wie ein Mädchen, daß auf «ine» bloßen Wink hin des Nachts durch das Pcnsionsfenster schlüpft, nm mit einem fremde» Ranne spazierenzugehe«. Sie dachte an ihren guten, dicken Papa und hörte, wie ihr Be gleiter zu »er Frau sagte: »Wäre es nicht möglich, daß ich hier auf de» Kanapee schlafen könnt«? Reine — meine Frau ist übermüdet und möchte »och lieber allein —' »Das geht »u« leider nicht, da wir nur ein Fremden- zimmer haben und die Grete auf dem Kanapee schlafen muß. Aber hier im Walde ist's ja mäuschenstill. Das Frauchen wird schlafe» wie ein Ratz!' Daraufhin ging die Frau in die Lüche nebenan, und Lieselott mußte an sich die entsetzlich« Entdeckung machen, daß sie, austatt entrüstet zu sein, verstohlen lächelte. St« schielte Lutz an, und da endet« diese« Lächeln in eine« beiderseitigen, erlösende» Gelächter. Er faßte ihre Hand. .Lieselott, versprich dich nichts vergiß nicht, daß wir hier verheiratet sind. Nu» mußt d» auch meinen Familienname» erfahren: Hohenfeld. Du bist als» Frau Hohenfeld ' Sie war entzückt. Hohenfeld war ei« herrlicher Nam«, fand sie. Der Papa kannte übrigens auch einen Hohenfeld, erinnerte sie sich, hielt es aber nicht für nötig, dies zu erwähnen. Später führte sie di« Wirtin «tue schmale H»lztr«ppe hinauf in ein blitzsauberes, freundliches Stübchen mit schiefen Wände,», zwischen denen ein kleine« Keusterchen ein Stück Wald unter dunkelblauem Himmel sehe» ließ. Die Alte stellte vie Kerze auf de» Lisch, wünschte etue an genehme Ruhe. Dann waren sie allein. Spürte» dieses Alleinsein plötzlich, trotzdem sie den ganze» Nachmittag alleftr gewesen waren, zum erste« Male intensiv »nd «tt geschürften Sinnen — es war, als läge» ihre Herzen atem los auf der Lauer. krampfhaft fing da Lieselott an, von allem möglichen unv Unmöglichen zu plauder», lobte die Wirti«, kritisier», alle Einrichtungsgegenstäude des Stübchens. Sie bemüht« sich um einen heiteren, harmlosen Lon und hatte noch nie einen so zaghaften Eindruck gemacht wie jetzt. In ihr quälten eine irre Sehnsucht, Scham und Selbstvorwürf«. Lutz merkte alle« sehr gut. Als ihr nichts mehr einsiel und er auch stumm blieb, setzte sie sich verlegen und bis zum Halse zugeknöpft auf den Bettrand, über den sich drei Stockwerke Federbetten türmten. Da kam er zu ihr hin und strich ihr über das Haar. .Sie find müde, Lieselott. Schlafe» Sie ruhig und haben Sie Vertrauen zu mir!' Diese Ritterlichkeit! Diese unerhörte Ritterlichkeit! Sie peitschte Lieselottes Blut auf. Von neuem mit Röte über- gossen, machte sie eine unwillige Bewegung «tt dem Kops« .Ich bin noch immer bemüht', fuhr er fort, .Ihnen nicht unsympathisch zu werden. Oder hat der Papa auch t» diesem Fall« recht?' Er lächelte. .Gar nichts hat der Papa — das ist ja Unsinn!* er widerte sie halb ärgerlich, durch ihre Lage unangenehm berührt bei dem Gedanken an den alten Herrn. Lutz schloß das kleine Fenster, zog die Vorhänge zu und sagte dann einfach: .Gute Nacht, Lieselott!' »Ja, wo wollen Sie denn hin, Herr Hohenfeld?' .Ich schlafe, wie vie Vöglein, unter freiem Himmel!' .Sie bleiben hier!' Schon packte sie einen Teil der Betten auf daS alte Sofa an der Band und bereitete ihm ein Lager. .So! DaS wäre ja noch schöner, wie ein Landstreicher draußen zu nächtigen. Sie wollen sich wohl einen Schnupfen holen?! Und wenn das jemand sieht... Cie wollen sich doch nicht unsympathisch machen? Na also, dann kann ich auch Vertrauen zu Ihnen haben. Und das hab« ich. Gute Nacht, Lutz!' Sie streckte ihm die Hand hin, und dann — Ja, dann sah Lutz von Lieselott nichts mehr, denn di« anderen zwei Stockwerke Federbetten, unter die sie blitz schnell in sämtlichen Kleidern geschlüpft war, machten sie unsichtbar. Lutz sah lang« «nd reglos auf diesen blau gekästelten Turmbau, der ein süßeS, kleines Mädel bara. Dann begab auch er sich znr Ruhe, lag mit offenen Auge» da, während draußen der Wald geheimnisvoll rauschte und Blumendolden dufteten. » * In de» Heidewlnkel gefiel eS ihne« so gut, daß sie in den nächsten Tagen gar nicht daran dachten, weiterzureisen. Hohenfeld ließ sich die Postsachen nach hier nachsenden, und Lieselott hatte an ihren Papa einen Bries geschrieben, daß sie, da eS ihr in Berlin so ausgezeichnet gefalle, «och einige Tage dortbleiben wolle. Uschi war natürlich ein- geweiht und mußte die Bricfvcrmittlerin spielen. Schluß folgt. Sreuzwvrträtsel. Waagerecht: 1. Zeichen des Winters, 1. leichter Win-, 7 weiblicher Vorname, ». mitteleuropäischer Strom, 12. häufiger Pupstname, 18. griechischer Buchstabe, 1.1. Binde- n-ort, 1ü. Bratenvoget, 18. Jahr, Id. Nebenfluß von v. waag., 2N. Mcngenbezeichnung, 28. Heilkundiger, 27. Wavv-nvogel, 28. Europäer, 29, Stadt im Erzgebirge, 38. Name für de» Teufel, 82. Schlingpfla:^«. »4. Teil der Scheune. 8S. Lter- wandter. Senkrecht: 2 Anzeichen -es Herbste-, 8. Gewässer, S. griechischer Buchstabe, «. Teil deS Fuße», 7. «iersorte, 8. elender Zustand, S. hiumeiscndcs Fürwort, 1ü. soviel wie -letzt", 11. Männername, 14. Amtsgewand, 17. Gefrorene», 18. erotischer Bogel, 28. Luftgemiich, 21. deutscher Schriftstel ler, 32. Niederlassung, 24. Teil des Segelwerks. 25. Teil des Kopses, Ai. beißes Getränk, Ai. Präposition, »1. Vorsicht. 88. Frauenname. Druck und Berlaa von Langer u. Winterlich, Ries«. — Für die Redaktion »erantwortlich: Heinrich Uhlcmau«, Riesa. ErMIer an dec Elbe. Rr. 4» Ries«, S. Dezember I»L3. 5«. Jakrg. VW MenlsMslk. Deutsche Art und deutsches Gemüt haben Adventsitten geschaffen, wie keinem anderen Volk sie eigen sind. Doch: nicht Selbstzweck sind Kerzen und Grün des Advents. Sie wollen nicht» anderes als uns bereitmachen, unser kaltes Herz aufzutaucn, daß der König der Ehren, der König der Wahrheit bei uns einziehen kann. Bo ist ein deutscher Mann und eine deutsche Frau, denen es im Schmuck des Advents, unter dem warmen, Hellen Schein der Kerzen «S nicht anders ums Herz würde? Erinnerung an fröhlich«, selige üinderzeit, wehmütige- Gedenken an die Lieben, mit denen man nicht mehr Advent und Weihnachten halten kann, ersaßt uns da. Merkst Du wohl? Advent mit seinen Kerzen nnd seinem lebendigen Grün will da- Herz Dir auf schließen. will bineinleuchten in die Finsternis und Täu schung Deine» Lebens, will Dich empsangsbereit machen, daß der König der Ehren, der König der Wahrheit, bei Dir einziehe. Er kommt auch in diesem Jahr. Soll Er an uns vorübergehen? Soll Er nicht auch unser dunkles und freudelose- Herz erfüllen? Ja, wir kaffen Ihn nicht vorbei an uns! Wir greifen nach Ihm, wir suchen, daß wir finden, wir bitte«, daß «uS gegeben werde. -Komm, o mein Heiland, JesuS Christ! Meins Herzens Tür dir offen ist. Ach zeug mit deiner Gnaden ein. Dein Freundlichkeit auch unS erschein! Dein heilger Geist unS führ und leit Den Weg znr ewgen Seligkeit! Dem Namen Dein, o Herr, Sei ewig Preis und Ehr' H. 5>, rx>-7 Lieselott, ein hübsches Fabrikantentöchterchen aus der Kleinstadt, achtzehn, braunhaarig und blauäugig, erhielt von ihrer Freundin Uschi aus Berlin folgenden Brief: .Liebe Lieselott! Meine Eltern sind in Westerland, da ist in unserer große« Wohnung massenhaft Platz für Dich. Wir wollen uns ein paar fidele Tage machen. Gib gleich ein Telegramm auf, wann Du eintriffft. Deine Uschi.' Das paßte ja großartig: der Papa verreist, der diesen Besuch gewiß vereitelt hätte! Er hielt es nicht für gut, wenn achtzehnjährige Mädchen ohne Aufsicht nach Berlin reisten — mochte seine Lieselott noch so fest in guten, moralischen Vorsätzen verankert sein. Der alte, dicke Papa war doch schrecklich rückständig und hatte sämtliche Lebens anschauungen seines Christinchens, der längst verstorbenen Mama, mit in die neue Zeit herübergcnommen. Lieselott packte pfeifend ihr Köfferchen, große Erwar- tungen tm Herzen, so wie kindliche Mädel, die vom .großen Erleben' träumen; die irgend jemand mächtig zugetan sind, den sie gar nicht kennen, aber ihn sich wünschen, wenn Sternschnuppen fallen; die durch ideale, rosige Brillen sehend die Schatten nicht bemerken — waS alle PapaS wissen. . * Der Zug setzte sich in Bewegung. Lieselott freute sich, daß sie trotz des Andranges ein Abteil für sich allein batte, als eia Herr eiyttat. .Buten Tag!' sagte er höflich, während er die Sport mütze abnabm und das Gepäcknetz belegte. Ihm auf dem Fuße folgte eine ältere, korpulente Dame in altmodischer Kleidung, die, nachdem sie ihre Reisetasche verstaut hatte, sofort von ihrer Ecke aus den Herrn in auffälliger Weise zu mustern begann. Dabei streifte sie Lieselott abwechselnd mit sprechenden Blicken. Kurz daraus ließ sie sich vernehmen: .Mein Herr, ich bitte Sie, daS Abteil zu verlassen!' Der Fremde beugte sich verwundert und offensichtlich belustigt vor. .Ich verstehe nicht recht, meine Dame...' .So, Sie verstehen nicht recht', rief die Dame grimmig und wandte sich an Lieselott: »Der ist lustig — was?' Und wieder zu dem Fremden: .Verlassen Sie daS Abteil, bitte!' Da sagte Lieselott plötzlich energisch und zog die Schultern hoch: .Ja, ich verstehe Sie auch nicht, meine Dame?!' .WaS, Sie verstehen mich auch nicht? Sie wollen wohl nicht verstehen! Wozu gibt es denn einen ganzen, langen Eisenbahnzug? Muß sich der Mensch denn ausgerechnet zu Damen placieren? Wenn Sie alt und häßlich wären, käme der nicht hier herein, Fräulein. Und kurz und gut...' Die belustigte Miene deS Fremden wechselte jetzt langsam in Entrüstung über, währen- Lieselott über und über rot geworden war. .Und kurz und gut', hörten sie weiter, »ich werde jetzt den Schaffner rufen, da fliegen Sie aus dem Damenabteil heraus!' Damenabteil! Der Bedrohte betrachtete die Außenseite der Tür, da leuchtete ihm das verhängnisvolle Wort in dunklem Eisen rahmen entgegen. «Ah — so!' Er lachte mit blitzenden Zähnen. »Verzeihung! DaS wußte ich nicht! Nun begreife ich allerdings Ihre Aufregung, meine Gnädigste, mit einem Manne reisen zu müssen!' Wie ironisch: .Wären nicht so .gedrückte' AbteilverhältniHe gewesen... Also, nichts für ungut!' Verbeugte sich ttwas zu tief vor der Alte«, warf einen bedauernden Seitenblick auf die junge Dame und verließ das Abteil. Lieselott aber ertappte sich bei dem burschikosen Ge- danken, die Alte möge de- Teufel holen. Donnerwetter, war der hübsch! Ganz ihr Typ: Groß, breite Schullern, dunkelhaarig und braungebrannt, als wenn er frisch auS den Tropen käme. Genau so hatte sie sich beim Lesen von Romanen immer die Grafen vorgestellt. Sie gab ihm in Gedanken ihren Lieblingsnamen Bodo und umdichtete seine Gestalt träumerisch zwischen dem .Rattattatt' der Räder mit Luxus und Reichtum, sah sich selbst mit ihm zusammen auf seinem Schloß und auf Rivierareisen .Mir machen die Kerle keine Wippchen vor! Der wollte mit Ihnen anbändeln, Fräuleinchen. Auf solche aufgetakelten Mannsbilder ist schon manche 'reingefallen. Was gucken Sie mich denn so entgeistert an, als wären Sie aus allen Himmeln gefallen mittenmang in ein Rattenloch? Ich will nichts weiter sagen, Fräulein, aber wie der Sie angeguckt hat — so was von Verzückung, nee!' Diese Worte vollendetster Prosa hatten Lieselott er- barmungslos aus süßen Träumen in daS poesielose Damenabteil des V-Auges zurückversetzt und ihr Herz mit dem .aufgetakelten Mannsbild' in Empörung auflodern lassen. Aber die letzten Worte versöhnte« sie schnell wieder. Sie hätte am liebsten gefragt: So, in Verzückung?. aber sie unterließ es und antwortete hochmütig: